Donnerstag, 14. April 2011

L³ - 1 - You set my soul alight

1 – You set my soul alight


EPOV

Mit einem wehmütigen Seufzen fuhr ich am Ortseingangsschild vorbei.

Seattle...

Das würde meine neue Heimat für die nächsten paar Monate werden. Vielleicht auch nur für ein paar Wochen. Sobald alles hier abgeschlossen war, würde ich sofort zu meiner Familie nach Chicago zurückkehren.

Meine Eltern waren natürlich nicht begeistert gewesen, als ich ihnen davon erzählt hatte, dass ich mich freiwillig für diesen Undercovereinsatz gemeldet hatte. Es war nicht ungefährlich, aber ich brauchte einfach mal eine neue Herausforderung. Und als das Drogendezernat jemanden suchte, der ihnen helfen sollte, einen ganz großen Fisch dingfest zu machen, hatte ich mich sofort dafür gemeldet.

Außerdem hatte mich Victoria voll und ganz dabei unterstützt.

Nachdenklich betrachtete ich meinen Ringfinger, an dem ich sonst einen einfachen Platinring getragen hatte. Er war nackt... leer.... Schon seit vier Wochen trug ich den Ring nicht mehr, so dass kein Abdruck zu sehen war. Es gehörte leider zu meiner Tarnung. Es durfte nichts geben, was an mein bisheriges Leben erinnerte und mich so auffliegen lassen konnte.

War einfach zu gefährlich.

Mein Mittelsmann war wohl ein Informant, durch den ich einen Job mitten im Geschehen erhalten konnte. Tief drin im Rotlichtmilieu.

Diese Tatsache fanden meine Eltern wohl am schlimmsten.

Dass ich mich in einen Sündenpfuhl begeben würde...auch wenn es nur rein beruflicher Natur war. Ich seufzte tief.

Instinktiv küsste ich das kleine Kreuz aus Gold, das an einer Kette um meinen Hals hing. Meine Eltern befürchteten tatsächlich, dass mich mehrere Monate in den ‚Fängen des Teufels’, wie sie es genannt hatten, vom rechten Weg abbringen würden. Sie baten sogar einen befreundeten Bischof, mir Vernunft einzureden. Der mich aber, entgegen ihrer Hoffnungen, voll unterstütze und meinen Kampf gegen die Vorherrschaft der Sünde lobte. Er wollte mich sogar in seine Gebete mit aufnehmen und gab mir seinen Segen für die waghalsige Aktion.

Das beruhigte meine Mutter irgendwie. Mein Vater war zwar immer noch skeptisch, aber da Victoria voll auf meiner Seite stand, gab er letzten Endes doch klein bei.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen dachte ich an sein Argument, mich von diesem Einsatz los zu sagen. Er meinte wirklich, er hätte mich nicht umsonst auf ein reines Jungeninternat und später auf die Militärakademie geschickt, nur damit ich dann der Sünde frönen konnte. Ich hatte es lachend abgetan. Es hatte noch nie jemand geschafft, mich vom rechten Weg abzubringen. Und so würde es auch bleiben. Ich war und blieb standhaft und das allein durch die Hilfe Gottes. Und es war auch schon immer so gewesen, dass er den Menschen Prüfungen auferlegte, an denen sie wachsen sollten und ihren festen Glauben beweisen konnten. So auch mir.

Während die Anderen im Internat sich heimlich irgendwelche Schmuddelmagazine angesehen hatten, war ich mit Lernen beschäftigt gewesen.

Wenn in der Akademie die Anderen von ihren Freundinnen und deren körperlichen Vorzügen erzählten, hatte ich nur milde gelächelt. Meine Eltern hatten mir bereits frühzeitig eine geeignete Frau ausgewählt, die ich nach dem erfolgreichen Abschluss ehelichen würde. Also hatte ich gar keine Veranlassung gehabt, mich nach anderen Kandidatinnen umzusehen.

Und auch auf meiner derzeitigen Arbeitsstelle gab es viele Männer, die stolz von ihren sexuellen, natürlich außerehelichen, Abenteuern erzählten. Und manche hatten wirklich einen regen Verschleiß, wenn all ihre Geschichten der Wahrheit entsprachen, aber auch das ließ mich kalt. Der Akt an sich war von Gott nur zur Fortpflanzung gedacht und sollte deshalb auch nur zu diesem Zweck und an den fruchtbaren Tagen praktiziert werden. Und das hielten meine Frau und ich auch streng ein und das sogar meist im Dunkeln, um nicht weiterer Verführung zu unterliegen. Trotz allem war uns das Wunder der Zeugung bisher versagt geblieben. Aber auch das sah ich lediglich als Prüfung, die ich, wie immer, bestehen würde.

So tobte also seit meinem vierzehnten Lebensjahr die Verlockung der Sünde um mich herum und ich hatte ihr immer widerstanden. Und das würde ich auch weiterhin tun. Gott würde mir dabei helfen.

Mein Undercoverauftrag sah vor, dass ich in einem der zahlreichen Clubs des Typen als Rausschmeißer anfangen würde. Meine Nahkampf-Ausbildung in der Akademie würde mir bestimmt dabei von Nutzen sein. Wenn man dem Informanten glauben konnte, ging dort ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Geschäfte über die Bühne und ich würde die einmalige Chance bekommen, daran teil zu haben.

Tief einatmend parkte ich meinen Volvo vor der mir angegebenen Adresse. Es war ein kleinerer Wagen, als ich es gewöhnt war, aber als Kleinkrimineller konnte ich ja schlecht mit meinem Vanquish vorfahren. Ich vermisste ihn schon. Aber eine gute Tarnung war eben mein bester Schutz, da ich ab hier und jetzt völlig auf mich allein gestellt war.

Ein großes Schild, auf dem in blutroten Buchstaben ‚Bloody Nights“ stand, zeigte mir, dass ich richtig war.

Direkt daneben befand sich ein kleiner Boxclub, in dem ich mich melden sollte.

Nachdenklich ließ ich meinen Blick schweifen. Die ganze Gegend wirkte recht heruntergekommen, nur der Club bildete da eine kleine Ausnahme. Er wirkte wie eine kleine, leuchtende Insel inmitten des ganzen Graus. Bunte Leuchtreklame war in den Scheiben zu sehen und über dem Namenszug prangte ein großes Plakat mit zwei ausdrucksstarken braunen Augen. Sie wirkten, als ob sie die vorbei gehenden Menschen hypnotisieren und verführen würden.

Wieder seufze ich tief und schnappte mir meine Glock aus dem Handschuhfach, um sie mir griffbereit in den Hosenbund zu stecken. Eigentlich hätte ich lieber meine P226 mitgenommen, aber das wäre ebenfalls zu auffällig gewesen.

„Na dann, auf ins Gefecht“, sprach ich mir selber Mut zu und küsste erneut das Kreuz, ehe ich aus dem Wagen stieg.

Für Juni war es wirklich verdammt kalt hier und ich bereute es augenblicklich, nur ein dünnes Shirt angezogen zu haben. Und der Wind pfiff, dank meines neuen Haarschnittes, auch um meine Ohren. Victoria war entsetzt gewesen, als sie mir meine, doch recht langen Haare, zu einer neumodischen Kurzhaarfrisur zurechtgestutzt hatten. War auch ein Teil der Tarnung.

Fröstelnd zog ich also die Schultern hoch, überlegte kurz, mir meine Lederjacke aus dem Kofferraum zu holen, entschied mich aber dagegen und joggte zum Eingang.

Wenigstens hielt die Lederhose schön warm...aber auch das war eine ziemliche Umgewöhnung zu den Anzughosen, die ich für gewöhnlich immer trug.

Kurz vor der Tür drehte ich mich herum und verschloss noch schnell mit der Fernbedienung das Auto. Nicht, dass jemand auf dumme Gedanken kam.

Der Tresen des Boxstudios war verwaist, auch auf mein Rufen meldete sich niemand. Da ich aus dem hinteren Bereich Trainingsgeräusche hörte, beschloss ich einfach mal nachzusehen.

Durch einen schmalen Durchgang rechts vom Tresen landete man in einer riesigen Halle, deren schweißgeschwängerte Luft mir fast den Atem nahm. Die Sonne schien durch die hohen Fenster hinein und Staub tanzte glitzernd in der Luft.

In der Mitte der Halle stand ein Boxring, um den mehrere Fitnessgeräte und Boxsäcke verteilt waren.

Es war nicht wirklich was los. Im Ring befand sich ein ziemlich großer, muskulöser Kerl, der gegen einen Typen kämpfte, der gewisse Ähnlichkeit mit Hulk hatte. Abgesehen von der Hautfarbe. Er überragte den anderen Typen fast noch um einen Kopf und sah einfach furchterregend aus. Und ziemlich kräftig, allerdings waren seine Muskeln weniger definiert.

Neben dem Ring standen ein älterer Mann mir Krückstock und neben ihm ein junger, schlaksiger Kerl.

Laut der Beschreibung, die ich erhalten hatte, musste der Ältere also mein Informant und Mittelsmann sein.

Langsam trat ich auf die Beiden zu und verfolgte aus dem Augenwinkel weiter das Geschehen. Die Zwei im Ring bearbeiteten sich mit harten Tritten und Schlägen. Und erstaunlicher Weise war der Kleinere deutlich im Vorteil. Der Größere hatte zwar mehr Kraft, aber er war um einiges schneller und wich elegant den meisten Attacken gegen ihn aus.

Kurz bevor ich den Ring erreichte, wandte der ältere Mann den Blick zu mir und ich gab ihm mit der Faust das vereinbarte Zeichen. Er nickte kaum merklich.

„Edward“, begrüßte er mich dann, wie einen alten Bekannten. „Schön dich zu sehen, mein Junge. Wie war die Fahrt hierher?“

Wow, er war wirklich ein guter Schauspieler und verschaffte mir so die nötige Rückendeckung hier.

„Gut, gut, Marcus“, stieg ich auf seine Begrüßung ein. „Es gab keine Probleme. Die blöden Bullen haben nicht mitbekommen, dass ich abgehauen bin. Ich wette, die stehen immer noch vor meiner Bude und warten, dass ich da endlich raus komme.“

Marcus kicherte und über das Gesicht von dem Typen neben ihm huschte ein verhaltenes Grinsen.

„Du bist also der Neue?“, begrüßte er mich mit einem festen Händedruck. „Ich bin Jasper, der Barmann. Der Affe da oben ist Emmett, ihm wirst du zur Seite stehen.“ Mit dem Daumen deutete er in Richtung des Boxringes.

„Das hab ich gehört, Whitlock“, grölte der Erwähnte und schickte seinen Gegner mit einem gut platzierten linken Haken auf die Bretter. „Siehst ganz schön schmal aus, Bürschchen“, wandte er sich nun grinsend an mich. „Hast du denn überhaupt was drauf oder eher Angst, dass die Haare nicht richtig liegen?“

Zehn Minuten später stand ich, nur noch mit einer Jogginghose bekleidet, ihm gegenüber im Ring. Ich musste den Beweis antreten, dass ich ihm und dem Job wirklich gewachsen war. Das war wohl wieder so ein Männerding, aber ich würde es über mich ergehen lassen.

Aus der Nähe betrachtet wirkte der Kerl noch größer. Seine Muskeln sprachen für ein tägliches Training und da ihm der sonst so typische Stiernacken fehlte, nahm er vermutlich keine Anabolika.

Mit etwas abschätzigem Blick sah er zu mir.

Gut, er unterschätze mich. Aber das war ich gewohnt, denn ich war einen halben Kopf kleiner als er und bestimmt 20 Pfund leichter, aber ich würde es trotzdem mit ihm aufnehmen können. Ich hatte schon ganz andere Typen fertig gemacht.

„Halt dich nicht zurück“, rief ich ihm grinsend zu und begab mich in Kampfposition.

„Hatte ich nicht vor“, entgegnete er und überbrückte flink den Abstand zwischen uns beiden, um mich gleich mit Schlägen zu bombardieren.

Für seine Größe und Masse war er wirklich extrem schnell.

Zuerst beschränkte ich mich auf das Ausweichen und Abwehren seiner Angriffe, um seinen Bewegungsablauf zu studieren und Schwachpunkte zu finden.

„Ist das etwa schon alles?“, fragte er grinsend und setzte einen linken Haken.

„Nein“, antwortete ich, drehte mich etwas und verpasste ihm einen Treffer auf die Milz, die er dabei ungedeckt ließ.

Er stutzte kurz, was ich sofort ausnutzte und ihm einen Kinnhaken verpasste. Getroffen taumelte er einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf.

„Weiter“, forderte er knurrend und griff erneut an. Er begann zu ahnen, dass ich weit mehr drauf hatte, als er erst annahm.

Und diesmal erwischte er mich. Seine unbändige Kraft hatte meine Deckung durchbrochen und seine Faust landete unsanft auf meinem Brustkorb. Pfeifend entwich die Luft aus meiner Lunge und ich war einen Moment unaufmerksam. Was Emmett dazu nutze, mich herumzuwirbeln und in den Schwitzkasten zu nehmen.

Doch ich gab nicht so leicht auf. Mit dem rechten Fuß trat ich ihm auf die Zehen, so dass er automatisch den Griff etwas lockerte. Dann drehte ich mich leicht ein und rammte ihm erst meinen Ellenbogen in den Solar Plexus und dann die Rückseite meiner Faust gegen die Nase.

Keuchend krümmte er sich und ich nutzte meine Chance und beförderte ihn mit einer Schere auf die Bretter.

„Scheiße“, fluchte er laut, als er auf dem Boden aufschlug.

Ich erhob mich schnell und hielt ihm fair meine Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen.

„Du bist wirklich gut“, murmelte er anerkennend und zog sich hoch. „Wir werden bestimmt gut miteinander auskommen.“ Ich nickte zustimmend.

Zwei weitere Stunden später saß ich, bereits in Arbeitskleidung, mit ihm an der Bar. Jasper hatte uns ein paar alkoholfreie Drinks gemixt und lehnte, seinen eigenen schlürfend, an der Theke.

Der Club war größer, als es von außen den Anschein hatte. Kurz hinter dem Eingangsbereich begann die langgestreckte Bar, die sich weit in den Raum, bis an die Tanzfläche heran, erstreckte. Sie wirkte fast wie eine Insel zwischen dem bestuhlten Bereich und der Freifläche.

Vor der Bar gab es kleine Nischen mit gemütlichen Sofas und Sesseln. Der Tanzbereich war komplett frei von störenden Sitzgelegenheiten. Einzig an der Bar gab es ein paar Hocker.

Im ganzen hinteren Bereich des Raumes standen etwa 1,50 Meter hohe Podeste, auf denen sich teilweise Stangen oder Käfige befanden. Und es gab eine kleine Bühne, die wie eine Zunge in den Raum hineinragte. Alles wirkte sehr elegant und durchdacht.

Der VIP-Bereich lag im oberen Geschoss und war von unten nicht einsehbar, da die Scheiben verspiegelt waren. Andersherum soll der Ausblick aber ganz fantastisch sein. Behauptete Emmett zumindest. Und der musste es wissen.

Er hatte mir auch erzählt, dass vor Mitternacht meist nur normale Gogos tanzten, später dann aber auch gestrippt wurde. Jedenfalls im unteren Bereich. Mit genug Kohle konnte man das als VIP auch eher und um einiges privater haben. Und auch alles andere, was man sonst so begehrte. Je nach den persönlichen Vorlieben des gut zahlenden Gastes.

Meine Aufgabe bestand darin, zusammen mit Emmett im Tanzbereich für Ordnung zu sorgen.

Das hieß, den Zugang zum VIP-Bereich, der wie eine Art Brücke quer durch den Raum ging, zu bewachen, obwohl dieser noch mal extra abgesichert wurde und nur registrierte Gäste hoch gelassen wurden. Zusätzlich musste ich darauf achten, dass niemand die Tänzer angrabschte oder mit ihnen in Richtung der Toiletten verschwand. Und natürlich bei Raufereien dazwischen zu gehen. Diese aber am Besten im Keim zu ersticken.

Also im Großen und Ganzen nicht so viel anders, als mein bisheriger Job.

Babysitten...

Ich hatte den beiden meine gefakte Lebensgeschichte eines Ausreißers aus dem Waisenhaus erzählt und sie schienen es mir ohne Probleme abzukaufen. Im Gegenzug hatten sie mir ihre aufgetischt. Jasper ging aufs College und finanzierte sich als Bartender sein Studium. Welches jetzt bereits fünf Jahre andauerte. Emmett musste vor Jahren, aufgrund einer Verletzung, seine Karriere als erfolgreicher Quarterback an den Nagel hängen und war durch einen Kumpel vor vier Jahren hier gelandet.

Beide machten nicht den Eindruck, als würden sie in illegale Geschäfte verwickelt sein. Sicher wussten sie, was hier abging, aber sie waren kleine Fische, die mich nicht interessierten.

Gut so, denn ehrlich gesagt mochte ich die Beiden auf Anhieb, auch wenn ihre Art zu Leben ganz und gar nicht meinen Vorstellungen entsprach. Aber es konnte ja nicht jeder ein so behütetes Leben wie ich führen.

Die Beiden erwähnten auch mit keinem Wort meinen Kreuzanhänger, obwohl sie ihn beim Sparring gesehen hatten. Aber in diesen Kreisen war es ja nicht unüblich, an Gott und die Waffe in der Hand zu glauben.

Wohnen würde ich in einer WG mit ihnen, die sich praktischer Weise oberhalb des Boxclubs befand. Es war nicht gerade das, was ich gewohnt war, aber sauber und ordentlich. Jeder hatte ein Zimmer für sich, aber es gab leider nur ein Bad und eine offenen Küche mit anschließendem Wohnzimmer. Und es war ja für mich eh nur eine temporäre Sache. Also würde es gehen.

Als Emmett mir die Wohnung zeigte, war sein erster Kommentar „Wenn du Mädels mit her bringst, gefickt wird nur in deinem Zimmer, ich hab keinen Bock gebrauchte Kondome aus den Sofaritzen zu puhlen“. Ich zuckte bei dem F-Wort kurz zusammen, nickte aber dann und sagte nichts weiter dazu. Sie würden es wohl eh nicht erleben, dass ich jemanden mit her brachte. Allerdings würde ich mich wohl auf den umgekehrten Fall gefasst machen müssen. Aber dann könnte ich ja immer noch die Wohnung verlassen, je nachdem, wie oft das bei den Beiden vorkam.

Für die Arbeit im Club wurde uns Kleidung gestellt. Ein schwarzes, mir viel zu enges Shirt, mit dem Logo des Clubs und den braunen Augen vom Eingangsschild und dazu eine weiße hüftige Jeans.

Es war Sonntag und die Jungs hatten mich schon vorgewarnt, dass es heute wie immer voll werden würde.

Auf dem Weg in den Club hatten sie mir gleich noch die zwei Türsteher, James und Laurent, vorgestellt. Beides ziemlich schmierige Typen, die garantiert Dreck am Stecken hatten. Dieser James musterte mich direkt auch ziemlich geringschätzig, aber ich ließ mich nicht einschüchtern.

Nachdem wir unsere Drinks ausgetrunken hatten, band sich Jasper eine Schürze um. „Die Mädels sind bestimmt schon hinten, was?“, murmelte er dabei und klang ein wenig enttäuscht.

„Meinst du?“, erwiderte Emmett, der sich auf dem Tresen abstütze. „Dann werde ich mit Edward mal nach hinten gehen und ihn ordnungsgemäß vorstellen.“ Er zwinkerte mir zu und Jasper verdrehte die Augen.

„Alter Spanner.“

Emmett kicherte, bedeute mir mit einem Kopfnicken ihm zu folgen und erhob sich. Gemächlich schlenderte er in Richtung Aufgang zum VIP-Bereich. Direkt daneben befand sich eine Tür, die durch einen Zahlencode gesichert war.

Dahinter erstreckte sich ein schummrig erleuchteter Flur, von dem mindestens zehn Türen abgingen. Auch schien es eine Art Notausgang zu geben.

„Da hinten kommst du in den Innenhof“, informierte mich Emmett. „Aber außer Ratten und Müll ist da nicht viel zu sehen.“ Er ging an der ersten Tür vorbei und klopfte an der zweiten. „Seid ihr schon angezogen?“, fragte er mit einer Singsangstimme.

„Als ob dich stören würde, wenn es nicht der Fall wäre, McCarthy“, hörte ich eine weibliche Stimme durch die Tür und mein Begleiter grinste. „Komm rein!“

Mit einem Zwinkern öffnete er die Tür und schlüpfte hinein. Ich war mir ein wenig unsicher, ob ich ihm folgen sollte. „Manno, ihr seid ja wirklich schon fertig mit umziehen“, maulte er. Dann war eine Sekunde Ruhe und er steckte den Kopf durch die Tür. „Sag mal, bist du da draußen angewachsen?“, fragte er. „Komm endlich rein, sonst bekommen die Mädels noch Frostbeulen!“

Zögerlich trat ich durch die Tür und war einen Moment lang von der hellen Beleuchtung und dem vielen Glitzer wie geblendet.

Ich befand mich in einem großen Ankleideraum. Sehr typisch für Frauen in diesem Milieu. Es gab zwei beleuchtete Schminktische und an den restlichen Wänden Schränke. Zusätzlich standen noch rollbare Kleiderstangen herum, die förmlich überzuquellen schienen. Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass in diesem Raum mehr Klamotten waren, als meine Frau in ihrem bisherigen Leben besessen hatte. Wenn man annahm, dass sie diese Fummel, die wohl mehr zeigten als verbargen, überhaupt tragen würde, was mit Sicherheit NICHT der Fall war.

Mitten im geordneten Chaos standen zwei junge Frauen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können und musterten mich neugierig.

Die kleinere, schmalere der Beiden hatte dunkles, glattes Haar, was ihr bis über die Schultern reichte. Sie hatte feine Gesichtszüge, was ihrem ganzen Erscheinungsbild etwas Kindliches und Elfenhaftes verliehen.

Die zweite war eine klassische Schönheit. Lange, blonde Haare reichten ihr in sanften Wellen bis an die Hüfte und sie hatte strahlend blaue Augen.

Die zwei waren wirklich hübsch. Und lächelten, als ich meinen Blick über sie schweifen ließ. Wobei ich es tunlichst vermied, alles außer ihrem Gesicht allzu genau zu betrachten. Denn zweifelsohne trugen sie nicht gerade sehr viel und ich wollte nicht indiskret sein.

„Mädels“, stellte Emmett mich vor. „Das ist der neue Rausschmeißer, Edward. Die beiden Grazien hier sind Alice“, er deutete auf die kleinere, „und Rosalie. Die beiden besten Tänzerinnen in diesem Schuppen. Manchmal ist es fast schade, dass sie nicht strippen.“ Für den letzten Satz bekam er von der Blonden einen kräftigen Schlag an den Hinterkopf. „Autsch…ist doch wahr…“

Tänzerinnen? Ohne Strippen? Gab es so was überhaupt? In einem Laden wie diesem?

Vorsichtig betrachtete ich ihr Outfit und stellte fest, dass sie wirklich nicht zu nuttig angezogen waren. Immer noch ziemlich aufreizend, aber sie zeigten nicht zu viel Haut. Das Paillettentop saß zwar eng, war aber nicht so tief dekolletiert, dass man den Bauchnabel sehen konnte. Die Hotpants schienen gerade so den Hintern zu bedecken. Das ganze wurde von kniehohen Stiefeln komplettiert. Für meinem Geschmack immer noch viel zu freizügig, aber in diesem Gewerbe sicherlich fast bieder.

Es erstaunte mich sowieso immer wieder, wie manche Frauen sich anzogen. Ich verstand einfach nicht, was Frauen dazu brachte, sich so den Männern zu präsentieren. Dieser Anblick der vielen nackten Haut sollte eigentlich allein den Ehemännern vorbehalten sein und nicht fremde Kerle unterhalten.

„Hi Edward“, quiekte die Kleinere munter los und fiel mir direkt um den Hals. „Ich bin Alice. Wir werden sicher gute Freunde werden. Mhmm. Du riechst gut. Lacoste?“ Sie löste sich von mir und sah mich fragend an.

Ich nickte. Zu mehr war ich nicht fähig. Zu sehr hatte mich ihr Überfall geschockt. Fast hätte ich reflexartig einen Schritt rückwärts gemacht, aber konnte mich gerade so zwingen, stehen zu bleiben, damit meine Tarnung nicht auffiel. Ich fragte mich, wie sie so einfach einen wildfremden Menschen umarmen konnte? Eine solch intime Geste hob man sich doch ausschließlich für seine Familie auf. Ich hatte in meinem Leben nur drei Frauen umarmt. Meine Großmutter, meine Mutter und meine Frau.

Und jetzt Alice.

Komischerweise hatte es sich nicht wirklich falsch angefühlt. Eigentlich hätte ihr ungefragtes Eindringen in meine Intimsphäre doch eine Art Abneigung auslösen müssen. Immerhin war sie eine halbnackte, völlig fremde Frau.

Aber eigentlich hatte es sich merkwürdiger Weise sogar gut angefühlt. Kurzzeitig hatte ich sogar das Verlangen gehabt, ihr einfach freundlich über den Rücken zu streichen.

Doch ich kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn auch Rosalie drückte mich nun ebenfalls ungefragt herzlich an sich. Das schien wohl bei ihnen völlig normal zu sein. Danach sah sie mich lächelnd an. „Freut mich wirklich, dich kennenzulernen.“

Mit einem gefakten Lächeln erwiderte ich ihre Begrüßung. Wie das Ganze wohl ausgesehen hätte, wenn sie alle wüssten, WAS ich wirklich war?

„Ist die Prinzessin eigentlich schon da?“, fragte Emmett plötzlich und ich sah ihn verwirrt an. Prinzessin? Wer war das wohl?

„Nein“, die Augen von Alice nahmen einen eigenartigen Ausdruck an, den ich nicht so ganz deuten konnte. „Jake und sie haben noch einen Termin. Sie kommen später nach.“

„Na gut“, seufzte Emmett. „Dann stelle ich ihr Ed eben später vor.“ Dann drehte er sich zu mir um. „Komm, ich zeig dir zum Schluss noch die Zweitligatänzer.“

Ich folgte ihm aus dem Raum und erwiderte dabei zögerlich das Winken der beiden Frauen. Irgendwie wirkten sie hier völlig fehl am Platze. Sie waren viel zu nett und natürlich für einen Laden wie diesen. In meiner beruflichen Laufbahn hatte ich schon mehrere Razzien in solchen Clubs mitgemacht und hatte schon zur Genüge das zweifelhafte Vergnügen gehabt, Tänzerinnen aller Art und Colour kennen zu lernen. Aber nicht eine hatte so eine natürliche Schönheit ausgestrahlt, wie Alice und Rosalie. Ich fragte mich wirklich, was sie veranlasste, hier zu arbeiten. Ob sie vielleicht dazu gezwungen waren, weil sie Geldsorgen hatten? Eventuell war es ja möglich, sie nach erfolgreichem Abschluss meines Auftrages hier, aus diesem Gewerbe rauszuholen, so dass sie ein normales Leben führen konnten.

Als nächstes stellte mir Emmett zwei russische Tänzer, namens Stefan und Vladimir, vor. Sie waren gerade dabei, sich gegenseitig einzuölen und waren definitiv homosexuell. Mein Vater hätte es keine drei Sekunden mit den Beiden in einem Raum ausgehalten, geschweige denn, ihnen die Hand gegeben. Aber ich hatte in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die meisten von ihnen ganz normale Typen waren. Und solange sie nicht versuchten, mich anzutatschen und sich nicht vor meinen Augen küssten, konnten sie machen, was sie wollten. Ihre Lebensweise widersprach zwar allen Grundsätzen meines Glaubens und der Kirche, aber ehrlich gesagt, hielt sich an diese christlichen Grundsätze sowieso kaum jemand. Leider, denn es würde für mehr Ruhe und Ordnung in der Welt sorgen. Aber man konnte ja niemanden zwingen.

Zuletzt lernte ich Tanya, Kate und Irina kennen. Das waren dann auch genau solche Frauen, wie ich sie in einem solchen Laden erwartete. Hübsch, aber unecht. Ihre Frisuren waren hoch aufgetürmte Kunstwerke und in ihren Gesichtern war außer viel Make Up nicht viel zu erkennen. Vom Rest ihres Körpers hielt ich meinen Blick wissentlich fern. DAS wollte ich mir nicht antun.

Als sie mir die Hand gaben, fühlte es sich so an, als hätte ich einen toten Fisch in der selbigen.

Eine der drei fing auch sofort an, mir eindeutige Avancen zu machen, die ich aber natürlich nicht erwiderte. Ich wusste allerdings auch gar nicht so richtig, wie ich mich verhalten sollte. Wenn mir sonst eine Frau zu nahe kam, hielt ich immer meinen Ringfinger in die Höhe, um ihr zu signalisieren, dass ich verheiratet war. Das schreckte die meisten dann ab. Oder meine Polizeimarke. Spätestens dann waren immer alle verschwunden.

Aber jetzt hatte ich nichts davon zur Verfügung.

Hilflos sah ich zu Emmett, der grinsend am Türrahmen lehnte. Er rettet mich dann aber doch noch, in dem er etwas von „Arbeit“ murmelte und mich einfach aus dem Zimmer zog.

„Lass lieber die Finger von denen“, warnte er mich auf dem Flur. „Die drei sind Stammgäste im VIP Bereich. Und tun alles für Geld. Wer weiß, wie viele Kerle schon über die drüber gerutscht sind. Ohne Kondom geht hier zwar eigentlich nichts, weil Aro keine Krankheiten bei seinen Mädels haben will, aber mit genug Schotter wird auch das bei denen kein Thema sein.“

„Ich dachte, es gibt keine Prostitution in dem Laden hier“, erwiderte ich gespielt blauäugig.

Er legte mir seine Hand auf die Schulter. „Du musst noch viel lernen, Junge. Mit Geld geht alles. Wenn, dann passiert es eh im VIP-Bereich, wo die große Kohle ziemlich locker sitzt. Und wer will uns schon was nachweisen? Die Kunden hier haben ja keinen Quittungsblock bei sich. Und gezahlt wird eh an der Tür. In BAR. Aber wer weiß“, kicherte er. „Bei den dreien kann ich mir lebhaft vorstellen, dass es ihnen sogar gefällt, ständig für jemanden anders die Beine breit zu machen.“ Dann seufzte er plötzlich und blickte gedankenverloren auf eine der Türen. „Gibt aber auch Ausnahmen hier.“ Seine Stimme war jetzt so leise, dass ich ihn fast nicht hören konnte. „Aber komm jetzt, wir haben zu tun“, setzte er etwas lauter hinzu und ging zurück in den Clubbereich.




Vier Stunden später brummte der Laden, genau wie erwartet. Die Gäste drängten sich an der Bar und um die Bühne. Auch alle Tische waren besetzt. Jasper und die armen Mädels kamen kaum nach, alle durstigen Gäste schnell zu bedienen, bevor sie ungeduldig wurden.

Emmett stand nun am Aufgang zur VIP-Lounge, während ich schräg gegenüber an der Wand lehnte, so dass ich einen Teil der Plattformen und die Bar gut im Blick hatte. Soweit das in dem Gedrängel möglich war. Aber ich kam klar.

Bisher war außerdem nicht wirklich was für uns zu tun gewesen. Bei den meisten anwesenden Jungs, richtige Männer waren es noch lange nicht, die auf die hirnverbrannte Idee kamen, eines der Mädels antatschen zu wollen, genügte ein böser Blick und sie zogen sich zurück. Gut so.

Mit verschränkten Armen lehnte ich meinen Kopf an den kalten Beton und beobachtete mein Umfeld.

Alice und Rosalie standen gerade auf zwei Plattformen und tanzten nahezu synchron zur Musik. Und ich musste zugeben, dass es wirklich gut aussah. Es war richtiges Tanzen, kein dummes Wackeln mit dem Hintern. Und sie zogen sich wirklich nicht aus. Erstaunlich. Und den anwesenden Gästen schien es trotzdem zu gefallen.

Einige Mutige versuchten sogar, es nach zu tanzen. Was ziemlich amüsant für mich war, denn die schnellen Bewegungen waren gar nicht so leicht nachzumachen und sahen so meist wirklich einfach nur komisch aus.

Aus den Augenwinkeln nahm ich bei Emmett eine Bewegung wahr und drehte den Kopf, um ihn besser im Blick zu haben. Bis auf einen Typen, der mit zwei der beiden Zweitligatänzerinnen, wie Emmett sie so schön genannt hatte, nach oben gegangen war, hatte sich bei ihm noch nichts gerührt.

Jetzt stand ein großer, dunkelhaariger Kerl vor ihm, der ihn mit Handschlag begrüßte. Er hielt eine junge Frau im Arm, die sich von ihm löste und Emmett um den Hals fiel. Durch das flackernde Licht konnte ich leider außer langen, dunkelbraunen Haaren nichts erkennen. Aber Emmett schien die zwei zu kennen.

Die Beiden verschwanden in Richtung der Umkleideräume und ich wandte schnell den Blick ab, um nicht beim Starren ertappt zu werden.

Vielleicht war es diejenige gewesen, welche er vorhin als „Prinzessin“ bezeichnet hatte. Ob sie wohl auch eine der Tänzerinnen war? Und wenn ja, dann in der ersten oder zweiten Liga? Obwohl, eigentlich konnte mir das ja völlig egal sein.

„Na, alles okay“, brüllte mir plötzlich Alice ins Ohr und ich zuckte erschrocken zusammen. Alice stand neben mir und grinste triumphierend zu mir hoch.

„Alice, komm, Bella ist endlich da!“, rief ihr Rose über die Musik hinweg zu. Sie stand ein paar Meter von mir entfernt und wartete wohl ungeduldig auf sie.

„Ich weiß“, rief sie zurück. „Hab sie gesehen. Und du auch.“ Den letzten Teil hatte sie mir nur leise zugeflüstert, anschließend hatte sie mir zugezwinkert und war in Richtung Rosalie verschwunden.

Bella? War das der Name des braunhaarigen Mädchens? Anscheinend...

Irritiert starrte ich ihr hinterher, aber sie war schon nicht mehr zu sehen.

Als nächstes begaben sich die beiden Tänzer auf die Podeste. Ihr stark sexuell angehauchter Tanz kam vor allem bei den Besucherinnen des Clubs gut an. Ich dagegen wandte lieber den Blick ab. Solche Bewegungen gehörten nicht hier her, sondern sollten lediglich dem Ehepartner vorbehalten sein und zuhause unter der Bettdecke stattfinden. Dazu würde ich meine Meinung auch so schnell nicht ändern.

Plötzlich hielt mir jemand ein volles Glas vor die Nase und riss mich unsanft aus meinen Grübeleien. Obwohl ich ehrlich gesagt, eine Ablenkung von diesen Fruchtbarkeitstänzen, gut gebrauchen konnte.

„Hier, was zum Abkühlen“, grinste Jasper und lehnte sich lässig neben mich an die Wand.

„Danke“, antwortete ich und leerte das Glas in einem Zug. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie durstig ich gewesen war.

Stefan und Vladimir verschwanden zum Glück bald wieder und die Spots richteten sich auf die schmale Bühne, die in den Tanzbereich hineinragte.

„Was passiert jetzt?“, fragte ich in Jaspers Richtung und gab ihm das leere Glas zurück.

„Es ist gleich Mitternacht“, sprach er mit dunkler Stimme und kicherte dann. „Jetzt kommt Bella, das wird dir bestimmt gefallen. Ich kenne sogar eigentlich niemanden, dem DAS nicht gefällt.“

Leise Musik ertönte nun und eine Frau in einem langen, schwarzen Cape betrat die Bühne. Ihr gesamter Körper war verhüllt, nur ihr Kopf war zu sehen.

Sie ging bis zur Mitte der Bühne und drehte sich dort, so dass sie in Richtung des Tanzbereiches stand. Ein einzelner Spot war auf sie gerichtet und ansonsten war der Raum nun in Dunkelheit getaucht.

Interessiert betrachtete ich nun ihr Gesicht, das im Spott des Scheinwerfers gut zu erkennen war und für einen Moment setzte mein Herzschlag aus. Noch nie hatte ich ein solch ebenmäßiges, hübsches Gesicht gesehen. Sie konnte einem von Botticellis Engeln Konkurrenz machen. Es war einfach nur perfekt. Ich konnte meinen Blick nicht von ihr lösen, zu gefangen war ich in den dunklen Augen, den roten Lippen und dem elfenbeinfarbenem Teint. Umrahmt wurde ihr zartes Gesicht von kleinen Löckchen ihrer dunklen Haare, die sie hochgesteckt hatte.

„Wow“, entfuhr es mir, ohne dass ich darüber nachdachte.

„Sag ich doch“, kam es lachend von Jasper und er stieß mich in die Seite. „Und das Beste kommt erst noch!“

Noch was Besseres? Was konnte es schöneres geben, als dieses engelsgleiche Gesicht?

Und vor allem, was machte ein solch zauberhaftes Geschöpf in einem Laden wie diesem? Sie würde doch nicht etwa…Sie war doch nicht… ALLES nur nicht DAS!

Muse „Supermassive Black hole“

Die Antwort darauf ließ nicht lange auf sich warten. Ziemlich laute, bassgeschwängerte Musik setzte ein und sie begann im Takt zu laufen. Das Cape landete nach drei Schritten auf der Bühne und die Menge begann zu Johlen.

Heilige Maria, Mutter Gottes....

Sie trug ein eng anliegendes Nadelstreifenminikleidchen, was ihre Figur perfekt betonte. Aber leider auch nicht wirklich viel bedeckte. Dazu kniehohe Stiefel und ellenbogenlange Handschuhe. Es war ziemlich gewagt, wirkte aber trotzdem elegant.

Sie lief bis zum Ende der Bühne, blieb dort stehen und begann ihren Körper schlangenartig zu der Musik zu bewegen.

Und ich schaffte es einfach nicht, meinen Blick von ihr zu lösen. Sonst sah ich mir so etwas nie an, aber ihr Anblick wirkte wie ein Magnet auf mich. Ich konnte nicht wegsehen, so wie es der Anstand eigentlich jetzt gebot.

Als der Gesang einsetzte, strich sie mit ihren Händen an den Außenseiten ihrer Brüste hinab bis an ihre Hüfte. Dann strich sie wieder nach oben, legte ihre Hände auf ihre Brüste und ging langsam in die Hocke.

Unwillkürlich durchschoss mich ein Schauer. Ich versuchte mich zu zwingen, nicht hinzusehen, aber ich hing wie ein hypnotisiertes Kaninchen an ihrer zierlichen Gestalt.

Langsam spreizte sie ihre Oberschenkel, so dass man den weißen Slip, den sie darunter trug, sehen konnte. Dann ließ sie sich nach vorne auf alle Viere gleiten, krabbelte einen Meter rückwärts, bevor sie sich mit einer anmutigen Drehbewegung aufrichtete.

Auf dem Weg in den hinteren Teil der Bühne zog sie sich langsam die Handschuhe aus und ließ sie fallen. Kurz vor Ende des Laufganges blieb sie stehen, bewegte ihren Po im Takt hin und her, während sie das Kleid öffnete und sich mit einem Ruck vom Körper riss. Darunter trug sie eine weiße Spitzenkombination.

Jesus Maria, dieser Engel war wirklich sündig gekleidet. Und noch immer hing mein Blick wie gebannt an ihrem spärlich bekleideten Körper. Ich wollte wegsehen, wirklich, aber konnte es nicht.

Meine ganze Vernunft zusammen nehmend versuchte ich es ernsthaft, aber scheiterte kläglich.

Einen Moment lang tanzte sie mit dem Rücken zur Menge, ehe sie sich rumdrehte und dabei den Haarknoten löste. Mit schwungvollen Schritten lief sie wieder nach vorne, wo jetzt eine Stange aus dem Boden geschossen kam und sich mit einem satten „Klack“ in der Decke verankerte.

Mittlerweile starrte ich sie wohl schon mit offenem Mund an und nahm nur am Rande wahr, dass Jasper neben mir kicherte. Ich allerdings hatte ein ganz anderes Problem. Ein ziemlich unangenehmes und peinliches.

Denn ich hatte eine Erektion.

HIER.

Vor Jasper.

Vor allen Besuchern im Club.

Und vor Gott.

Wegen einer fremden Frau.

Lieber Herrgott, vergib mir.

Und konnte mir nicht einmal genau erklären, warum eigentlich. Nur weil diese Bella da oben tanzte?

Obwohl ich angestrengt versuchte, an etwas anderes zu denken und innerlich in Dauerschleife ein kleines Gebet betete, wurde es nicht besser.

Herr, zeige mir die Möglichkeiten,
die Dinge zu verändern, die ich verändern kann,

und gib mir die Kraft,
die Dinge zu ertragen, die ich nicht ändern kann,

und gib mir die Weisheit,
eines vom anderen zu unterscheiden.

Das war so... peinlich!

Ich hoffe bloß, dass es niemand bemerkte...

Mein erster Abend hier und dann gleich so was! Würde mein Vater etwa doch Recht behalten? Oder war sie vielleicht eine weitere Prüfung, die mir Gott auferlegte? Ob ich ihr widerstehen konnte? Meine körperlichen Reaktion unter Kontrolle bringen konnte?
Ich musste es einfach weiter versuchen.

Denn, dass mich ihr Anblick erregte, hieß ja nicht, dass ich mit ihr schlafen wollte. Also irgendwie schon. Also wenigstens ein Teil von mir. Denn sie sprach mich ja offensichtlich körperlich gesehen an. Aber ich musste es ja nicht tun. Mein Geist und mein fester Glaube würden über meine unvorhergesehenen Körperreaktionen siegen.

Jawohl, ich muss nur weiter fest glauben.

Kurzzeitig schaffte ich es, den Blick von Bella, die inzwischen an der Stange ziemlich akrobatisch tanzte, während die Menge „Ausziehen“ brüllte, zu nehmen. Kurz schloss ich die Augen und küsste mein Kreuz, während ich versuchte, mich weiterhin zu konzentrieren.

Die Erektion ebbte langsam etwas ab, war aber nicht vollständig verschwunden.

Als ich den Blick wieder hob, fiel mir sofort ein Kerl ins Auge, der nervös neben der Bühne stand. Für meinen Geschmack zu nervös und zu nah dran. Ich blickte zu Emmett und sah, dass er den Typen ebenfalls an visierte. Wir tauschten einen kurzen, aber alles sagenden Blick.

Kurzentschlossen löste ich mich von meinem Standpunkt und schlängelte mich durch die Menge in Richtung Bühne, Emmett tat es mir gleich.

Und tatsächlich, kurz bevor ich den Kerl erreichte, griff er nach Bellas Bein. Sie verlor das Gleichgewicht und durch den Schwung, den sie durch ihre Bewegung hatte, flog sie von der Bühne. Im hohen Bogen und direkt in meine Arme. Emmett schnappte sich währenddessen den Typen und beförderte ihn ziemlich unsanft Richtung Ausgang.

Ich hielt Bella fest mit meinen Armen und trug sie sofort zu der Tür, die zum Umkleidebereich führte.

Sie war ziemlich leicht und ein Geruch nach Erdbeeren umnebelte meine Sinne.

Ich betete im Stillen weiter. Lieber Herrgott, gib mir die Kraft zu widerstehen…

„Verdammter Wichser“, grummelte sie gegen meine Brust. „So eine Arschkrampe, hoffentlich poliert ihm Emmett ordentlich die Fresse.“

Was war DAS? Meine Ohren klingelten von diesen ganzen vulgären Profanitäten, die sie von sich gab.

Wie konnten nur aus ihrem Mund, dessen Stimme so engelsgleich klang, solche schmutzigen Worte kommen? Ich war völlig entsetzt.

Vor der Tür stand der große Kerl, mit dem sie vorhin gekommen war und nahm sie mir direkt ab.

„Bells, ist alles okay? Hat der Ficker dir wehgetan?“ Er ließ seinen Blick prüfend über sie gleiten.

Ich automatisch auch. Allerdings bereute ich es sofort. Denn erstens meldete sich meine Erektion wieder verstärkt zu Wort und zweitens wurde mir schlagartig wieder bewusst, dass sie ja fast nackt war. Und alle Körperstellen, die ich gerade eben berührt hatte, waren unbedeckt gewesen.

Schlagartig begannen meine Arme an den Stellen, wo ich sie berührt hatte, vor Erregung zu kribbeln.

Denn aus der Nähe betrachtet war die Unterwäsche, die sie trug, noch sündhafter als aus der Ferne. Sie verbarg eigentlich gar nichts. Ich konnte die Farbe ihrer Brustwarzen erkennen und sehen, dass ihr Venushügel glatt rasiert war.

Schluckend schaute ich wieder zu ihrem Gesicht hoch und hoffte, dass sie mich nicht beim Starren erwischt hatte. Aber sie murmelte gerade was von „Gott sei Dank, sind die Stilettos heil geblieben“, ehe sie sich dann doch abrupt zu mir wandte.

„Du bist der Neue, oder?“, grinste sie mich an und hielt mir ihre Hand hin. „Ich bin Bella, der Arsch hinter mir heißt Jake.“

„Ed...Edward“, murmelte ich stotternd, schüttelte ihre Hand und sah erstaunt, wie sie mit der anderen Hand Jake abwehrte, der versuchte, sie in die Brust zu kneifen und dabei „Ich geb’ dir gleich Arsch“ knurrte.

Plötzlich hing auch sie mir um den Hals und presste ihren halbnackten Körper eng an meinen. „Danke“, hauchte sie in mein Ohr und küsste mich auf die Wange. Angespannt hielt ich die Luft an, bis sie sich wieder von mir löste.

Machten DAS eigentlich ALLE hier so?

Und so fest, wie sie sich an mich gedrückt hatte, war ihr mein „kleines“ Problem bestimmt auch nicht entgangen.

„Kei...kein Problem“, erwiderte ich und sah sie schüchtern an. Ich hatte sogar den Eindruck, als würde ich etwas rot werden. Was war nur mit mir los?

Sie biss sich auf die Unterlippe, warf einen wissenden Blick in Richtung meiner Hose und zwinkerte mir zu, ehe sie mit Jake in Richtung der Umkleiden verschwand.

Mit unsicheren Schritten lief ich zurück an meinen Platz.

Was war das gewesen? Warum regierte ich, oder viel mehr ein Teil von mir, so heftig auf sie? Bisher hatte ich damit nie Probleme gehabt. Ich hatte schon Prostituierte verhört, die sich nackt an mir reiben wollten, ohne dadurch Probleme zu bekommen. Und bei Bella reichte alleine schon der Anblick aus, um mich so zu erregen. Gott vergib mir, aber DAS schaffte noch nicht mal Victoria jedes Mal. Und sie war meine Frau und DA war es schließlich meine eheliche Pflicht.

Frustriert wischte ich mir mit der Hand durch mein Gesicht.

Morgen früh würde ich als erstes eine Kirche aufsuchen. Ich brauchte dringend einen klaren Kopf.

Den restlichen Abend traten weder Bella, Rosalie oder Alice noch mal auf. Was gut und schlecht war. Gut für meine Selbstkontrolle, aber schlecht, da ich wirklich gerne noch mal ihr hübsches Gesicht gesehen hätte. Natürlich nur das.

Nur Tanya, Kate und Irina hatten noch mehrere Auftritte, die mich aber allesamt kalt ließen. Bei den Dreien war meine Reaktion wieder wie üblich. Es gab keine. Ich konnte ohne Probleme wegsehen, auch wenn ich den Eindruck nicht loswurde, dass die Rotblonde mich ständig fixierte. Ich ignorierte sie einfach.

Gegen drei Uhr morgens war fast nichts mehr los und Emmett kam grinsend auf mich zu. „Komm, der VIP-Bereich ist leer. Ich zeig dir mal eben kurz die Räumlichkeiten.“ Mit beschwingtem Schritt lief er die Treppe hoch und über die Brücke. Ich folgte ihm auf dem Fuße.

Der VIP-Bereich bestand aus mehreren Separées, die alle sehr ähnlich eingerichtet waren. Couch, Sessel und ein Tisch. Die Couch stand meist unter den Fenstern, die einen wirklich guten Blick auf den Club boten. In keinem der Räume brannte Licht, so dass nur das diffuse, intervallartige Licht des Clubs gedämpft hinein geworfen wurde.

Ich trat an eines der Fenster und ließ meinen Blick schweifen. Von hier oben konnte man die Tänzer bestimmt auch gut sehen.

„Viel Kerle stehen drauf, den Stripperinnen zuzusehen, während sie hier oben vögeln oder einen blow job genießen“, tönte plötzlich Emmett dumpf. Ich sah mich kurz um, konnte ihn aber nicht sehen. Wahrscheinlich war er raus auf den Flur getreten. Als ich mich gerade ebenfalls zum Gehen wenden wollte, hörte ich ein Geräusch hinter mir und wurde unsanft an den Schultern zurückgerissen.

„Schön hiergeblieben“, brummte mein Begleiter und ich landete unsanft auf einer Art Stuhl. Dann wurden meine Arme hart nach hinten gezogen und ich hörte ein vertrautes metallisches Klicken.

Handschellen....

Oh du lieber Gott, meine Tarnung…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen