Sonntag, 12. Februar 2012

SML - 69 - No one's gonna take me alive

69 No one's gonna take me alive



Ahab zog mich hinter eins der Autowracks, das ein paar Meter entfernt stand. So waren wir vor den Augen der Anderen verborgen und konnten trotzdem dem gesamten Geschehen folgen.

Trotz der Sicherheit, die uns durch das Versteck gegeben wurde, hielt Ahab aber trotz allem ständig die unmittelbare Umgebung im Auge und hielt mich auch an, meine Waffe weiterhin schussbereit zu halten.

Gespannt verfolgte ich, wie Jake und Bella kämpften. Ich wagte kaum zu atmen. Es herrschte plötzlich eine fast gespenstische Stille. Die Detonationen waren verstummt, nur noch allein die Kampfgeräusche der beiden waren zu hören. Und ab und zu ein leises Klicken, wenn Ahab die Position seines Lollis im Mund wechselte. Irgendwie schien sich jetzt alles auf diesen einen Schauplatz zu konzentrieren.

Alle unsere übriggebliebenen Gegner waren an diesen einen Platz zusammen gekommen. Sicherlich hatten sie alle bemerkt, dass Bella nicht mehr innerhalb des gesicherten Geländes zu finden war, sondern sich draußen dem offenen Kampf gestellt hatte. Und jetzt ging es ihnen allen nur noch darum, ihrer so schnell wie möglich habhaft zu werden. Ich war mir sicher, dass Aro eine Belohnung für denjenigen bereitgestellt hatte, der sie ihm lebend vor die Füße werfen würde. Dementsprechend waren sie alle erpicht darauf, lebend an sie heranzukommen. Es war fast so, als würden sie Schlange stehen, um sich mit ihr zu duellieren.

Und Ahab hatte natürlich vollkommen Recht.

Sie hatte Spaß dabei.

Selbst aus der Entfernung erkannte ich dieses kleine, für sie so typische Lächeln, welches ihre Gesichtszüge umspielte. Das Leuchten in ihren Augen, auch wenn ihr Gesichtsausdruck ansonsten hochkonzentriert wirkte.

Denn Bella tat gerade das, was sie am besten konnte... sie tötete... unbarmherzig...und effizient.

Wer ihr zu nahe kam, bezahlte das mit seinem Leben. Wenn sie dabei nicht ständig ihre Position ändern würde, müsste sie schon auf einem Berg Leichen stehen. Denn allein innerhalb der paar Minuten, die ich erst hier stand, hatte sie bereits acht Männer getötet. Ich kam gar nicht dazu, darüber nachzudenken, dass alle diese Männer eigentlich auch ein Leben, eine Familie, eine Geschichte hatten, denn es ging hier zu wie am Fließband.

Zack. Zack. Tot. Der Nächste...

Bella machte meistens kurzen Prozess mit ihren Gegnern. Sie kassierten erst ein paar Schläge oder Tritte, ehe Bella ihnen dann das Genick brach oder sie mit dem Messer derart verletzte, dass sie innerhalb von wenigen Minuten verbluten würde. Dadurch, dass sie meist irgendwelche Arterien verletzte und das Blut nur so aus den Wunden spritze, war sie mittlerweile von Kopf bis Fuß mit Blut besudelt. Ich war heilfroh, dass Jasper jetzt nicht hier unten war, denn der würde sich sicher nur noch übergeben.

Jake hielt Bella während des Kampfes den Rücken frei. Er stand diesmal allerdings nicht so nah, wie bei der Rettungsaktion von Rosalie und Emmett, sondern etwa einen Meter hinter ihr.

Trotzdem sorgte er dafür, dass sich niemand Bella von hinten auch nur näherte. Seine Bilanz an Toten war dabei ähnlich hoch wie ihre. Ich fragte mich nur, wie er es zeitgleich schaffte, immer genau an ihr dran zu bleiben. Er folgte jeder ihrer Bewegungen, so als würde er sie blind voraus ahnen.

Ich wusste nicht genau, wie lange ich einfach nur da stand und mit offenstehendem Mund das grausige Spektakel betrachtete. Es konnten nur wenige Minuten gewesen sein, oder eine ganze Stunde, ich wusste es wirklich nicht. In meiner Wahrnehmung gab es nur noch Bella und Jake, die in einem Wust aus Toten und stark Verletzten umherwirbelten.

