Sonntag, 12. Februar 2012

SML Epilog

Epilog


Schwitzend lehnte ich mich gegen den Felsvorsprung in meinem Rücken und überprüfte kurz, ob meine Waffe auch voll geladen war. Trotz des Seitenstechens, versuchte ich langsam und vor allem, leise zu atmen.

„Sie müssten direkt hinter uns sein“, flüsterte mir Jasper zu, der seine Waffe ebenfalls fest umklammert hielt.

Ich nickte kurz. Wir hatten keine andere Wahl. Wir mussten direkt angreifen, ansonsten hätten wir keine Chance.

„Auf drei?“, zischte ich ihm zu.

„Auf drei“, kam es leise zurück.

„Eins“

„Zwei“

„Drei“

Zeitgleich sprangen wir beide auf und stürmten aus unserer Deckung. Doch durch die hochstehende Sonne wurde ich stark geblendet und erkannte zu spät den dunklen Schatten, der nur ein paar Meter vor mir stand. Instinktiv riss ich die Waffe hoch, aber es war bereits zu spät. Ich hatte einen direkten Treffer kassiert.

Wie in Zeitlupe sah ich auf mein dunkel durchtränktes Shirt herunter, ehe ich mich kraftlos auf die Wiese fallen lies.

Verdammt, wir hatten verloren....

Aus den Augenwinkeln sah ich, dass auch Jasper einen direkten Treffer kassiert hatte und ebenfalls zu Boden ging.

Unsere Gegner kamen bereits unter großem Jubelgeschrei auf uns zu gerannt.

„Papa…“, Jenny warf ihre Wasserpistole ins Gras und ließ sich freudestrahlend auf mich fallen. „Tante Alice und ich haben euch echt fertig gemacht“, sie kicherte und dabei tanzten ihre Locken hin und her. „Du bist ja ganz nass... wäääh“, bemerkte sie plötzlich und versuchte, wieder von mir abzurücken. Allerdings hielt ich sie fest und drückte ihren kleinen Körper gegen mein vollkommen durchnässtes Oberteil, was sie in lautes Protestgeschrei verfallen ließ.

„Paaapaaa…du bist so gemein“, jammerte sie und versuchte, mich zu kitzeln, „mein ganzes Kleid wird nass!“

„Hattest du etwa gedacht, du entkommst einer Wasserschlacht ohne dabei auch nass zu werden?“, lachte ich und setzte mich auf, um sie dann loszulassen.

Augenblicklich ergriff sie wieder ihre Wasserpistole, pumpte kurz und schoss den Rest ihres Tanks auf mich.

„Du freche, kleine...“ schimpfte ich gespielt streng los, während ich mich schnell erhob, um ihr ein für alle Mal die Wasserpistole zu entwenden. Kichernd rannte Jenny vor mir weg und ich setzte zu einer wilden Verfolgungsjagd an, die damit endete, dass wir beide letztendlich voll bekleidet in ihrem Kinderpool landeten.

Triefend vor Nässe und immer noch kichernd, liefen wir zehn Minuten später zurück ins Haus, tropften dabei den ganzen Flur und das halbe Wohnzimmer voll und holten uns dafür unseren Anschiss bei ihrer Mutter ab.

Wie in einer ganz normalen Familie....

Seufzend sah ich mich um. Meine Frau saß mit Jake, Sally und Lucie auf der Couch im großzügigen Wohnbereich und sah sich irgendeine Sendung im Fernsehen an.

Mein Bruder Emmett und Rosalie spielten draußen im Garten mit ihrem kleinen Jungen und Sallys Tochter. Alice und Jasper waren ebenfalls draußen. Der einzige von uns, der gerade fehlte, war Ahab. Aber der war sicher wieder im Keller, seine Waffen putzen oder so was.

Eigentlich konnte man da wirklich fast denken, wir wären eine ganz normale Großfamilie mit Häuschen im Grünen. Wäre da nicht die Tatsache, dass dieses Häuschen sich irgendwo in den Tiefen Südamerikas befand und von einer zwei Meter hohen Mauer mit Stacheldraht obendrauf umgeben war. Auch die Kameras und Hochsicherheitstechnik, die überall versteckt war und jeden Winkel des Grundstückes überwachte, machten deutlich, dass alles hier ganz und gar nicht normal war.

Auch wenn dieses unser erstes, richtiges Zuhause seit gut zwei Jahren war und wir uns in den sieben Monaten, die wir jetzt hier wohnten, richtig gut eingelebt hatten, so war Bella immer noch auf der Hut. Unsere monatelange Flucht kreuz und quer über den Kontinent hatte schließlich hier geendet, wobei ich noch nicht mal genau wusste, wo ganz genau hier war. Aber es war mir auch eigentlich egal. Hauptsache, die ganze Familie war wieder zusammen, denn zu lange waren wir getrennt gewesen.

Nach Aros Tod waren wir direkt zu unserem Versteck zurückgekehrt, nur um dort eine böse Überraschung zu erleben. Irgendwie war es dem Mistkerl Aro wohl doch im Vorfeld gelungen, einen Maulwurf bei uns einzuschleusen. Und ausgerechnet war er einer von denen, die Bella im Haus zurückgelassen hatte, um auf die Anderen aufzupassen. Allerdings hatte er keinen großen Schaden anrichten können, denn als er versucht hatte, Aros Leute zu informieren, wurde er überraschender Weise von unserer Köchin erledigt. Wie mir Bella danach erzählt hatte, arbeitete Cookie nebenberuflich oft als Auftragskillerin, deren Spezialgebiet es war, ihre Opfer nach Erledigung in handliche Stücke zu zerlegen, um sie den Angehörigen als Warnung per Post zuzuschicken.

Nach diesem Zwischenfall traten wir deshalb so schnell wie möglich die Flucht an. Da wir aber so viele waren und das immer Aufsehen erregen würde, entschied Bella, dass es besser wäre, sich in kleine Gruppen aufzuteilen. Fast anderthalb Jahre lang hetzten wir deshalb, getrennt voneinander kreuz und quer durch Südamerika, verwischten unsere Spuren, blieben nie länger als vier Wochen an einem Ort, ehe wir uns alle gemeinsam wieder hier trafen. Die Zeit war nicht einfach gewesen, denn zwischenzeitlich hatte ja erst Rose und danach auch Sally entbunden. Glücklicherweise hatte es bei beiden keinerlei Komplikationen gegeben, denn eine Notoperation mitten im Urwald wäre auch für Bella mit unzureichender medizinischer Ausrüstung problematisch gewesen.

Laut Bella waren wir hier zwar immer noch nicht hundertprozentig sicher, aber sehr weit ab vom Geschehen in den USA, so dass nur noch eine kleine Restgefahr blieb. Und genau deswegen hatte sie ja die ganze Sicherheitseinrichtung installieren lassen. Ich wusste gar nicht so genau, wer uns alles überhaupt noch verfolgte. Auf alle Fälle die amerikanischen Bundesbehörden und bestimmt auch noch einige treue Gefolgsleute von Aro, die seinen Tod rächen wollten. Dazu kamen leider noch andere, die es speziell auf Bella und Jake abgesehen hatten, da die beiden nach Aros unglücklichem Ableben, jetzt ja offiziell die Führung der Volturis übernommen hatten. Sie zogen die Fäden zwar nur aus dem Hintergrund, aber logischer Weise wurden sie auch nicht von allen einfach so kampflos akzeptiert. In der Zeit, wo wir anderen auf der Flucht waren, erledigte wohl Ahab, wenn ich nach dem ging, was ich so mitbekam, einige dieser Leute für Bella, die sich partout nicht unterordnen wollten.

Einerseits wusste ich natürlich, dass das alles für unsere Sicherheit notwendig war. Andererseits zerplatzte aber auch mein Traum, dass jetzt alles anders werden würde, wie eine Seifenblase. Bella hatte leider Recht behalten. Sie konnte nicht einfach so aus ihrem alten Leben raus, sie würde sogar eher ein Leben lang immer tief drin stecken. Und ich mit ihr.

Eine Sache hatte sich allerdings geändert. Bella trat jetzt nicht mehr selbst in Erscheinung, sondern hatte ihre Leute, die die Drecksarbeit für sie erledigten und uns damit ein sorgenfreies Leben ermöglichten. Ich hätte es vorher nicht geglaubt, aber es gelang mir tatsächlich, die Tatsache die meiste Zeit auszublenden, woher das Geld kam, von dem wir lebten. Nur die täglichen Trainingseinheiten von Bella, Jake, Sally und Ahab erinnerten mich daran, welche Art „Beruf“ sie alle ausübten.

Aber im Moment war wenigstens Bella vom Training ausgeschlossen.

Mit einem Lächeln über das ganze Gesicht setzte ich mich neben meine geliebte Frau auf die Couch und strich ihr über den dicken Baby-Bauch. Dann legte ich mein Ohr darauf und hörte auf die Gluckergeräusche, die aus dem Inneren kamen.

Wenn ich den beruhigenden Geräuschen lauschte und die Tritte unserer Zwillinge spürte, dann wusste ich, dass alles gut gehen würde, gut gehen musste. Bella würde schon dafür sorgen das die Zwei, so wie auch die anderen Kinder unserer großen Familie, in Frieden, weit ab von der Gewalt die sie umgab, groß werden würden.

Solange wir zusammen halten würden, konnte uns nichts passieren.


Love is forever - and when we'll die, we'll die together


ENDE

SML - 69 - No one's gonna take me alive

69 No one's gonna take me alive



Ahab zog mich hinter eins der Autowracks, das ein paar Meter entfernt stand. So waren wir vor den Augen der Anderen verborgen und konnten trotzdem dem gesamten Geschehen folgen.

Trotz der Sicherheit, die uns durch das Versteck gegeben wurde, hielt Ahab aber trotz allem ständig die unmittelbare Umgebung im Auge und hielt mich auch an, meine Waffe weiterhin schussbereit zu halten.

Gespannt verfolgte ich, wie Jake und Bella kämpften. Ich wagte kaum zu atmen. Es herrschte plötzlich eine fast gespenstische Stille. Die Detonationen waren verstummt, nur noch allein die Kampfgeräusche der beiden waren zu hören. Und ab und zu ein leises Klicken, wenn Ahab die Position seines Lollis im Mund wechselte. Irgendwie schien sich jetzt alles auf diesen einen Schauplatz zu konzentrieren.

Alle unsere übriggebliebenen Gegner waren an diesen einen Platz zusammen gekommen. Sicherlich hatten sie alle bemerkt, dass Bella nicht mehr innerhalb des gesicherten Geländes zu finden war, sondern sich draußen dem offenen Kampf gestellt hatte. Und jetzt ging es ihnen allen nur noch darum, ihrer so schnell wie möglich habhaft zu werden. Ich war mir sicher, dass Aro eine Belohnung für denjenigen bereitgestellt hatte, der sie ihm lebend vor die Füße werfen würde. Dementsprechend waren sie alle erpicht darauf, lebend an sie heranzukommen. Es war fast so, als würden sie Schlange stehen, um sich mit ihr zu duellieren.

Und Ahab hatte natürlich vollkommen Recht.

Sie hatte Spaß dabei.

Selbst aus der Entfernung erkannte ich dieses kleine, für sie so typische Lächeln, welches ihre Gesichtszüge umspielte. Das Leuchten in ihren Augen, auch wenn ihr Gesichtsausdruck ansonsten hochkonzentriert wirkte.

Denn Bella tat gerade das, was sie am besten konnte... sie tötete... unbarmherzig...und effizient.

Wer ihr zu nahe kam, bezahlte das mit seinem Leben. Wenn sie dabei nicht ständig ihre Position ändern würde, müsste sie schon auf einem Berg Leichen stehen. Denn allein innerhalb der paar Minuten, die ich erst hier stand, hatte sie bereits acht Männer getötet. Ich kam gar nicht dazu, darüber nachzudenken, dass alle diese Männer eigentlich auch ein Leben, eine Familie, eine Geschichte hatten, denn es ging hier zu wie am Fließband.

Zack. Zack. Tot. Der Nächste...

Bella machte meistens kurzen Prozess mit ihren Gegnern. Sie kassierten erst ein paar Schläge oder Tritte, ehe Bella ihnen dann das Genick brach oder sie mit dem Messer derart verletzte, dass sie innerhalb von wenigen Minuten verbluten würde. Dadurch, dass sie meist irgendwelche Arterien verletzte und das Blut nur so aus den Wunden spritze, war sie mittlerweile von Kopf bis Fuß mit Blut besudelt. Ich war heilfroh, dass Jasper jetzt nicht hier unten war, denn der würde sich sicher nur noch übergeben.

Jake hielt Bella während des Kampfes den Rücken frei. Er stand diesmal allerdings nicht so nah, wie bei der Rettungsaktion von Rosalie und Emmett, sondern etwa einen Meter hinter ihr.

Trotzdem sorgte er dafür, dass sich niemand Bella von hinten auch nur näherte. Seine Bilanz an Toten war dabei ähnlich hoch wie ihre. Ich fragte mich nur, wie er es zeitgleich schaffte, immer genau an ihr dran zu bleiben. Er folgte jeder ihrer Bewegungen, so als würde er sie blind voraus ahnen.

Ich wusste nicht genau, wie lange ich einfach nur da stand und mit offenstehendem Mund das grausige Spektakel betrachtete. Es konnten nur wenige Minuten gewesen sein, oder eine ganze Stunde, ich wusste es wirklich nicht. In meiner Wahrnehmung gab es nur noch Bella und Jake, die in einem Wust aus Toten und stark Verletzten umherwirbelten.

Und irgendwann war dann Ruhe.

Irgendwann war da niemand mehr, der sich ihr in den Weg stellte und versuchte, sie zu fassen zu bekommen.

Auf einmal herrschte einen Moment lang fast komplette Stille. Nur ein vereinzeltes Stöhnen von denen, die noch nicht ganz tot waren, tönte leise durch die jetzt klare Luft. Der Nebel hatte sich endlich gelichtet und gab den Blick auf die komplette Umgebung frei. Dadurch wirkte alles noch ein wenig erschreckender und ich fragte mich schaudernd, wie viele Menschen hier ihren Tod gefunden hatten.

Hatte Aro denn wirklich geglaubt, dass er diese kleine Festung so leicht hätte einnehmen können? Gut, wenn Ahab vorhin nicht mit mir unten gewesen und das Eindringen unserer Gegner verhindert hätte, wäre es vermutlich im Inneren des Geländes zu einer weiteren Schlacht gekommen. Bei der wir bestimmt mehr Verluste hätten hinnehmen müssen. Aber so schienen wir siegreich und ohne größere Verluste aus der Sache hervorgegangen zu sein.

Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Ich hatte ehrlich nicht damit gerechnet, dass es für uns so gut ausgehen würde. Aber es hatte mal wieder gezeigt, dass eine gute Vorbereitung überlebenswichtig sein konnte. Denn ohne die ganzen Sprengfallen, wäre es sicher auch anders ausgegangen. Aber so wurde ein Großteil unserer Gegner schon ausgeschaltet, bevor sie überhaupt in unsere Nähe kommen konnten. Und die drei Scharfschützen hatten ihr Übriges dazu geleistet.

Ein lautes Klatschen riss mich aus meinen wirren Gedanken und ich sah perplex in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Etwa zwanzig Meter von uns entfernt, lief ein kleiner Trupp Männer auf Jake und Bella zu, die abwartend und mit geballten Fäusten da standen. An seiner Spitze lief Aro. Er trug einen langen, schwarzen Mantel und klatschte frenetisch lächelnd in die Hände.

„Bravo“, rief er den Beiden entgegen und ich bemerkte unwirsch, dass mich Ahab hinter sich zog, um mich vor den Blicken der Neuankömmlinge zu schützen. Bella warf ihm einen kurzen Blick zu, der Bände sprach. Sie hatte mich definitiv gesehen und fand es wohl gar nicht witzig, dass ich jetzt gegen ihren Willen hier war. Ahab würde mit Sicherheit großen Ärger deswegen bekommen und ich auch. Und der arme Jasper. Hinterher. Wenn es ein „hinterher“ geben würde.

Seufzend spähte ich vorsichtig an Ahabs Schulter vorbei zu Jake und Bella. Die Zwei sahen aus, als wären sie direkt aus irgendeinem Splatterfilm entstiegen. Ihre schwarzen Anzüge waren nahezu komplett mit Blut besudelt, ihre Hände, ihre Gesichter, alles war durchtränkt vom Blut der Getöteten.

„Bravo“, rief Aro erneut, „Bravissimo, meine Prinzessin. Ich habe doch immer gewusst, dass deine Ausbildung nicht umsonst war. Und du hast ja die Anlagen dafür bereits in deinen Genen“, er seufzte theatralisch auf, „hast du eigentlich gewusst, dass deine Mutter aus einer alten sizilianischen Familie stammte, die noch heute einem der größten Kartelle angehört? Wenn ich denen das bei einem der nächsten Treffen erzähle, weißt du, wie stolz sie dann sein werden? Und ich erst! Meine kleine Isabella, lass uns diesen kleinen Zwist hier sofort vergessen, in Ordnung? Ich kann dir eine glänzende Zukunft bieten, die du dir bisher in deinen kühnsten Träumen nicht vorstellen konntest. Auch mit deinem Ehemann, wenn du das unbedingt willst. Du kennst längst nicht die kompletten Ausmaße meiner Macht. Einer Macht, die ich mit dir teilen will! Die ich für dich aufgebaut habe...sie ist dein Erbe…nimm es dankbar an.“

Bella schnaubte abfällig und Aro trat nun zwischen seinen Bodyguards hervor, die er mit einer Handbewegung zum Anhalten brachte und streckte Bella beruhigend seine Hände entgegen.

„Komm zu deinem Onkel, Isabella. Du musst endlich verstehen, dass ich das alles nur für dich getan habe, weil ich dich liebe. Vom ersten Moment an, als ich damals ein Bild von dir gesehen habe, war ich wie verzaubert von dir. Du warst von Anfang an meine kleine Prinzessin. Ich konnte nie eigene Kinder bekommen und du warst einfach so perfekt für mich. Ebenso Jacob …“, Aro legte den Kopf schief und sah ihn mit fast liebevollem Blick an, „er wäre zu einhundert Prozent perfekt gewesen für dich. Ihr zwei passt einfach so gut zusammen.“

Bella und Jake tauschten einen kurzen Blick miteinander, der mir alles sagte, ehe sie ihn beide wieder hasserfüllt ansahen. Ihre ganze Körpersprache schrie förmlich ihren Hass und ihre Wut auf Aro heraus. Sie wirkte wie zwei gespannte Armbrüste, die Sehnen zum Bersten gedehnt, jederzeit abschussbereit. Selbst aus der großen Entfernung konnte ich die Anspannung der beiden sehen. Ihre Körper schienen förmlich unter Strom zu stehen. So hatte ich die zwei noch nie erlebt.

„Aber nun ja“, führte Aro, völlig ungeachtet der bösen Blicke, seinen Monolog fort, „du hast dich nun mal anders entschieden. In dem Punkt hast du vielleicht eine kleine Schwachstelle, die ich nicht früh genug ausgemerzt habe. Aber zu meiner Entschuldigung muss man einfach sagen, dass du eben eine Frau bist, da ist man leider vor solchen Dingen nicht gefeit...“

Jake hielt Bella mit einer schnellen Bewegung am Arm zurück, ansonsten wäre sie vermutlich schon jetzt auf Aro losgegangen.

„Aber meine Liebe, keine Sorge, ich verzeihe dir. Und du kannst ja auch gerne deinen Mann“, er sprach das Wort aus, als könnte er sich daran verätzen, „…behalten. Und es spricht ja trotzdem sicherlich nichts dagegen, nebenbei ein oder zwei richtige Erben für mich mit Jacob zu zeugen.“

„Ruhig bleiben, Edward…“, war plötzlich eine leise Stimme an meinem Ohr zu hören und ich spürte einen eisernen Griff an meinem Arm. Etwas verwirrt sah ich zu Ahab, der mich wieder energisch hinter sich zog. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich wohl hinter ihm hervor getreten war.

Völlig fassungslos blickte ich wieder zu Aro. Er musste doch vollkommen den Verstand verloren haben. Wie konnte er Bella immer noch als seine Erbin betrachten und dabei auch noch die Unverfrorenheit besitzen, hier von Liebe zu reden? Bella stand mehr als überdeutlich ins Gesicht geschrieben, dass sie ihn nur noch töten wollte und er war doch eigentlich auch nur aus dem einen Grund hier – sie zu töten! Wie konnte er jetzt davon reden, das alles zu vergessen und einfach da weiter zu machen, wo sie gemeinsam aufgehört hatten? Waren die ganzen Toten und der Schmerz um das alles, denn dann völlig umsonst gewesen? Hätten wir uns das alles sparen können? War das alles nur eine Art Spiel für ihn gewesen?


Ich bewunderte Jake im Moment wirklich. Er schien vollkommen ruhig zu sein und hatte es auch wie immer geschafft, Bella zu beruhigen.

„Mein lieber Onkel Aro“, setzte diese aber plötzlich mit künstlicher, zuckersüßer Stimme an und ich sah, wie Jake jetzt in unserer Richtung blickte und eine kurze nickende Bewegung machte, „hast du wirklich gedacht, ich könnte dir jemals verzeihen, dass du meine Eltern vor meinen Augen hast ermorden lassen? Und dass du dich dann die ganze Zeit als mein persönlicher Wohltäter aufgeführt hast? Mir mein ganzes Leben vorgegaukelt hast, du würdest alles Erdenkliche dafür tun, damit ich mich irgendwann an den vermeintlichen Tätern rächen kann? Obwohl du selber ganz genau wusstest, wer dahinter steckte? Obwohl du es selber organisiert hast? Du hast mir damit meine komplette Kindheit geraubt, indem du mich ab da manipuliert hast, wo du nur konntest. Nur, um mich so zu formen, dass du mich für deine alleinigen Zwecke missbrauchen kannst.“

Bella machte eine kurze Pause und lächelte ihn scheinbar strahlend an.

„Aber irgendwie bin ich dir auch in einem Punkt dankbar. Dankbar dafür, dass du mir eine exzellente Ausbildung hast zukommen lassen…“, ihr Lächeln glitt in ein dämonisches Grinsen hinüber, „denn so weiß ich jetzt ganz genau, was ich mit dir alles anstellen werde, bevor ich dich langsam und schmerzvoll töten werde...“

Und plötzlich kam Bewegung in die Sache und alles ging ganz schnell.

Ahab zischte mir lediglich ein kurzes „bleib in Deckung“ zu, bevor er mit einem riesigen Satz auf den Wagen vor uns sprang. Innerhalb eines Wimpernschlags war er schon hinter dem völlig erstaunten Aro. Zeitgleich mit ihm hatten sich auch Jake und Bella in Bewegung gesetzt.

Während Bella sich direkt auf Aro gestürzt hatte und ihn mit einer Salve Faustschläge auf die Brust bearbeitete, nahmen sich Jake und Ahab seine verbliebenen Bodyguards vor. Es waren insgesamt acht, aber die zwei hatten keinerlei Probleme mit dem ungünstigen Kräfteverhältnis.

Ahab hatte schon im Flug dem ersten sein Knie in den Brustkorb gerammt und ihm dann mit einer fließenden Bewegung das Genick gebrochen. Jake hingegen hatte seine Messer als tödliche Wurfgeschosse benutzt und damit gleich zwei der Hünen außer Gefecht gesetzt. Im Vorbeirennen zog er die blutigen Messer wieder aus den Leichen heraus und attackierte damit die zwei restlichen Typen. Innerhalb weniger Sekunden waren die Bodyguards allesamt tot, nur noch ein völlig überrumpelter Aro stand da und ließ sich von Bella verprügeln. Er sagte dabei auch keinen Ton, vom Aufstöhnen nach einem besonders heftigen Schlag mal abgesehen, sondern ließ sie einfach nur machen.

Und das wiederum erstaunte mich. Liebte er Bella denn nun wirklich so sehr, wie er immer behauptete? Ließ er das deshalb einfach so über sich ergehen, weil er wusste, dass es ihr gut tat? Oder hatte er sich selbst aufgegeben, als er bemerkt hatte, dass Bella auf sein Angebot nicht eingehen würde?

Ahab kehrte inzwischen, seelenruhig einen neuen Lolli auswickelnd, zurück zu mir, während Jake sich mit verschränkten Armen neben Bella stellte und zusah, wie sie ihrer Wut einfach freien Lauf ließ.

Und das tat sie... sehr gründlich... nicht einmal die mangelnde Gegenwehr, von reflexartigen Abwehrbewegungen mal abgesehen, ließ sie in ihrem Tun einhalten. Mit einem wirklich dämonischen Grinsen auf dem Gesicht, nahm sie Aro Stück für Stück auseinander. Brach ihm, nach und nach, sämtliche Knochen im Leib.

Den Anfang machte sein Nasenbein, der Kiefer und beide Jochbeine, die Bella mit ein paar gezielten Schlägen zertrümmerte. Das ganze Gesicht von Aro wirkte danach irgendwie verschoben und er schlug sich instinktiv und laut schreiend, die Hände vor sein verletztes Gesicht.

Allerdings war Bella damit noch lange nicht fertig. Dies war erst der grausige Anfang ihrer lange geplanten Rache. Sie riss ihm brutal die Arme zurück und brach diese ebenfalls mit einer schnelle Bewegung und begann dann, seine Arme während eines irren Tanzes in unmöglichen Winkeln hin und her zu bewegen. Und trotz der wahnsinnigen Schmerzensschreie bildete ich mir ein, das malende Geräusch der aufeinander reibenden Knochensplitter zu hören.

Mein Magen krampfte sich unwillkürlich zusammen und ich musste mich zwingen, weiter zu atmen, denn vor lauter Anspannung hatte ich die Luft angehalten.

„Willst du nicht lieber gehen?“, fragte mich Ahab mitfühlend, der allerdings selber mit vollkommen ruhigem Gesichtsausdruck, neben mir stand. Ich blickte nur kurz zu ihm und wendete mich dann, dabei den Kopf heftig schüttelnd, wieder dem grausigen Geschehen zu.

Nein, ich würde Bella jetzt nicht allein lassen. Auch wenn mich die Brutalität, mit der sie hier jetzt vorging, doch ein wenig überraschte. Aber mir war egal, was sie dort gerade tat und was sie noch mit Aro anstellen würde, sie war und bleib meine Frau, die ich über alles liebte.

Als sie ihm mit mehreren Tritten gezielt die Rippen brach, setzten bei mir Phantomschmerzen am ganzen Körper ein und ich umklammerte reflexartig meinen Brustkorb.

„Macht dir das eigentlich gar nichts aus?“, fragte ich Ahab entsetzt. Als Antwort bekam ich ein kurzes Räuspern und ein „Nö, nicht im Geringsten“, was mich dazu brachte, mich jetzt lieber nicht zu fragen, was er schon alles erlebt hatte. Denn das wollte ich gewiss nicht wissen.

Bella setzte währenddessen ihr Zerstörungswerk an Aros Beinen fort. Er fiel um, wie ein gefällter Baum und lag nun auf dem Rücken. Auch hier brach sie ihm zuerst die Knochen, ehe sie damit begann, seine Gliedmaßen in alle Himmelsrichtungen zu verdrehen. Das mussten fast unerträgliche Schmerzen für ihn sein. Wie hielt er das nur aus?

Als sie dann mit voller Wucht zwischen die Beine trat, wurden meine Phantomschmerzen nahezu unerträglich und ich schloss die Augen.Aber immerhin bemerkte ich in dem Moment eine kleine Reaktion an Ahab, das schien selbst ihn nicht kalt zu lassen, war vermutlich einfach männlicher Instinkt.

Plötzlich wurden seine Schreie etwas leiser und Bella begann zu fluchen.

„Verdammt. Er wird schon ohnmächtig“, sie sah kurz zu Jake und Ahab, „Jungs, bringt ihn bitte für mich rein. So schnell lass ich ihn nicht davon kommen…“

Jake reagierte sofort und rannte kurz durch die aufgesprengte Öffnung ins Innere des Geländes, von wo er kurz danach, mit einer Art Trage zurückkam. Ahab und er verfrachteten den augenscheinlich leblosen Aro auf die Trage und trugen ihn auf demselben Weg hinein. Bella folgte ihnen, ohne einen Blick in meine Richtung zu werfen. Sie schien nur noch auf eine Sache fixiert zu sein.

Einen Augenblick lang sah ich dem kleinen Trupp nach, ehe ich mich doch dazu entschloss, ihnen zu folgte.

Aro wurde in eine der kleineren Baracken getragen. Als ich ebenfalls eintrat, legten Ahab und Jake ihn gerade auf eine Art OP-Tisch und mir kam der Verdacht, dass das, was jetzt hier passieren würde, vorher bis ins kleinste Detail geplant war.

Denn der ganze Raum war mit medizinischen Instrumenten vollgestopft. Um uns herum standen lauter blinkende, piepsende Apparaturen. Auf einem Beistelltisch lagen eine Menge medizinische Instrumente. Spritzen, Messer, kleine Sägen... es erinnerte leider sehr an ein Horrorkabinett eines völlig durchgeknallte Serienkillers.

Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich, wie Bella dem stöhnenden Aro das Hemd aufschnitt und ihm irgendwelche Pads auf die nackte Brust klebte. Anschließend legte sie ihm einen intravenösen Zugang und hängte irgendeinen Tropf dran.

Nur wozu war das ganze gut? Was zum Teufel sollte das werden? Ich dachte, er sollte sterben und jetzt schien es so, als wollte sie ihn doch zurück ins Leben holen.

„Ist der Defri geladen?“, fragte sie Jake, ehe sie kurz zu mir rüber sah. „Das wird jetzt etwas unschön hier. Du solltest besser gehen.“

Ich schüttelte vehement den Kopf. Ich wollte sie nicht verlassen. Ich hatte es schließlich geschworen. Bei unserer Hochzeit…in guten wie in schlechten Tagen…und das hier waren definitiv die schlechten. Aber ich wollte stark sein … für sie.... für uns...

„Doch, es ist besser und es war keine Bitte…“, Bella sah mich nun eindringlich an und für einen kurzen Augenblick, hatte selbst ich Angst vor ihr. In diesem kurzen Moment erinnerte nichts an ihr an die liebevolle Frau, in die ich mich verliebt hatte. „Ahab, schaff ihn hier raus…“, setzte sie emotionslos hinzu.

Ich wurde sofort unsanft von ihm an den Armen gepackt und nach draußen gezerrt. Ich versuchte erst gar nicht, mich dagegen zu wehren, denn ich wusste genau, dass ich eh keine Chance haben würde. Jake warf mir einen warnenden Blick zu, verschloss hinter uns die Tür und riegelte sie ab.

Ahab zog mich noch ein gutes Stück weiter und setzte mich dann auf einen der rumliegenden Felsbrocken. Dann stellte er sich mit verschränkten Armen unbeweglich neben mich und ich brauchte nicht erst nachzufragen, um zu wissen, dass er jeden Versuch meinerseits, wieder aufzustehen erfolgreich verhindern würde.

Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal und lehnte mich so gut es ging an die Wand, gegen die der Brocken wohl beim Sprengen der Mauer gerollt war. Das konnte ja jetzt wohl erst mal dauern.


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Urplötzlich schreckte ich hoch.

Um mich herum war es mittlerweile dunkel geworden, nur einzelne Lampen erleuchteten die Szenerie. Aber Ahab stand immer noch wie ein dunkler Schatten neben mir und grinste mich an. „Na, ausgeschlafen?“

Benommen streckte ich mich, rieb mir meinen steifen Nacken und nickte dann langsam. Ich war tatsächlich in all diesem Chaos eingeschlafen. Wie viel Zeit wohl inzwischen vergangen war?

„Sind... sind sie endlich fertig damit…?“, fragte ich vorsichtig und spähte neugierig zum gegenüberliegendem Gebäude, wo noch immer Licht brannte.

„So gut wie“, er räusperte sich kurz, „wir sind auch schon dabei, hier alles zu evakuieren. Bis auf den Heli ist schon alles draußen.“

„Ist.. ist er denn nun tot?“, fragte ich, nicht in der Lage, Aros Namen noch einmal auszusprechen. Ahab schüttelte den Kopf und ich riss verdattert die Augen auf.

„Noch nicht. Das hebt sie sich wohl noch ein wenig auf, würde ich sagen. Aber als richtig lebendig würde ich Aro auch nicht mehr bezeichnen. Nur laut seinen Vitalwerten ist er noch am Leben.“

„Weißt du denn, was sie mit ihm genau gemacht haben?“, ich sah ihn fragend an.

„Yepp“, er nickte kurz, warf einen Blick zu der gegenüberliegenden Tür und sah dann wieder mich an, „aber glaube mir, das willst du nicht wissen.“ Damit war für ihn das Thema wohl erledigt.

Ich dachte an die ganzen Instrumente zurück, die ich gesehen hatte und erinnerte mich daran, dass mir Bella mal erläutert hatte, dass es keiner großartigen Verletzung bedurfte, um jemanden zu quälen und das es medizinisch kein großes Problem darstellte, jemanden mehrmals bis dicht an die Schwelle zum Tod zu führen und wieder zurückzuholen. Vielleicht war es wirklich besser für meinen Seelenfrieden, hier keine Details zu kennen und einfach diesen Ort des Schreckens zu verlassen und mit meiner Frau zu unserer wartenden Familie zurückzukehren…

Ahab führte mich hinaus zu den Anderen, die mit mehreren Fahrzeugen ein ganzes Stück weit weg, mitten auf dem freien Feld standen. Auf dem Weg dahin, versuchte ich eisern die ganzen Toten zu ignorieren, die überall herumlagen und war heilfroh, dass mein Magen leer war. Ansonsten hätte ich mich sicher doch noch übergeben.

Jasper saß auf der Motorhaube eines Wagens und winkte mir zu. Er sah immer noch ziemlich mitgenommen aus, hielt sich aber tapfer aufrecht. Sally stand direkt daneben und telefonierte, allerdings wiedermal auf Französisch, so dass ich kein Wort verstand. Sicherlich hatte sie Lucie an der Strippe und ließ gerade so den Rest der Familie wissen, dass es uns anderen allen halbwegs gut ging.

Ich kletterte auf die Haube neben Jasper und ließ einfach alles Weitere auf mich zu kommen. Ich wusste nicht genau, was jetzt passieren würde, aber ein kleines Alarmglöckchen schrillte schon in meinem Hinterkopf, da Ahab vorhin das Wort „evakuieren“ benutzt hatte.

Wollten sie etwa alles hier in die Luft jagen?

Es vergingen mehrere Minuten, in denen nichts passierte, ehe sich plötzlich der Helikopter erhob und auf uns zu flog. Er landete irgendwo hinter uns und Ahab stand plötzlich wieder wie aus dem Nichts neben mir.

„Es ist gleich vorbei“, raunte er mir leise zu und drückte mir ein Nachtsichtgerät in die Hand. Er hielt es so, dass ich den Eingangsbereich gut im Blick hatte.

Und da sah ich zwei Gestalten, die irgendetwas auf einer Bahre trugen und vor der Tür des Gebäudes ablegten.

„Was haben sie denn nun vor?“, fragte ich an Ahab gewandt, doch er lächelte mich bloß vielsagend an und deutete mit dem Kinn in die Richtung. „Sieh es dir doch an…“. Also wand ich mich lieber wieder schnell um und beobachtete weiter das Geschehen.

Nachdem Bella und Jake Aro abgelegt hatten, entfernten sich beide in Richtung der kleinen Eingangstür, durch die Ahab und ich vorhin auch nach draußen gegangen waren. Sie legten beide feierlich die Hand auf die Klinke, sahen sich grinsend an und stießen mit einem gemeinschaftlichen Ruck die Tür auf.

Oh meine Gott... die Sprengfalle…

Mein Herz begann mir bis in den Hals zu schlagen und ich beobachte nervös und mit zittrigen Händen, wie die zwei schnell in unsere Richtung rannten.

Plötzlich wurde mir das Nachtsichtgerät von Ahab von den Augen gerissen und einen kurzen Augenblick später, ließ eine gewaltige Detonation den Nachthimmel erzittern.

Wie erstarrt sah ich in die riesige Feuerkugel, die das komplette Gelände auf einmal zu verzehren schien. Es schlossen sich kurz hintereinander noch eine Reihe weiterer, kleinerer Detonationen an, die alles Übriggebliebene in Schutt und Asche legten.

Nach einer Weile, die mir schier unendlich vorkam, sah ich zwei dunkle Gestalten, die sich uns langsam näherten.

Doch Bella und Jake waren unverletzt und guter Dinge. Sie liefen aufrecht, ihr Blick war geradeaus gerichtet, ihr Gang stolz.

Wir hatten es endlich geschafft.

Wir waren endlich frei...

Ich rutschte von der Motorhaube des Wagens und rannte ungeduldig auf meine Frau zu. Ahab ließ es geschehen, also schien es in Ordnung zu sein. Bella lächelte mich freudestrahlend an. Die Erschöpfung der letzten Tage war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, aber sie war definitiv glücklich. Schwungvoll nahm ich sie in meine Arme, verteilte viele Küsse auf ihrem gesamten Gesicht. Sie schmeckte nach Rauch, Blut und Schweiß, aber das war mir egal.

Denn es gab nun niemanden mehr, der uns trennen würde. Wir waren für immer vereint.

Meine Tränen begannen nun zu laufen, ohne dass ich es verhindern konnte. Ich murmelte unverständliches Liebesgeflüster in ihr Haar und drückte sie fest an mich.

Sie war mein.

Niemals wieder würde ich sie loslassen.

Niemals.

Freitag, 13. Januar 2012

SML - 68 - war is overdue

68 war is overdue


Einen Moment lang starrte ich Ahab nur ungläubig an, denn ich hatte wirklich nie im Leben damit gerechnet, dass er tatsächlich so einfach nachgeben würde. Eigentlich war es nur ein Versuch gewesen, um mir selber sagen zu können, dass ich alles probiert hatte.

„Was ist denn nun?“, fragte er etwas ungeduldig, „willst du jetzt etwa nicht mehr?“

„Do... doch“, stammelte ich und wollte schon durch die offene Tür treten, doch er hielt mich auf.

„Warte und hör kurz zu“, er räusperte sich, „als Erstes ziehst und entsicherst du deine Waffe. Wenn irgendeiner auf dich zielt, drück ab. Ohne nachzudenken. Falls ich es nicht schon getan habe. Bleib immer dicht bei mir und wenn ich renne, folgst du mir, wenn ich mich ducke, tauchst du ebenfalls ab, okay?“

Ich nickte und zog meine Waffe heraus. Mit zittrigen Händen drückte ich den Entsicherungshebel.

„Ruhig, Edward“, er legte seine Hand beruhigend auf meine, „ich hab keinen Bock, dass du aus Versehen mich erschießt. Das da unten wird kein Spaziergang, zugegeben, aber auch nicht das Ende der Welt. Wir werden uns nicht direkt ins Geschehen begeben, sondern einen Platz suchen, wo du sie sehen kannst und wir in Deckung sind, in Ordnung? Die Hauptsache ist, dass du genau das tust, was ich dir sage, davon hängt da unten dein Leben ab. Soweit alles klar?“

Langsam drehte ich den Kopf zu ihm und nickte langsam. „Alles klar.“

„Dann lass uns loslegen“, er nahm die Hand runter und begann, seine Waffe schussbereit vor sich haltend, langsam die Treppen hinunter zu gehen. Ich folgte ihm auf dem Fuße.



Das Treppenhaus lag im Inneren des Gebäudes und war komplett fensterlos. Trotzdem konnte man auch dort dumpf die Kampfgeräusche von draußen wahrnehmen, spürte man auch hier die Vibrationen, die durch die Detonationen hervorgerufen wurde. Es war wirklich so, wie man sich als Laie den Krieg vorstellte und ich bekam eine Heidenangst vor dem, was uns gleich da draußen erwarten würde. Ich betete inständig, dass uns nicht hinter der Ausgangstür gleich eine tote Bella erwarten würde.

Eigentlich wusste ich zwar, dass das unmöglich war, aber mein Herz klopfte mir trotzdem bis zum Hals. Ich hatte Angst. Todesangst. Aber weniger um mich, vielmehr um Bella. Denn sie noch einmal zu verlieren, würde ich nicht überstehen. Dann würde ich auch sterben wollen, auch wenn das total egoistisch unserer Tochter gegenüber wäre. Aber Bella war der Mittelpunkt meines Lebens, mein Dreh- und Angelpunkt, ohne den ich verloren war.

Innerhalb kürzester Zeit erreichte wir, ohne jemandem zu begegnen, das Erdgeschoss und traten durch die Tür, die durch einen Code gesichert war, ins das Foyer. Durch die raumhohen Verglasungen des Eingangsbereiches, konnte ich einen ersten Blick nach draußen werfen.

Keine Bella in Sicht.

Dafür eine Unmenge anderer Personen, Feuerschein und dicker, schwarzer Rauch, der aus jeder Ecke zu quellen schien.

Direkt vor dem Ausgang war niemand zu sehen, erst in etwa hundert Metern Entfernung, standen mehrere unserer Jungs und lieferten sich augenscheinlich ein heftiges Feuergefecht mit der gegenüberliegenden Seite.

Den Eingangsbereich und das Loch, was in die Umgrenzungsmauer gesprengt worden war, hatte ich von hier aus nicht im Blick, da es von einigen flachen Gebäuden verdeckt wurde.

Ich folgte Ahab, der in geduckter Haltung in Richtung Ausgang lief. Schnell schlüpften wir durch die Tür und waren nun mitten im Geschehen.

Augenblicklich wurde ich von einem unbändigem Gestank überrollt, der meinen Magen nahezu kollabieren ließ. Ich wusste nicht genau, was da so stank, aber es war wirklich übelkeitserregend.

„Atme nur durch den Mund, dann wird es ein wenig besser“, kam es von Ahab, der direkt die unmittelbare Umgebung genau in Augenschein nahm.

Japsend öffnete ich den Mund und begann langsam durch den Mund zu atmen, was es aber auch nicht wirklich besser machte. Egal was das war, man konnte es förmlich auf der Zunge schmecken. Und es war extrem widerlich.

Langsam bewegten wir uns, immer dicht am Gebäude bleibend, mehr in Richtung des Eingangs, bis uns plötzlich eine Explosion aufschrecken ließ. Also mich, denn Ahab wendete einfach nur den Kopf in die Richtung und murmelte etwas, was wie „Verdammt“ klang.

Im nächsten Moment sprintete er los und ich blieb ihm dicht auf den Fersen, was mit meiner Kondition gar nicht so einfach war. Irgendwie schien ich Elefantengene in mir zu haben, während bei ihm sicher Gazelle oder Gepard dabei war.

Hinter einem kleinen Gebäude gingen wir wieder in Deckung, als eine erneute Explosion die Erde erschütterte.

„Die sind dabei, sich einen zweiten Zugang zu schaffen. Du bleibst jetzt hier stehen, während ich das eben kläre, klar?“, Ahab sah mich mit einem Blick an, der jeden Widerspruch im Keim erstickte.

Ich nickte einfach nur japsend, durch den kurzen Sprint hatte ich Seitenstechen und gegen eine kleine Pause überhaupt nichts einzuwenden. Er würde schon wissen, was er tat.

Während ich durchatmete, rannte er schon wieder los und auf die Jungs zu, die in etwa hundert Metern den Eingang absicherten. Mit einem halben Dutzend von ihnen im Schlepptau, rannte er dann wieder an mir vorbei und auf die Stelle zu, von der die Detonationen ausgegangen waren.

Vorsichtig spähte ich um die Ecke und sah mit Erschrecken, dass es mittlerweile eine weitere Öffnung in der Grundstücksmauer gab, durch die sich gerade ein Schwall Angreifer auf das Grundstück ergossen. Allerdings fielen die ersten auch gleich wieder um wie die Fliegen, da Ahab und die anderen im Laufen schon auf sie feuerten und die Gegner, Gott sei Dank, viel zu überrascht waren, um gleich zu reagieren.

Doch, nachdem der erste Schreck vorbei war, begannen auch sie zu feuern und zwei von unseren Jungs gingen getroffen zu Boden. Ich konnte nicht sagen, ob die Verletzungen tödlich waren, aber es verursachte mir so oder so Bauchschmerzen.

Ahab war indes so nah an den Angreifern dran, dass er seine Pistole einsteckte und gegen zwei Messer eintauschte, die er immer griffbereit an seinen Beinen befestigt hatte. Ohne anzuhalten, rannte er einfach in den Trupp hinein und wirbelte durch sie hindurch, bis einer nach dem anderen zusammen brach. Selbst aus der Entfernung konnte ich das Blut sehen, was aus den zugefügten Wunden spritzte und sich dann auf das Betonpflaster ergoss.

Inzwischen hatte seine Verstärkung ebenfalls die Außenwand erreicht und halfen ihm, die eindringenden Gegner zurückzudrängen.

Es war wieder einmal unglaublich, ihm zuzusehen. Er schien überhaupt keine Angst zu kennen. Seine Gegner waren ja schließlich auch bewaffnet und hatten sicherlich eine ähnliche Ausbildung genossen wie er. Und sie waren in der Überzahl. Also war es doch wenigstens theoretisch möglich, dass ihn einer verletzte oder gar tötete, denn selbst er konnte seine Augen nicht überall haben. Aber anscheinend hoffte er darauf, dass sie wenigstens nicht schießen würden, so lange er sich mitten unter ihnen befand. Und sich gegen ihn zu wehren, ohne jemanden von den eigenen Leuten aus Versehen zu erwischen, stellte ich mir auch schwierig vor, denn er stand ja nicht eine Sekunde still, sondern wirbelte unentwegt hin und her.

Trotz der enormen Geschwindigkeit, mit der er sich bewegte, war trotzdem alles was er tat präzise. Dafür sprach ebenfalls, dass jeder, dem er mit den Messern zu nahe kam, danach verletzt zu Boden ging. Keine Ahnung, ob die dann alle direkt tot waren, aber außer Gefecht gesetzt auf jeden Fall.

So ein wenig mulmig wurde mir dabei jetzt doch, denn irgendwie hatte ich mir das Ganze nicht so schlimm vorgestellt. Es war eben alles so unwirklich, solange man nicht selber mittendrin war. Selbst vom Dach aus, war es irgendwie noch so weit weg gewesen. Ich hatte mir zwar schon im Vorfeld Gedanken wegen den ganzen Toten gemacht, aber es hier von nahem zu sehen, war dann doch noch eine Nummer schlimmer.

Denn mittlerweile zweifelte ich nicht mehr wirklich daran, dass die Gegner, die Ahab zu Boden beförderte, mehr tot als lebendig waren. Vielleicht waren sie nicht sofort tot, aber durch die Verletzungen und dem daraus resultierenden Blutverlust, würden sie wohl nicht mehr lange durchhalten.

Das ganze Spektakel dauerte nur einige Minuten und mir wurde ganz schwindelig beim Zusehen. Als unsere Jungs es am Ende geschafft hatten, die Angreifer zurückzudrängen, atmete ich erleichtert auf. Die Öffnung wurde notdürftig mit einigen losen Türen aus den umliegenden Gebäuden verschlossen, und die vier Überlebenden positionierten sich als Wache dahinter.

Ahab kam zu mir zurückgejoggt und bedeutete mir, ihm zu folgen. Der Kampf war an ihm auch nicht spurenlos vorübergezogen. Das Blut, was seine Kleidung zierte, schien glücklicher Weise nicht alles sein eigenes zu sein, aber seine Kleidung war an mehreren Stellen zerrissen und sein Gesicht sah auch etwas mitgenommen aus. Aber er hatte schon wieder einen Lolli im Mund, also konnte es nicht allzu schlimm gewesen sein.

Wir liefen gemeinsam zu der Stelle, wo sich der offizielle Ausgang, ein schweres Stahltor, befand. Dort war noch alles ruhig, anscheinend interessierte sich bisher niemand dafür. In dem großen Tor befand sich eine kleinere Tür, deren Schloss Ahab mit einem Dietrich öffnete und dann vorsichtig hinausspähte. Plötzlich zog er mich am Kragen schnell durch die Tür und ließ sie hinter uns wieder ins Schloss fallen. Etwas entsetzt sah ich ihn an, doch er grinste nur. „Zeitabhängiger Sprengsatz, geht nur hoch, wenn die Tür mehr als drei Sekunden offen steht, aber dann fliegt dir hier alles um die Ohren.“

Mit weit aufgerissenen Augen sah ich mich um. Wenn man genau hinsah, konnte man in der Grasnarbe, direkt neben der asphaltierten Zufahrtsstraße, kleinere Unebenheiten erkennen. Und das auf mehreren Metern Länge. Das mit dem „alles um die Ohren fliegen“ hatte er wirklich ernst gemeint.

Nach und nach nahm ich auch den Rest der Umgebung war und erkannte mit Schrecken, das gesamte Ausmaß des Kampfes. Es sah wirklich aus wie auf einem Schlachtfeld.

Durch die Detonationen der versteckten Sprengsätze, waren richtige Krater in die Erde gerissen. Überall lag Geröll und Schutt. Dazwischen waren irgendwelche Metallklumpen zu erkennen, die wohl mal Autos gewesen waren. Jetzt waren sie nur noch ein Haufen Schrott und ihre Einzelteile waren in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Zwischen all dem Metall und dem Schutt waren einzelne Körper, beziehungsweise Körperteile zu erkennen. Auch wenn ich aus der Ferne nur erkannte, dass es sich um einen einzelnen Arm oder ein Bein handelte, wurde mir trotzdem ziemlich flau im Magen. Näher wollte ich da bestimmt nicht ran.

So viele, die ihr Leben lassen mussten. Wegen uns. Wegen Bella Und nicht zu vergessen wegen diesem Großkotz von Aro.

In diesem Moment machte sich eine unbändige Wut in mir breit.

Ich HASSTE diesen Aro, auch wenn ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte.

Hasste ihn dafür, was er Bella und Jake angetan hatte. Hasste, dass er Bellas Eltern hatte töten lassen, nur um einen Erben zu bekommen. Dass er ihr und Jake skrupellos die Kindheit genommen und sie von Kindesbeinen an gedrillt hatte.

Hasste, dass er Bella im Laufe der Jahre hierzu getrieben hatte, dass sie töten MUSSTE, damit wir überleben konnten. Dass sie sich in Gefahr begeben musste, dass sie alles auf's Spiel setzte.

Nur um ihn zu töten.

Ich verstand mittlerweile genau, dass sie nicht zur Ruhe kommen konnte, ehe er tot war, denn mir ging es nicht anders. Noch nie im Leben hatte ich einen solchen Wunsch verspürt, niemals jemandem den Tod gewünscht. Aber in diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass Aro endlich das Zeitliche segnen und wir unsere Ruhe haben würden.

Das wir endlich eine Familie sein konnten.

Als ich meinen Blick weiter umher schweifen ließ, konnte ich dann auch endlich meine Frau im Kampfgetümmel erkennen und mein Herz blieb mir fast stehen.

Denn Bella kämpfte, natürlich zusammen mit Jake, face to face gegen ihre Gegner. Dabei war sie, bis auf ein Messer, das sie entlang ihres rechten Unterarmes hielt, komplett unbewaffnet. Und Jake ebenso.

„Oh mein Gott“, entfuhr es mir und ich wollte schon zu ihr zu rennen, denn das konnte sie doch nicht tun, so ungeschützt mitten auf dem Feld ...

Doch Ahab's Griff an meiner Schulter hielt mich eisern fest. „Bleib hier. Sie kann dich da jetzt nicht gebrauchen.“

„Aber“, begann ich zu protestieren, „das geht doch nicht. Ich kann sie doch da nicht so ungeschützt lassen... wir müssen etwas tun, sonst könnte sie jemand einfach so erschießen!“ Zum Ende hin wurde ich richtig laut, denn ich war kurz vor einer Panikattacke. Bella sprang ungedeckt und nahezu unbewaffnet zwischen einen Meute von Gegnern herum. Jake und sie töteten zwar auch unentwegt welche, aber es schien fast eine unendliche Anzahl an Ersatzleuten zu geben, die sich auch alle auf die Beiden zu stürzen schienen.

„Ruhig, Edward“, sein Griff lockerte sich nicht im Geringsten. „Keine Panik. Erstens passt Sally von oben auf sie auf, und zweitens wird es keiner riskieren, sie zu erschießen. Genauso wenig wie sie will, dass Aro was passiert, bevor er ihr in die Hände gerät, ist es auch andersherum. Diese ganzen Typen hier haben nur ein Ziel: Isabella LEBEND Aro vor die Füße zu werfen, nicht tot. Sie selber zu töten, will er als sein privates Vergnügen haben. Doch da macht ihm Bella einen Strich durch die Rechnung. Also lass ihr doch ein wenig Spaß.“

„Spaß…?“, ich sah für ein paar Sekunden zu Bella und Jake, die wie zwei tödliche Wirbelwinde durch die Gegend flogen, dann zu Ahab, der mich angrinste. Er war ganz gelassen.

„Spaß“, wiederholte ich seufzend und entspannte mich ein wenig.

SML - 67 - please, please

67 please, please


„Das kann nicht dein Ernst sein“ rief ich völlig entsetzt aus, „Du... du kannst doch da nicht runtergehen. Das geht einfach nicht, du könntest getötet werden!“

In meinem Kopf überschlugen sich schon wieder die Gedanken. Sah ich förmlich, wie sie in einem Kugelhagel zu Boden ging und dann blutüberströmt liegen blieb.

Bella zog eine Augenbraue hoch, ehe sie leise seufzte und dann antwortete.

„Glaub mir, Edward, in Bezug auf das getötet werden, ist es scheißegal, ob ich nun hier oben oder da unten bin. Die Jungs da draußen kommen sicher nicht zum Kaffeekränzchen her und wenn ich nicht bald runter zu ihnen komme, kommen sie irgendwann hier rauf. Und das ich auf gar keinen Fall das Risiko eingehe, dass einer dieser Idioten auch nur einen Schritt in die Nähe von dir, Jazzi und Sally setzt, ist doch wohl selbstverständlich, oder?“

Ihre dunklen Augen sahen mich durchdringend an und ich konnte nichts tun oder sagen, nur mich kurz räuspern.

„Mein Platz ist da unten“, sie legte ihre linke Hand sanft an meine Wange, „Das da ist MEIN Leben, dafür wurde ich ausgebildet, dafür habe ich all die Jahre gekämpft, um das jetzt ein für alle Mal zu beenden.“

Mit zusammengepressten Lippen blickte ich sie an. Das schien wirklich ihr Ernst zu sein. Sie wollte da runter gehen. Allein. Na gut, sicher mit Jake. Und so, wie es aussah war sie fest entschlossen. Das hatte ich kapiert. Aber eine Sache bereitete mir dabei ziemliche Kopfschmerzen.

„Du willst, dass ich hier oben bleibe“, stellte ich fest und Bella nickte kurz.

„Es ist um einiges sicherer für dich hier oben. Die Typen da unten wollen mich, oder besser gesagt meinen Kopf, den sie aber nicht kampflos bekommen werden. Aber selbst, wenn etwas schief gehen sollte, hättest du hier oben immer noch die Möglichkeit mit Sally, Jazzi und Ahab im Heli zu fliehen.“

„Und was ist hiermit?“, fragte ich aufgebracht und hielt ihr mein linkes Handgelenk mit unserem Tattoo unter die Nase. „Ich hab das nicht nur so da drauf. Da steht bis in den Tod. Und das zusammen. Hat das denn für dich überhaupt keine Bedeutung mehr?“

„Natürlich hat es das!“, ihre Augen verengten sich kurz ärgerlich, ehe sie sofort wieder weich wurden, „Ich liebe dich, Edward. Mehr als mein Leben. Deshalb kann und werde ich nicht zulassen, dass dir etwas zustößt. Jenny braucht wenigstens ihren Vater“, sie seufzte kurz, „es tut mir leid...“

Etwas Kaltes legte sich um mein linkes Handgelenk und ich hörte ein leises, metallisches Klicken, das mir bekannt vorkam.

Bella küsste mich kurz, ehe sie hastig aufstand und sich dann schnell entfernte. Innerhalb von ein paar Sekunden war sie, in Begleitung von Jake, durch die Tür in das Treppenhaus verschwunden. Sie hatte sich nicht einmal mehr zu mir umgesehen.

Völlig überrumpelt starrte ich einfach hinter ihr her. Ich wusste nicht wirklich, was ich jetzt denken sollte. Sie hatte mich hier gelassen. Einfach so. Und dazu auch noch an Jasper gefesselt, den ich nicht gerade mal eben hinter mir her ziehen konnte. Zumal er ja auch verletzt war.

„Edward?“, fragte mich dieser nach einem kurzen Moment des Schweigens und ich sah ihn etwas erschrocken an.

„Hey, ruhig Brauner“, er hob beschwichtigend seine Hand, die nicht an meiner hing, „Alles easy. Ich wollte dich nur fragen, ob du an meinen Stiefel rankommst“, er wackelte auffordernd mit seinem unverletzten Bein.

„An deinen Stiefel? Warum das?“, hakte ich verblüfft nach. Was in aller Welt wollte er denn an seinem Stiefel?

„Na weil hinten am Schaft eine Haarklammer befestigt ist. Für Notfälle. Und die brauche ich jetzt mal. Kommst du also da dran oder nicht?“, fragte er belustigt.

„Was bitte willst du denn jetzt mit einer Haarklammer? Dir eine Strähne aus dem Gesicht halten?“, fragte ich mürrisch, während ich mich vorbeugte und seine Jeans etwas hochzog, so dass ich an den Schaft seines Cowboystiefels kam. Tatsächlich steckte dort eine kleine, schwarze Haarklammer, die ich herauszog und ihm neugierig hinhielt.

„Man Alter, ich will die Handschellen aufmachen, was sonst“, entgegnete er grinsend und nahm sie mir mit einer flinken Bewegung ab.

„Das geht wirklich?“, fragte ich ungläubig.

„Das geht wirklich“, antwortete er und begann augenblicklich, damit am Schloss herumzufummeln. Und tatsächlich. Nach einem kurzen Augenblick machte es 'klick' und die Handschellen sprangen auf.

„Cool“, bemerkte ich schwer beeindruckt und rieb mir abwesend das Handgelenk. „Ich dachte immer, dass funktioniert nur in Filmen.“

„Nope. Und nun mach dich gefälligst auf die Socken“, fügte er noch an, „Aber pass auf deinen Arsch auf. Ich verliere sonst mindestens meinen Skalp…“

Ich nickte freudig und begab mich, in gebückter Haltung, in Richtung der Treppe. Um mich herum tobte immer noch das Chaos, aber ich versuchte es weitestgehend zu ignorieren und sah als Ziel einfach nur die rostrot gestrichene Tür vor mir.

Gerade als ich diese besagte Tür öffnen wollte, packte mich jemand am Nacken und hielt mich eisern fest.

Verdammt…an den hatte ich ja gar nicht mehr gedacht.

„Was denkst du wohl, wo du da gerade hin willst?“, knurrte Ahab und ich seufzte tief.

„Hinter Bella her“, antwortete ich so leise, dass es fast im Donner einer erneuten Detonation unterging, aber er verstand mich trotzdem.

„Ich glaube aber nicht, dass sie das möchte“, kam es ebenso leise wie entschlossen zurück. „Du bist hier oben definitiv sicherer als da unten“, fügte er vollkommen ruhig an, so als würde er über das Wetter reden. Wie konnte ein Mensch nur so dermaßen ruhig sein? Regte den denn gar nichts auf?

Frustriert stütze ich meine Hände an der Tür ab, während er mich weiterhin festhielt. „Ich muss aber zu ihr“, versuchte ich es erneut.

„Keine gute Idee“, entgegnete Ahab kurz angebunden und ich seufzte tief. Warum musste er bloß so verdammt aufmerksam sein? Hatte er denn nicht genug Bösewichte zur Verfügung, denen er dringend die Rübe wegpusten konnte? Musste er stattdessen mir auf die Nerven gehen?

„Bitte“, flehte ich ihn an, auch wenn ich mir auch davon wenig Erfolgschancen ausrechnete, „Lass mich zu ihr gehen. Ich werde sonst ganz verrückt hier oben, wenn ich nicht weiß, ob es ihr gut geht. Ich habe einfach Angst um Bella, verstehst du das denn nicht?“

Sein Griff lockerte sich etwas und ich begann mich zu entspannen. Anscheinend hatte ich ihn doch damit überzeugen können. Hätte aber nicht gedacht, dass das so einfach werden würde.

Allerdings hatte ich mich doch ein wenig getäuscht, denn ehe ich mich versah, hatte er mich ein Stück nach hinten gezogen und stand nun selber breitbeinig und mit verschränkten Armen vor der Tür.

Na toll! Da würde ich ja nie vorbei kommen.

„Hättest du eigentlich Angst um mich, wenn ich da runter gehen würde?“, fragte er süffisant und zog eine Augenbraue hoch.

„Um dich?“, ich sah ihn erstaunt an, „Natürlich nicht. Ich meine, du kannst da auf dich selber aufpassen, machst ja nichts anderes. Und du bist schnell und überhaupt...“, ich schüttelte den Kopf. „Um dich muss man sich bei so etwas keine Sorgen machen.“

„Und warum bitte hast du dann Angst, dass dem bestausgebildetsten weiblichen Killer auf diesem Kontinent etwas passiert? Das ist völlig absurd, Edward. Das da unten ist genau das, wofür sie trainiert wurde. Über Jahre hinweg. Es ist ihr in Fleisch und Blut übergegangen und damit ganz natürlich für sie. Ich will damit nicht sagen, dass nichts passieren kann, denn niemand ist unfehlbar, aber da unten gibt es keinen, der ihr das Wasser reichen könnte. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie doch getötet werden sollte, war es dann eben ihr Schicksal. Das kann man nicht ändern und auch nicht verhindern, sie hat sich schließlich diesen Weg ausgesucht. Und sie ist ein Profi, sie kennt das Risiko. Deshalb will sie dich ja nicht dabei haben, denn du bist ein unkalkulierbares Risiko. Sie kann nicht hundertprozentig effektiv sein, wenn sie sich um dich kümmern muss. Um dich Angst haben muss. Die da unten würden keine Sekunde zögern dich zu töten, denn sie wissen genau, dass sie dann möglicherweise den Kopf verlieren würde. Es ist also besser für dich und für Isabella, wenn du hier bleibst. Sieh das doch ein…“

Eine Sekunde lang starrte ich ihn einfach nur mit offenen Mund an, ehe ich reagierte. Zum einem waren es seine Worte, denn er hatte natürlich vollkommen Recht. Zum anderen hatte ich ihn noch nie so viel auf einmal reden hören.

„Aber sie ist auch meine Frau. Ich liebe sie. Und ich will verdammt noch mal nicht von weitem zusehen müssen. Ich will bei ihr sein. In guten wie in schlechten Zeiten. Gerade sind es die ganz schlechten, aber auch da will ich für sie da sein“, argumentierte ich trotzdem weiter. Dabei wusste ich ja ganz genau, dass Bella und er Recht hatten. Aber ich brauchte sie. Ich MUSSTE wisse, dass es ihr gut ging.

„Du bleibst aber trotzdem ein Risiko. Und ich bin immer noch dazu da, um auf dich aufzupassen. Also bleibst du hier“, er blickte mich stur an.

„Ahab“, seufzte ich, „kannst du mich denn gar nicht verstehen? Es macht mich einfach wahnsinnig hier oben zu sein. Nicht zu wissen, was da unten passiert. Sie könnte in der Zwischenzeit getötet werden und ich wäre nicht in ihrem letzten Augenblick bei ihr. Und das würde mich töten. Innerlich und für immer.“

Er sah mich einfach nur weiter an und sagte nichts. Zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Nehmen wir doch mal Lucie“, versuchte ich eine neue Taktik und er runzelte die Stirn, „Ihr zwei... also... sie ist ja jetzt vielleicht so etwas wie eine ….Freundin... vielleicht magst du... also ich meine, du würdest sicher nicht wollen, dass ihr etwas passiert, oder?“, stammelte ich hilflos drauflos.

„Es war mein Auftrag dafür zu sorgen, dass ihr nichts passiert“, antwortete er ausweichend und ich wollte meinen Kopf am liebsten gegen die Wand hauen. War der Typ etwa ebenfalls aus Beton?

„Okay, es war dein Auftrag“, seufzte ich, „Aber Fakt ist, wenn sie jetzt da unten wäre, würdest du nicht hier oben stehen. Da bin ich mir ganz sicher.“

„Das ist irrelevant, denn sie würde niemals da unten sein. Ist viel zu gefährlich für einen einfachen Zivilisten. Außerdem sind das da unten zum Großteil Söldner und sie ist eine Frau. In der Nähe von solchen Typen hat sie überhaupt nichts verloren...“

„Ach“, unterbrach ich ihn. „Und was ist bitte mit Bella? Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war sie auch noch eine Frau. Und das wird sich in den letzten Minuten nicht geändert haben“, ich verschränkte die Arme und unterdrückte das verlangen ihm die Zunge rauszustrecken.

Ahab verdrehte die Augen. „Isabella ist eine Ausnahme. Genauso wie Sally. Wobei sie sich wegen ihre Schwangerschaft etwas zurücknehmen und von uns geschützt werden muss. Deshalb bleibt sie auch hier oben, wie du vielleicht bemerkt haben wirst“, seine Miene blieb weiterhin unbewegt.

Frustriert fuhr ich mir durch die Haare. Das führte hier zu nichts und auf die Schnelle fiel mir auch nicht wirklich noch etwas Passendes ein, um ihn zu überzeugen.

Wieso musste er auch jetzt noch auf mich aufpassen. Er hatte doch sicherlich genug anderes zu tun.

„Musst du nicht gerade irgendwen da unten erschießen? Unseren Jungs beistehen, Rückendeckung geben oder so?“, fragte ich schließlich, in der Hoffnung, dass ihn das eventuell von der Tür weglocken könnte.

„Negativ“, er schüttelte den Kopf, „Im Moment kann ich nicht viel tun. Sally hat die Sache gut im Griff und diejenigen, die noch am Leben sind, steuern alle auf einen Punkt zu. Und den hat sie im Blick. Wenn sie wirklich Hilfe braucht, wird sie mich rufen.“

Verdammt, hatte sich denn die ganze Welt gegen mich verschworen?

Gab es nicht irgendein Mittel, um ihn von dieser blöden Tür wegzubekommen? Eigentlich konnte er ja auch gut mit runter kommen, wäre vermutlich nicht das Schlechteste. Er MUSSTE sogar mit runter kommen, denn wenn ich die Sache mal etwas genauer betrachtete, war es für mich da unten wirklich nicht gerade ungefährlich. Da wäre er lebenswichtig für mich.

Wie war ich nur auf diese blöde Idee gekommen, da alleine runter zu wollen?

Bella hatte mir doch immer wieder eingebläut, dass Sicherheit oberste Priorität hatte, dass man sich immer und zu jeder Zeit der Schlagkraft seiner Gegner bewusst sein sollte. Man durfte einen Gegner niemals unterschätzen und seine eigenen Fähigkeiten genauesten kennen, und wissen, wann es besser war, sich zurückzuziehen. Denn eine Überschätzung des eigenen Könnens konnte ruck zuck tödlich enden.

Genervt wischte ich mit über mein Gesicht.

Fakt war, ich wollte zu meiner Frau. Unbedingt!

Fakt war aber auch, dass ich nicht alleine gehen konnte, sonst war ich tot!

Ich brauchte also dringend jemanden, der auf meinen Arsch aufpasste, so wie Jasper es so schön ausgedrückt hatte. Und an sich war niemand besser dafür geeignet, als derjenige, der mir gerade so effektiv den Weg versperrte und sich gerade seelenruhig einen Lolli in den Mund steckte. Aber wie sollte ich ihn davon überzeugen, dass er mich da hinunter begleiten musste?

Mehr Geld bieten?

Nope.... höchstens Kekse... aber ich hatte keine hier...

Erpressen…?

Nope.... das Einzige, was ihn eventuell aus der Reserve locken könnte, wäre eine Entführung von Hannibal, aber dann wäre ich vermutlich auch so gut wie tot.... außerdem war der Kater ja nicht hier...

Bedrohen…?

Auf gar keinen Fall....

Das Einzige war vielleicht....

„Sag mal, verpasst du nicht eigentlich den ganzen Spaß, wenn du hier oben bist und auf mich aufpasst?“, fragte ich vorsichtig. Ich musste es einfach versuchen.

Ahab nahm langsam den Lolli aus dem Mund und sah mich eindringlich an.

„Ich meine ja bloß. Hier oben scheint ja nicht mehr viel los zu sein. Der richtige Kampf findet ja jetzt da unten statt, Mann gegen Mann und so. Und Sally kommt ja, so wie es aussieht, auch alleine klar und obendrein sieht sie davon mehr als wir. Nur du stehst hier noch doof rum...“

„Ist das ein Versuch, mich dazu zu bringen, mit dir da runter zu gehen?“, entgegnete er grinsend und ich brach fast zusammen. Wieder nicht geklappt....

Frustriert nickend murmelte ich „so was in der Art“ und ließ bekümmert den Kopf hängen.

Der aber augenblicklich wieder hochschnellte, als ich das Quietschen der Scharniere vernahm.

Was zum Teufel?

Erstaunt sah ich, dass Ahab die Tür bereits geöffnet, seine Waffe aus dem Holster gezogen und entsichert hatte, und mich breit angrinste.

„Wir sagen einfach, du wärst mir ausgebüxt, okay?“











SML - 66 - love is forever

66 love is forever



Mein Herz rutschte mir jetzt nicht nur bis in die Hose, sondern direkt weiter bis in die Socken, so eine Angst bekam ich plötzlich. Nach außen hin, versuchte ich natürlich trotzdem ruhig zu bleiben und redete mir die ganze Zeit ein, dass Bella schon alles unter Kontrolle haben würde. Dass sie es regeln würde, so wie immer.

Um mich herum lief alles ab wie in einem Film. Wie in einer dieser Slow-Motion Szenen, wie sie gerne in Actionfilmen benutzt wurden. Und ich war mittendrin. Sah zwar was alles passierte, aber die Geräusche drangen nur wie durch Watte zu mir durch.

Bella und Jake gaben anscheinend laufend Anweisungen, jedenfalls wirkte es auf mich so, als würden sie den anderen etwas zurufen. Sally und Ahab begaben sich sofort auf die anderen Dachbereiche, während Bella sich, mit dem Gewehr im Anschlag, dort positionierte, wo Sally eben noch gestanden hatte. Sie legte sich dort auf den eigens dafür vorgesehenen erhöhten Platz.

Und was würde sie jetzt tun?

So wie es aussah, wusste Bella jawohl ganz genau, wo Aro sich innerhalb der gegnerischen Gruppe aufhielt. Würde sie ihn dann jetzt einfach erschießen und damit wäre alles vorbei?

„So einfach wird das leider nicht“, sprach Jasper mich an und ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er wirklich neben mir aufgetaucht war und mit mir redete.

Hatte ich etwa eben laut gedacht?

„Du überlegst, ob Bella Aro jetzt einfach erschießt, oder?“, hakte Jasper nach und sah mich fragend an.

„Ja, schon“, antwortete ich zögerlich und zuckte mit den Schultern, „falls sie die Möglichkeit dazu hat, wäre es doch das Einfachste. Es würde mit einem gezielten Schuss all unsere Probleme lösen.“

Mein Gegenüber seufzte tief und ließ seinen Blick kurz in die Ferne schweifen, ehe er mir antwortete.

„Sie hatte die Möglichkeit dazu, Edward. Schon mehrfach. Denn Aro läuft relativ ungeschützt zwischen seinen Bodyguards hin und her. Drei oder vier gezielte Schüsse und der ganze Spuk wäre vorbei“, er seufzte erneut, „Das wäre mir auch lieber. Aber so einfach wird es nicht werden. Und das weiß Aro auch, sonst würde er das nicht riskieren. Er kann Bella in dem Punkt natürlich genauso gut einschätzen, wie sie ihn und er weiß genau, dass sie ihn niemals einfach so von weitem erschießen würde, nur damit es endlich vorbei ist. Er kann sich sogar absolut sicher sein, dass sie alles tun wird, was in ihrer Macht steht, damit er am Ende halbwegs unbeschadet vor ihr stehen wird.“

„Aber.. aber wieso geht sie dieses Risiko überhaupt ein? Wenn sie ihn gleich erschossen hätte, wäre doch schon lange alles vorbei, oder? So zögert sie alles doch nur hinaus und es wird so sicherlich mehrere Tote und Verletzte geben... auf beiden Seiten...“, stammelte ich los. Sie hatte mir doch vorher selber gesagt, dass alles sofort vorbei wäre, sobald der Schlange der Kopf fehlen würde. Warum nutzte sie diese Chance denn nur nicht?

„Edward, Du weißt doch genau warum. Bella will Aro nicht einfach nur erledigen, sie will sich an ihm rächen. Für alles, was er ihr in ihrem Leben angetan hat. Direkt und indirekt. Ich schätze mal, dass das, was sie mit Caius getan hat, noch harmlos gegen das sein wird, was sie mit Aro vorhat.“

„Du meinst, sie wird ihn noch mehr quälen? Und auch noch länger?“, hakte ich nach und mir wurde schlagartig übel. Schon allein der Gedanke daran, was sie damals mit Caius getan hatte, ließ meinen Magen flau werden. Sich vorzustellen, dass es tatsächlich noch schlimmer kommen konnte... ich schluckte. Mehrmals. Und sah dann hilflos zu Jasper, dessen Gesichtsfarbe nicht viel besser aussah, als meine.

„Ich bin davon auch gar nicht begeistert“, murmelte er, „aber ich kann sie da trotzdem voll und ganz verstehen, so absurd das auch klingt. Ich meine, eigentlich gehört sie zu der Truppe, die ich ursprünglich hinter Gitter bringen sollte. Die ich eigentlich ablehnen müsste. Und jetzt stehe ich hier und kämpfe mit ihr zusammen, um unsere Familie zu beschützen. Das ist doch verrückt“, er schüttelte seufzend den Kopf, „aber ... sie gehört jetzt zu meiner Familie. Und ich liebe sie wie eine Schwester. Und deshalb kann ich nie wieder zurück in mein altes Leben und auch du kannst nie wieder zurück, egal wie das heute hier ausgeht.“

„Das ist mir aber schon länger klar“, warf ich ein, „Bella hat mir schon irgendwas von Südamerika erzählt. Keine Ahnung, was sie da genau plant, aber wenn das hier vorbei ist, werden wir die Staaten wohl verlassen müssen.“

„Was dagegen, wenn ich mitkomme?“, fragte er mich hoffnungsvoll.

„Nein, natürlich nicht“, ich sah ihn seufzend an, „ich schätze mal, Bella hat eh geplant, dass ihr alle mit von der Partie seid und so werde ich euch alle wohl nie mehr los.“ Ich grinste ihn an.

Eh ich mich versah, hatte ich Jasper um den Hals hängen und er drückte mich fest an sich.

„Egal was passiert, Edward“, schniefte er leise, „ich will, dass du weißt, dass ich dich liebe. Wie einen Bruder....“

Ein Schuss, der in die Attika ein Stück weiter entfernt von uns einschlug, ließ uns aufschrecken und wir warfen uns sofort synchron flach auf den Boden.

Und im nächsten Augenblick ging ein riesiges Feuerwerk über unserem Köpfen los.

Von meiner liegenden Position aus sah ich, wie Bella und die anderen mittlerweile zurück schossen, während Jake an dem Bedienpult für die Sprengstofffallen rumhantierte. Die Luft war erfüllt von lauten Schüssen, Schreien und Detonationen. Innerhalb von Minuten stank es auch fast unerträglich nach einer Mischung aus Qualm und verschmortem Fleisch.

Doch ich blieb einfach regungslos am Boden liegen, während Jasper sich nach ein paar Minuten vorsichtig erhob und in geduckter Position über die Attika spähte.

„Und? Wie sieht es aus?“, zischte ich ihm zu.

„Auf den gepanzerten Fahrzeugen befinden sich überall Scharfschützen, aber darum kümmern sich die Mädels gerade“, Jazz machte einen langen Hals, „Aber so wie es aussieht, ist es den Mistkerlen bereits gelungen, die Außenmauer mit ihren Panzerfäusten zu beschädigen, so dass sie auf das Gelände eindringen könnten. Jetzt kommt es darauf an, so viele wie möglich auszuschalten, bevor sie das Loch in der Mauer erreichen.“

„Und Aro?“, hakte ich nach. „Wo ist er? Siehst du ihn?“

„Hält sich im Hintergrund und lässt seine Männer wie immer die Drecksarbeit machen“, kam es von Bella, die plötzlich neben mir hockte, „Du kannst jetzt wieder aufstehen Edward, wir haben die Sniper alle erledigt. Bleib aber bitte vorsichtshalber in Deckung.“

Vorsichtig kniete ich mich hin und bemerkte sofort, dass meine Frau an der Schulter blutete.

„Oh mein Gott“, rief ich entsetzt aus, „du bist ja verletzt! Wie ist das passiert?“

„Keine Sorge, ist nur ein einfacher Streifschuss“, antwortete sie abwesend, „Und wird heute sicher nicht meine einzige Wunde bleiben, Aro hat sich diesmal recht gute Leute besorgt. Eine Menge gut bezahlter Söldner.“

„Söldner? Etwa so was wie.... Ahab?“, fragte ich entsetzt.

„Genau so was“, antwortete sie nickend und ich zuckte zusammen, weil eine heftige Detonation den Boden unter meinen Füßen erschütterte.

„Oh gut, sieht so aus, als hätten die ersten den Bereich mit den Benzinfässern erreicht“, murmelte Bella und sah hinunter in dem Hof. Ich tat es ihr gleich, konnte aber außer Feuer und Qualm nicht viel erkennen. Geschweige denn, wer da unten die Guten und wer die Bösen waren.

„Sind... sind die denn auch genauso gut ausgebildet wie Ahab?“, fragte ich vorsichtig. Solche Profis als Gegner konnten wir ja gar nicht gebrauchen.

„Manche“, gab Bella abwesend zurück und legte die Stirn in Falten. Dann legte sie ihr Gewehr auf den Sims und zielte auf irgendeinen Punkt in der Ferne. Nach etwa einer halben Minute schoss sie einmal. Schon Sekunden danach gab es eine erneute Detonation und ich sah, wie eins der gepanzerten Fahrzeuge mit mehreren Personen durch die Luft geschleudert wurden. Ihre Schreie gingen fast im Explosionsgeräusch unter. Aber leider hörte ich sie trotzdem.

Noch waren die gegnerischen Truppen einige hundert Meter von der Mauer entfernt, aber es würde sicher nicht lange dauern, bis sie diese erreicht hatten. Und durch den Rauch, der jetzt fast überall vorherrschte, sah man auch nicht wirklich viel.

Während Bella neben mir immer wieder weitere gezielte Schüsse abgab, versuchte ich, durch den Rauch den Schaden an der Außenmauer zu erkennen. Fassungslos blickte ich auf das mehrere Meter große Loch, das mittlerweile direkt neben dem Eingangstor war. Drumherum war der Boden übersät von großen Trümmerteilen, dazwischen lagen drei oder vier Personen. Sie mussten den Beschuss mit der Panzerfaust direkt abgekriegt haben und hatte das mit ihrem Leben bezahlt. Ich schluckte und konnte aber nicht genau erkennen, um wen es sich dabei handelte.

Aber klar war, dass auch wir schon Verluste hatten hinnehmen müssen.

Währenddessen donnerten weiter unablässig Detonationen rings um uns durch die morgendliche Luft und auch Schüsse waren zu hören. Ich kämpfte gegen den unbändigen Drang, mir einfach die Ohren zuzuhalten und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf das fürchterliche Spektakel vor mir.

Jetzt waren sie schon so nah, dass ein paar einzelne sich aus den festen Reihen lösten und auf die Öffnung in der Mauer zu rannten. Mit einer morbiden Faszination sah ich zu, wie Bella sie, einen nach dem anderen, einfach ausschaltete, noch bevor sie auch nur einem Fuß auf unser Gelände setzten konnten. Meist schoss sie ihnen direkt in den Kopf, manchmal aber auch in den Oberkörper. Jeder Schuss saß und sie fielen wirklich um wie die Fliegen. Mitten im Rennen überschlugen sie sich plötzlich und blieben dann still liegen.

Bella arbeitete aber auch zuverlässig und genau wie eine Maschine.

Zielen.

Abdrücken.

Nachladen.

Ein immer wiederkehrender Kreislauf und sie schien darüber gar nicht nachdenken zu müssen. Es war, als ob sie auf Autopilot lief. Und für mich war es immer wieder unglaublich, wie schnell und gleichzeitig präzise Bella war. Zwischen den einzelnen Schüssen lagen immer nur zwei oder drei Sekunden. Aro hatte sie wirklich zu einer perfekten Killermaschine ausbilden lassen.

Meine Übelkeit kehrte schlagartig zurück.

Ich wusste nicht genau, was ich darüber denken sollte. Auf der einen Seite war ich natürlich froh über jeden Gegner weniger, der uns bedrohte.

Auf der anderen Seite waren es natürlich auch alles Menschen. Das wurde mir gerade wieder klar. Sie hatten ebenso wie wir eine Mutter, einen Vater, Geschwister, vielleicht auch eine Frau und Kinder. Ein Leben.

Und innerhalb eines einzigen Augenblickes war das alles vorbei.

Ausgelöscht.

Aber nicht vergessen.

Würden sich die Angehörigen der ganzen Toten hier denn nicht irgendwann fragen, wo sie steckten? Sie vermissen? Lagen dort unten die zukünftigen, ungelösten Vermisstenmeldungen der Polizeibehörden im ganzen Land? Was würde denn überhaupt mit den ganzen Leichen passieren? Sie zu begraben würde ja ewig dauern...und …

„Verdammt“, rief Bella plötzlich laut, „Jazzi... DECKUNG!“

Ehe ich wusste wie mir geschah, hatte Bella mich auch schon am Kragen hart zu Boden gerissen. Im nächsten Augenblick warf sie sich auf mich und drückte meinen Kopf fest an ihre Schulter, so dass ich nichts mehr sehen konnte.

Alles was ich wahrnahm, war ein ohrenbetäubender Knall, eine starke Erschütterung und dann eine schier unerträgliche Hitze inklusive einer heftigen Druckwelle, die mich nach hinten katapultierte. Ich landete mit dem Rücken und Kopf unsanft an irgendetwas Hartem und die Luft wurde förmlich aus meinen Lungen gepresst. Und mein Kopf schmerzte wie die Hölle.

Langsam öffnete ich die Augen und schnappte hustend nach Luft.

Im ersten Moment sah ich, außer dichtem Qualm und Staub, nicht viel, aber mit der Zeit klärte sich die Sicht wieder.

Schockiert blickte ich auf die Stelle, an der wir eben noch gehockt hatten.

Denn sie war nicht mehr da. An ihrer Stelle klaffte ein großes Loch. Die Attika war auf einer Breite von guten fünf Metern komplett weggerissen und so wie es aussah, hatte es auch einen Teil der Deckenplatten erwischt. Bella und ich lagen in einer Vertiefung, die gute zehn Meter von der Stelle entfernt war.

Was zum Teufel war da gerade passiert?

„Sally, Ahab“, brüllte Bella mit rauchiger Stimme, „nehmt euch die Typen mit den Panzerfäusten vor, sonst schießen die uns noch das ganze Gebäude direkt unterm Hintern weg.“

„O’kay. I’st alle's kla'r bei eusch?“, rief Sally zurück, während Ahab bereits wie wild feuerte.

„Yepp, Süße. Nur kümmert euch bitte so schnell wie möglich um die Typen, sonst bekommen wir echt bald ernsthafte Probleme“, antwortete sie. Dann sah sie zu mir. „Alles klar, Baby?“

Ich nickte, unfähig zu sprechen und sah bestürzt in ihr rußverschmiertes Gesicht. Ihre Haare hatten sich bei der Explosion wohl geöffnet und fielen ihr wirr ins Gesicht. Und sie sahen nicht gut aus, gar nicht gut.

Irgendwie... verbrannt?

Oh mein Gott!

Sie hatte ja schützend auf mir gelegen und die volle Wucht abbekommen. Panisch versuchte ich mich aufzurichten, ich musste einfach wissen, wie schwer sie verletzt war.

„Ruhig bleiben, Edward. Gleich wird’s besser.“, sie hielt mich an der Schulter fest und dabei fiel mein Blick zufällig auf ihren Arm. Entsetzt stellte ich fest, dass der Ärmel ihres Oberteils komplett zerfetzt war und blutige Striemen ihren gesamten Arm zierten.

„Du bist verletzt“, flüsterte ich fassungslos und konnte den Blick nicht abwenden.

Bella... verletzt....

In meinem Kopf überschlugen sich plötzlich die Gedanken, sah ich ihren leblosen Körper vor mir liegen. Denn sie hätte sterben können bei dem Versuch mich wieder mal zu schützen...

„Es ist alles in Ordnung“, meine Frau legte ihre Hände an meine Wangen. „Ich hab nur ein paar Kratzer und 'nen heißen Arsch abbekommen, also kein Grund zur Panik! Ich sagte doch schon vorhin, dass es heute hoch her gehen wird.“

„Aber... aber deine Haare“, stammelte ich.

„Die wachsen wieder. Im Kloster hatte ich damals sogar eine Glatze. Glaub mir, das war schlimmer als das hier…“, sie lächelte und küsste mich kurz, „Okay, du bleibst erst mal hier liegen, hier bist du relativ sicher. Ich geh mal nach Jazzi sehen, den hat es schlimmer getroffen.“

„Jasper?“, reflexartig wollte ich mich aufrichten, aber Bella hielt mich eisern fest.

„Keine Panik. Er atmet gleichmäßig und es bildet sich keine Blutlache um ihn herum. Glaube mir, ich würde hier nicht so ruhig bei dir sitzen, wenn es anders wäre.“ Ich nickte mechanisch.

Im nächsten Augenblick war sie auch schon aus meinem Sichtfeld verschwunden. Stöhnend drehte ich mich auf den Bauch. Mein Rücken fühlte sich an, als würde er in Flammen stehen und jeder einzelne Knochen im meinem Körper schien wehzutun. Dazu kam ein stechender Kopfschmerz, der sich rasend schnell ausbreitete und von einer Welle Übelkeit begleitet wurde. Ein paar Sekunden lang atmete ich langsam durch die Nase aus und ein, um mich nicht zu übergeben.

Das Umdrehen war wohl keine gute Idee gewesen.

Langsam hob ich den Kopf, um nach Bella Ausschau zu halten.

Es dauerte einen Moment, ehe ich sie in den Trümmern entdeckte. Ein gutes Stück weiter, zog sie Jasper gerade wieder hinter die Attika und lehnte ihn dagegen. Selbst aus der Entfernung konnte ich sein schmerzverzerrtes Gesicht sehen. Auf den ersten Blick konnte ich nicht erkennen, was ihm fehlte, aber als sich Bella zu Seite bewegte, um nach irgendetwas zu greifen sah ich, dass sein Bein ziemlich komisch aussah. Irgendwie war die Haltung verdammt unnatürlich.

Ich hörte, wie Bella Jake etwas zurief, konnte es aber wegen des anhaltenden Schusswechsels zwischen Sally, Ahab und unseren Gegnern, nicht genau verstehen. Jake wohl aber, denn er schob ihr eilig einen kleinen Koffer rüber, den sie sofort öffnete.

Ohne wirklich zu realisieren, was da gerade genau vor meinen Augen passierte, beobachtete ich, wie sie Jasper eine Spritze in sein verletztes Bein jagte und ihm dann ein Stück Holz oder so was zwischen die Zähne schob, auf das er drauf biss. Danach legte sie ihm ihre Hände rechts und links an sein Bein und sah ihm direkt in die Augen. Er nickte kurz und schon im nächsten Augenblick führte Bella einen harten Ruck aus, der das verdrehte Bein wieder gerade richtete. Jaspers Körper spannte sich komplett an und er schrie auf. Aber durch das Holz zwischen seinen Zähnen war nur ein gedämpfter Schrei zu hören, allerdings waren ihm die Schmerzen deutlich anzusehen.

Bella legte ihm kurz tröstend eine Hand an die Wange und schien beruhigend auf ihn einzureden. Jazz saß mit geschlossenen Augen da und der Schweiß stand ihm vor Schmerz auf der Stirn. Doch Hauptsache war, dass er lebte. Anschließend legte Bella ihm eine Art Metallschiene an, die sie fest mit einem Verband umwickelte. Mittlerweile schienen die Schmerzmittel zu wirken und Jaspers Gesicht entspannte sich etwas und er spuckte das Holzstück wieder aus.

Ich ließ erleichtert meinen Blick etwas schweifen und versuchte, die Gesamtsituation zu erfassen.

Denn um uns herum waren noch immer Kampfgeräusche zu hören. Die Schlacht war noch lange nicht beendet und der Ausgang war für mich im Moment äußerst fraglich. Wenn ich die Stelle betrachtete, an der wir eben noch gewesen waren, wurde mir sowieso ganz anders. Das hätte nämlich auch ganz leicht ins Auge gehen können. Wir hätten alle drei sterben können. Einfach so.

Ausgelöscht.

Innerhalb eines Augenblicks. Wenn Bella auch nur eine Sekunde unaufmerksam gewesen wäre, hätte es unser Ende bedeuten können. Ich schauderte. Mir wurde wieder überdeutlich bewusst, wie wichtig es war, dass sie durch nichts – auch nicht durch mich – abgelenkt wurde, damit ihr keine Fehler unterliefen.

„Okay Edward“, Bella tauchte plötzlich wieder neben mir auf, „Meinst du, du schaffst es bis zu Jasper rüber? Er muss dort sitzen bleiben, das ist im Moment am besten für sein Bein.“

Ich nickte geistesabwesend und im nächsten Moment zog sie mich schon hinter sich her und platzierte mich neben Jasper.

„So, jetzt gebe ich dir noch was gegen deine Schmerzen, Baby. Und Du musst mir versprechen, dass du wirklich hierbleibst bei Jasper. Er braucht Unterstützung. Wenn es hier auch zu brenzlig werden sollte, schaffte euch Ahab hier raus, in Ordnung? Er weiß schon Bescheid…“

„Wie? Was?“, fragte ich verwirrt, „Und was machst du jetzt?“

„Ich?“, sie legte den Kopf etwas schief und sah an mit vorbei in Richtung des Schlachtfeldes. „Unsere Gegner haben die Außengrenze fast erreicht. Ich geh da jetzt runter. Es wird Zeit…“