Und irgendwann war dann Ruhe.

Irgendwann war da niemand mehr, der sich ihr in den Weg stellte und versuchte, sie zu fassen zu bekommen.

Auf einmal herrschte einen Moment lang fast komplette Stille. Nur ein vereinzeltes Stöhnen von denen, die noch nicht ganz tot waren, tönte leise durch die jetzt klare Luft. Der Nebel hatte sich endlich gelichtet und gab den Blick auf die komplette Umgebung frei. Dadurch wirkte alles noch ein wenig erschreckender und ich fragte mich schaudernd, wie viele Menschen hier ihren Tod gefunden hatten.

Hatte Aro denn wirklich geglaubt, dass er diese kleine Festung so leicht hätte einnehmen können? Gut, wenn Ahab vorhin nicht mit mir unten gewesen und das Eindringen unserer Gegner verhindert hätte, wäre es vermutlich im Inneren des Geländes zu einer weiteren Schlacht gekommen. Bei der wir bestimmt mehr Verluste hätten hinnehmen müssen. Aber so schienen wir siegreich und ohne größere Verluste aus der Sache hervorgegangen zu sein.

Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Ich hatte ehrlich nicht damit gerechnet, dass es für uns so gut ausgehen würde. Aber es hatte mal wieder gezeigt, dass eine gute Vorbereitung überlebenswichtig sein konnte. Denn ohne die ganzen Sprengfallen, wäre es sicher auch anders ausgegangen. Aber so wurde ein Großteil unserer Gegner schon ausgeschaltet, bevor sie überhaupt in unsere Nähe kommen konnten. Und die drei Scharfschützen hatten ihr Übriges dazu geleistet.

Ein lautes Klatschen riss mich aus meinen wirren Gedanken und ich sah perplex in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Etwa zwanzig Meter von uns entfernt, lief ein kleiner Trupp Männer auf Jake und Bella zu, die abwartend und mit geballten Fäusten da standen. An seiner Spitze lief Aro. Er trug einen langen, schwarzen Mantel und klatschte frenetisch lächelnd in die Hände.

„Bravo“, rief er den Beiden entgegen und ich bemerkte unwirsch, dass mich Ahab hinter sich zog, um mich vor den Blicken der Neuankömmlinge zu schützen. Bella warf ihm einen kurzen Blick zu, der Bände sprach. Sie hatte mich definitiv gesehen und fand es wohl gar nicht witzig, dass ich jetzt gegen ihren Willen hier war. Ahab würde mit Sicherheit großen Ärger deswegen bekommen und ich auch. Und der arme Jasper. Hinterher. Wenn es ein „hinterher“ geben würde.

Seufzend spähte ich vorsichtig an Ahabs Schulter vorbei zu Jake und Bella. Die Zwei sahen aus, als wären sie direkt aus irgendeinem Splatterfilm entstiegen. Ihre schwarzen Anzüge waren nahezu komplett mit Blut besudelt, ihre Hände, ihre Gesichter, alles war durchtränkt vom Blut der Getöteten.

„Bravo“, rief Aro erneut, „Bravissimo, meine Prinzessin. Ich habe doch immer gewusst, dass deine Ausbildung nicht umsonst war. Und du hast ja die Anlagen dafür bereits in deinen Genen“, er seufzte theatralisch auf, „hast du eigentlich gewusst, dass deine Mutter aus einer alten sizilianischen Familie stammte, die noch heute einem der größten Kartelle angehört? Wenn ich denen das bei einem der nächsten Treffen erzähle, weißt du, wie stolz sie dann sein werden? Und ich erst! Meine kleine Isabella, lass uns diesen kleinen Zwist hier sofort vergessen, in Ordnung? Ich kann dir eine glänzende Zukunft bieten, die du dir bisher in deinen kühnsten Träumen nicht vorstellen konntest. Auch mit deinem Ehemann, wenn du das unbedingt willst. Du kennst längst nicht die kompletten Ausmaße meiner Macht. Einer Macht, die ich mit dir teilen will! Die ich für dich aufgebaut habe...sie ist dein Erbe…nimm es dankbar an.“

Bella schnaubte abfällig und Aro trat nun zwischen seinen Bodyguards hervor, die er mit einer Handbewegung zum Anhalten brachte und streckte Bella beruhigend seine Hände entgegen.

„Komm zu deinem Onkel, Isabella. Du musst endlich verstehen, dass ich das alles nur für dich getan habe, weil ich dich liebe. Vom ersten Moment an, als ich damals ein Bild von dir gesehen habe, war ich wie verzaubert von dir. Du warst von Anfang an meine kleine Prinzessin. Ich konnte nie eigene Kinder bekommen und du warst einfach so perfekt für mich. Ebenso Jacob …“, Aro legte den Kopf schief und sah ihn mit fast liebevollem Blick an, „er wäre zu einhundert Prozent perfekt gewesen für dich. Ihr zwei passt einfach so gut zusammen.“

Bella und Jake tauschten einen kurzen Blick miteinander, der mir alles sagte, ehe sie ihn beide wieder hasserfüllt ansahen. Ihre ganze Körpersprache schrie förmlich ihren Hass und ihre Wut auf Aro heraus. Sie wirkte wie zwei gespannte Armbrüste, die Sehnen zum Bersten gedehnt, jederzeit abschussbereit. Selbst aus der großen Entfernung konnte ich die Anspannung der beiden sehen. Ihre Körper schienen förmlich unter Strom zu stehen. So hatte ich die zwei noch nie erlebt.

„Aber nun ja“, führte Aro, völlig ungeachtet der bösen Blicke, seinen Monolog fort, „du hast dich nun mal anders entschieden. In dem Punkt hast du vielleicht eine kleine Schwachstelle, die ich nicht früh genug ausgemerzt habe. Aber zu meiner Entschuldigung muss man einfach sagen, dass du eben eine Frau bist, da ist man leider vor solchen Dingen nicht gefeit...“

Jake hielt Bella mit einer schnellen Bewegung am Arm zurück, ansonsten wäre sie vermutlich schon jetzt auf Aro losgegangen.

„Aber meine Liebe, keine Sorge, ich verzeihe dir. Und du kannst ja auch gerne deinen Mann“, er sprach das Wort aus, als könnte er sich daran verätzen, „…behalten. Und es spricht ja trotzdem sicherlich nichts dagegen, nebenbei ein oder zwei richtige Erben für mich mit Jacob zu zeugen.“

„Ruhig bleiben, Edward…“, war plötzlich eine leise Stimme an meinem Ohr zu hören und ich spürte einen eisernen Griff an meinem Arm. Etwas verwirrt sah ich zu Ahab, der mich wieder energisch hinter sich zog. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich wohl hinter ihm hervor getreten war.

Völlig fassungslos blickte ich wieder zu Aro. Er musste doch vollkommen den Verstand verloren haben. Wie konnte er Bella immer noch als seine Erbin betrachten und dabei auch noch die Unverfrorenheit besitzen, hier von Liebe zu reden? Bella stand mehr als überdeutlich ins Gesicht geschrieben, dass sie ihn nur noch töten wollte und er war doch eigentlich auch nur aus dem einen Grund hier – sie zu töten! Wie konnte er jetzt davon reden, das alles zu vergessen und einfach da weiter zu machen, wo sie gemeinsam aufgehört hatten? Waren die ganzen Toten und der Schmerz um das alles, denn dann völlig umsonst gewesen? Hätten wir uns das alles sparen können? War das alles nur eine Art Spiel für ihn gewesen?


Ich bewunderte Jake im Moment wirklich. Er schien vollkommen ruhig zu sein und hatte es auch wie immer geschafft, Bella zu beruhigen.

„Mein lieber Onkel Aro“, setzte diese aber plötzlich mit künstlicher, zuckersüßer Stimme an und ich sah, wie Jake jetzt in unserer Richtung blickte und eine kurze nickende Bewegung machte, „hast du wirklich gedacht, ich könnte dir jemals verzeihen, dass du meine Eltern vor meinen Augen hast ermorden lassen? Und dass du dich dann die ganze Zeit als mein persönlicher Wohltäter aufgeführt hast? Mir mein ganzes Leben vorgegaukelt hast, du würdest alles Erdenkliche dafür tun, damit ich mich irgendwann an den vermeintlichen Tätern rächen kann? Obwohl du selber ganz genau wusstest, wer dahinter steckte? Obwohl du es selber organisiert hast? Du hast mir damit meine komplette Kindheit geraubt, indem du mich ab da manipuliert hast, wo du nur konntest. Nur, um mich so zu formen, dass du mich für deine alleinigen Zwecke missbrauchen kannst.“

Bella machte eine kurze Pause und lächelte ihn scheinbar strahlend an.

„Aber irgendwie bin ich dir auch in einem Punkt dankbar. Dankbar dafür, dass du mir eine exzellente Ausbildung hast zukommen lassen…“, ihr Lächeln glitt in ein dämonisches Grinsen hinüber, „denn so weiß ich jetzt ganz genau, was ich mit dir alles anstellen werde, bevor ich dich langsam und schmerzvoll töten werde...“

Und plötzlich kam Bewegung in die Sache und alles ging ganz schnell.

Ahab zischte mir lediglich ein kurzes „bleib in Deckung“ zu, bevor er mit einem riesigen Satz auf den Wagen vor uns sprang. Innerhalb eines Wimpernschlags war er schon hinter dem völlig erstaunten Aro. Zeitgleich mit ihm hatten sich auch Jake und Bella in Bewegung gesetzt.

Während Bella sich direkt auf Aro gestürzt hatte und ihn mit einer Salve Faustschläge auf die Brust bearbeitete, nahmen sich Jake und Ahab seine verbliebenen Bodyguards vor. Es waren insgesamt acht, aber die zwei hatten keinerlei Probleme mit dem ungünstigen Kräfteverhältnis.

Ahab hatte schon im Flug dem ersten sein Knie in den Brustkorb gerammt und ihm dann mit einer fließenden Bewegung das Genick gebrochen. Jake hingegen hatte seine Messer als tödliche Wurfgeschosse benutzt und damit gleich zwei der Hünen außer Gefecht gesetzt. Im Vorbeirennen zog er die blutigen Messer wieder aus den Leichen heraus und attackierte damit die zwei restlichen Typen. Innerhalb weniger Sekunden waren die Bodyguards allesamt tot, nur noch ein völlig überrumpelter Aro stand da und ließ sich von Bella verprügeln. Er sagte dabei auch keinen Ton, vom Aufstöhnen nach einem besonders heftigen Schlag mal abgesehen, sondern ließ sie einfach nur machen.

Und das wiederum erstaunte mich. Liebte er Bella denn nun wirklich so sehr, wie er immer behauptete? Ließ er das deshalb einfach so über sich ergehen, weil er wusste, dass es ihr gut tat? Oder hatte er sich selbst aufgegeben, als er bemerkt hatte, dass Bella auf sein Angebot nicht eingehen würde?

Ahab kehrte inzwischen, seelenruhig einen neuen Lolli auswickelnd, zurück zu mir, während Jake sich mit verschränkten Armen neben Bella stellte und zusah, wie sie ihrer Wut einfach freien Lauf ließ.

Und das tat sie... sehr gründlich... nicht einmal die mangelnde Gegenwehr, von reflexartigen Abwehrbewegungen mal abgesehen, ließ sie in ihrem Tun einhalten. Mit einem wirklich dämonischen Grinsen auf dem Gesicht, nahm sie Aro Stück für Stück auseinander. Brach ihm, nach und nach, sämtliche Knochen im Leib.

Den Anfang machte sein Nasenbein, der Kiefer und beide Jochbeine, die Bella mit ein paar gezielten Schlägen zertrümmerte. Das ganze Gesicht von Aro wirkte danach irgendwie verschoben und er schlug sich instinktiv und laut schreiend, die Hände vor sein verletztes Gesicht.

Allerdings war Bella damit noch lange nicht fertig. Dies war erst der grausige Anfang ihrer lange geplanten Rache. Sie riss ihm brutal die Arme zurück und brach diese ebenfalls mit einer schnelle Bewegung und begann dann, seine Arme während eines irren Tanzes in unmöglichen Winkeln hin und her zu bewegen. Und trotz der wahnsinnigen Schmerzensschreie bildete ich mir ein, das malende Geräusch der aufeinander reibenden Knochensplitter zu hören.

Mein Magen krampfte sich unwillkürlich zusammen und ich musste mich zwingen, weiter zu atmen, denn vor lauter Anspannung hatte ich die Luft angehalten.

„Willst du nicht lieber gehen?“, fragte mich Ahab mitfühlend, der allerdings selber mit vollkommen ruhigem Gesichtsausdruck, neben mir stand. Ich blickte nur kurz zu ihm und wendete mich dann, dabei den Kopf heftig schüttelnd, wieder dem grausigen Geschehen zu.

Nein, ich würde Bella jetzt nicht allein lassen. Auch wenn mich die Brutalität, mit der sie hier jetzt vorging, doch ein wenig überraschte. Aber mir war egal, was sie dort gerade tat und was sie noch mit Aro anstellen würde, sie war und bleib meine Frau, die ich über alles liebte.

Als sie ihm mit mehreren Tritten gezielt die Rippen brach, setzten bei mir Phantomschmerzen am ganzen Körper ein und ich umklammerte reflexartig meinen Brustkorb.

„Macht dir das eigentlich gar nichts aus?“, fragte ich Ahab entsetzt. Als Antwort bekam ich ein kurzes Räuspern und ein „Nö, nicht im Geringsten“, was mich dazu brachte, mich jetzt lieber nicht zu fragen, was er schon alles erlebt hatte. Denn das wollte ich gewiss nicht wissen.

Bella setzte währenddessen ihr Zerstörungswerk an Aros Beinen fort. Er fiel um, wie ein gefällter Baum und lag nun auf dem Rücken. Auch hier brach sie ihm zuerst die Knochen, ehe sie damit begann, seine Gliedmaßen in alle Himmelsrichtungen zu verdrehen. Das mussten fast unerträgliche Schmerzen für ihn sein. Wie hielt er das nur aus?

Als sie dann mit voller Wucht zwischen die Beine trat, wurden meine Phantomschmerzen nahezu unerträglich und ich schloss die Augen.Aber immerhin bemerkte ich in dem Moment eine kleine Reaktion an Ahab, das schien selbst ihn nicht kalt zu lassen, war vermutlich einfach männlicher Instinkt.

Plötzlich wurden seine Schreie etwas leiser und Bella begann zu fluchen.

„Verdammt. Er wird schon ohnmächtig“, sie sah kurz zu Jake und Ahab, „Jungs, bringt ihn bitte für mich rein. So schnell lass ich ihn nicht davon kommen…“

Jake reagierte sofort und rannte kurz durch die aufgesprengte Öffnung ins Innere des Geländes, von wo er kurz danach, mit einer Art Trage zurückkam. Ahab und er verfrachteten den augenscheinlich leblosen Aro auf die Trage und trugen ihn auf demselben Weg hinein. Bella folgte ihnen, ohne einen Blick in meine Richtung zu werfen. Sie schien nur noch auf eine Sache fixiert zu sein.

Einen Augenblick lang sah ich dem kleinen Trupp nach, ehe ich mich doch dazu entschloss, ihnen zu folgte.

Aro wurde in eine der kleineren Baracken getragen. Als ich ebenfalls eintrat, legten Ahab und Jake ihn gerade auf eine Art OP-Tisch und mir kam der Verdacht, dass das, was jetzt hier passieren würde, vorher bis ins kleinste Detail geplant war.

Denn der ganze Raum war mit medizinischen Instrumenten vollgestopft. Um uns herum standen lauter blinkende, piepsende Apparaturen. Auf einem Beistelltisch lagen eine Menge medizinische Instrumente. Spritzen, Messer, kleine Sägen... es erinnerte leider sehr an ein Horrorkabinett eines völlig durchgeknallte Serienkillers.

Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich, wie Bella dem stöhnenden Aro das Hemd aufschnitt und ihm irgendwelche Pads auf die nackte Brust klebte. Anschließend legte sie ihm einen intravenösen Zugang und hängte irgendeinen Tropf dran.

Nur wozu war das ganze gut? Was zum Teufel sollte das werden? Ich dachte, er sollte sterben und jetzt schien es so, als wollte sie ihn doch zurück ins Leben holen.

„Ist der Defri geladen?“, fragte sie Jake, ehe sie kurz zu mir rüber sah. „Das wird jetzt etwas unschön hier. Du solltest besser gehen.“

Ich schüttelte vehement den Kopf. Ich wollte sie nicht verlassen. Ich hatte es schließlich geschworen. Bei unserer Hochzeit…in guten wie in schlechten Tagen…und das hier waren definitiv die schlechten. Aber ich wollte stark sein … für sie.... für uns...

„Doch, es ist besser und es war keine Bitte…“, Bella sah mich nun eindringlich an und für einen kurzen Augenblick, hatte selbst ich Angst vor ihr. In diesem kurzen Moment erinnerte nichts an ihr an die liebevolle Frau, in die ich mich verliebt hatte. „Ahab, schaff ihn hier raus…“, setzte sie emotionslos hinzu.

Ich wurde sofort unsanft von ihm an den Armen gepackt und nach draußen gezerrt. Ich versuchte erst gar nicht, mich dagegen zu wehren, denn ich wusste genau, dass ich eh keine Chance haben würde. Jake warf mir einen warnenden Blick zu, verschloss hinter uns die Tür und riegelte sie ab.

Ahab zog mich noch ein gutes Stück weiter und setzte mich dann auf einen der rumliegenden Felsbrocken. Dann stellte er sich mit verschränkten Armen unbeweglich neben mich und ich brauchte nicht erst nachzufragen, um zu wissen, dass er jeden Versuch meinerseits, wieder aufzustehen erfolgreich verhindern würde.

Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal und lehnte mich so gut es ging an die Wand, gegen die der Brocken wohl beim Sprengen der Mauer gerollt war. Das konnte ja jetzt wohl erst mal dauern.


---


Urplötzlich schreckte ich hoch.

Um mich herum war es mittlerweile dunkel geworden, nur einzelne Lampen erleuchteten die Szenerie. Aber Ahab stand immer noch wie ein dunkler Schatten neben mir und grinste mich an. „Na, ausgeschlafen?“

Benommen streckte ich mich, rieb mir meinen steifen Nacken und nickte dann langsam. Ich war tatsächlich in all diesem Chaos eingeschlafen. Wie viel Zeit wohl inzwischen vergangen war?

„Sind... sind sie endlich fertig damit…?“, fragte ich vorsichtig und spähte neugierig zum gegenüberliegendem Gebäude, wo noch immer Licht brannte.

„So gut wie“, er räusperte sich kurz, „wir sind auch schon dabei, hier alles zu evakuieren. Bis auf den Heli ist schon alles draußen.“

„Ist.. ist er denn nun tot?“, fragte ich, nicht in der Lage, Aros Namen noch einmal auszusprechen. Ahab schüttelte den Kopf und ich riss verdattert die Augen auf.

„Noch nicht. Das hebt sie sich wohl noch ein wenig auf, würde ich sagen. Aber als richtig lebendig würde ich Aro auch nicht mehr bezeichnen. Nur laut seinen Vitalwerten ist er noch am Leben.“

„Weißt du denn, was sie mit ihm genau gemacht haben?“, ich sah ihn fragend an.

„Yepp“, er nickte kurz, warf einen Blick zu der gegenüberliegenden Tür und sah dann wieder mich an, „aber glaube mir, das willst du nicht wissen.“ Damit war für ihn das Thema wohl erledigt.

Ich dachte an die ganzen Instrumente zurück, die ich gesehen hatte und erinnerte mich daran, dass mir Bella mal erläutert hatte, dass es keiner großartigen Verletzung bedurfte, um jemanden zu quälen und das es medizinisch kein großes Problem darstellte, jemanden mehrmals bis dicht an die Schwelle zum Tod zu führen und wieder zurückzuholen. Vielleicht war es wirklich besser für meinen Seelenfrieden, hier keine Details zu kennen und einfach diesen Ort des Schreckens zu verlassen und mit meiner Frau zu unserer wartenden Familie zurückzukehren…

Ahab führte mich hinaus zu den Anderen, die mit mehreren Fahrzeugen ein ganzes Stück weit weg, mitten auf dem freien Feld standen. Auf dem Weg dahin, versuchte ich eisern die ganzen Toten zu ignorieren, die überall herumlagen und war heilfroh, dass mein Magen leer war. Ansonsten hätte ich mich sicher doch noch übergeben.

Jasper saß auf der Motorhaube eines Wagens und winkte mir zu. Er sah immer noch ziemlich mitgenommen aus, hielt sich aber tapfer aufrecht. Sally stand direkt daneben und telefonierte, allerdings wiedermal auf Französisch, so dass ich kein Wort verstand. Sicherlich hatte sie Lucie an der Strippe und ließ gerade so den Rest der Familie wissen, dass es uns anderen allen halbwegs gut ging.

Ich kletterte auf die Haube neben Jasper und ließ einfach alles Weitere auf mich zu kommen. Ich wusste nicht genau, was jetzt passieren würde, aber ein kleines Alarmglöckchen schrillte schon in meinem Hinterkopf, da Ahab vorhin das Wort „evakuieren“ benutzt hatte.

Wollten sie etwa alles hier in die Luft jagen?

Es vergingen mehrere Minuten, in denen nichts passierte, ehe sich plötzlich der Helikopter erhob und auf uns zu flog. Er landete irgendwo hinter uns und Ahab stand plötzlich wieder wie aus dem Nichts neben mir.

„Es ist gleich vorbei“, raunte er mir leise zu und drückte mir ein Nachtsichtgerät in die Hand. Er hielt es so, dass ich den Eingangsbereich gut im Blick hatte.

Und da sah ich zwei Gestalten, die irgendetwas auf einer Bahre trugen und vor der Tür des Gebäudes ablegten.

„Was haben sie denn nun vor?“, fragte ich an Ahab gewandt, doch er lächelte mich bloß vielsagend an und deutete mit dem Kinn in die Richtung. „Sieh es dir doch an…“. Also wand ich mich lieber wieder schnell um und beobachtete weiter das Geschehen.

Nachdem Bella und Jake Aro abgelegt hatten, entfernten sich beide in Richtung der kleinen Eingangstür, durch die Ahab und ich vorhin auch nach draußen gegangen waren. Sie legten beide feierlich die Hand auf die Klinke, sahen sich grinsend an und stießen mit einem gemeinschaftlichen Ruck die Tür auf.

Oh meine Gott... die Sprengfalle…

Mein Herz begann mir bis in den Hals zu schlagen und ich beobachte nervös und mit zittrigen Händen, wie die zwei schnell in unsere Richtung rannten.

Plötzlich wurde mir das Nachtsichtgerät von Ahab von den Augen gerissen und einen kurzen Augenblick später, ließ eine gewaltige Detonation den Nachthimmel erzittern.

Wie erstarrt sah ich in die riesige Feuerkugel, die das komplette Gelände auf einmal zu verzehren schien. Es schlossen sich kurz hintereinander noch eine Reihe weiterer, kleinerer Detonationen an, die alles Übriggebliebene in Schutt und Asche legten.

Nach einer Weile, die mir schier unendlich vorkam, sah ich zwei dunkle Gestalten, die sich uns langsam näherten.

Doch Bella und Jake waren unverletzt und guter Dinge. Sie liefen aufrecht, ihr Blick war geradeaus gerichtet, ihr Gang stolz.

Wir hatten es endlich geschafft.

Wir waren endlich frei...

Ich rutschte von der Motorhaube des Wagens und rannte ungeduldig auf meine Frau zu. Ahab ließ es geschehen, also schien es in Ordnung zu sein. Bella lächelte mich freudestrahlend an. Die Erschöpfung der letzten Tage war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, aber sie war definitiv glücklich. Schwungvoll nahm ich sie in meine Arme, verteilte viele Küsse auf ihrem gesamten Gesicht. Sie schmeckte nach Rauch, Blut und Schweiß, aber das war mir egal.

Denn es gab nun niemanden mehr, der uns trennen würde. Wir waren für immer vereint.

Meine Tränen begannen nun zu laufen, ohne dass ich es verhindern konnte. Ich murmelte unverständliches Liebesgeflüster in ihr Haar und drückte sie fest an mich.

Sie war mein.

Niemals wieder würde ich sie loslassen.

Niemals.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen