37 on top of the world – down in the dumps
Eine halbe Stunde später war alles bereit für unsere spontane, kleine Hochzeitsfeier. Eigentlich wäre schon nach zwanzig Minuten alles bereit gewesen, aber Emmett bestand auf einen offiziellen Touch.
Aus diesem Grund hatte er jetzt also einen Zylinder auf dem Kopf und ich eine Krawatte um. Er hätte noch gerne Blumen und irgendwas Hübsches für Bella gehabt, aber das hatte Schwester Babette ihm ausgeredet. Sie hatte ihm erklärt, dass sie den Doktor nicht länger vom Krankenzimmer fernhalten könnte und wenn er dann erst bemerkte, was hier vor sich ging, würde uns alle dann sicherlich hochkant rauswerfen.
Folglich mussten wir uns ein wenig sputen.
Jasper hatte vorher noch Rosalie rauf geholt, wegen der Formalitäten. Nur Jenny durfte leider nicht mit hoch, so lange Bella auf der Intensivstation lag. Aber Rose hatte Bella ein Foto gezeigt, welches sie mit ihrem Handy, nur wenige Minuten vorher, aufgenommen hatte.
Die Beiden verstanden sich, wie von mir erhofft, auf Anhieb. Vermutlich lag es daran, dass die Zwei einen ähnlichen Charakter hatten, der irgendwas von ‚mit dem Kopf durch die Wand, auch wenn die Tür daneben offensteht’ hatte.
Für die offizielle Trauung stellten wir das Kopfteil des Krankenbettes in eine etwas steilere Position, so dass Bella halb aufrecht darin lag und etwas sehen konnte. Ich hatte auf dem Stuhl neben ihrem Bett Platz genommen.
Rosalie hatte sogar auf die Schnelle ein paar einfache Ringe besorgt. Ungefähr ein Dutzend, denn sie kannte ja unsere Ringgrößen nicht.
Emmett stellte sich mit ernstem Gesicht ans Bettende und räusperte sich lautstark, um unsere Aufmerksamkeit zu erlangen. Die hatte er natürlich sofort.
„Liebe Anwesende“, sprach er mit sonorer Stimme. „Wir haben uns hier zusammengefunden, um meinen kleinen Bruder mit seiner heißen Freundin zu vermählen.“
Das Kissen, welches neben Rose auf der Couch gelegen hatte, flog sofort an seinen Kopf und er sah irritiert zu ihr herüber.
„Ich bitte darum, solche Angriffe auf meine Person während der Zeremonie zu unterlassen. Für Versöhnungssex stehe ich natürlich später gerne wieder persönlich zur Verfügung“, brummte er mit todernster Miene.
Rosalie verdrehte daraufhin die Augen und Bella kicherte leise. Ich nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf.
„Dem Brautpaar ist es nicht gestattet, vor dem Ende der Zeremonie mit dem Austausch sämtlicher Körperflüssigkeiten zu beginnen“, er zog eine Augenbraue hoch und blickte uns böse an. „DIE fünf Minuten werdet ihr ja wohl noch haben, oder?“
„Wenn du hier nicht so rum eiern würdest, wären wir schon längst fertig…“, kam es leise von Jasper.
„Hat denn hier jeder was zu meckern?“, grummelte Emmett jetzt und fuhr dann aber fort. „Also weiter im Text.“, er räusperte sich. „Isabella Marie Swan, willst Du, den hier anwesenden Edward Anthony Cullen, zu Deinem angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren, auf jeden schießen, der ihm etwas tun will und Deinem Schwager beibringen, wie man aus fünfundzwanzig Metern Entfernung einen Stecknadelkopf trifft? Dann antworte bitte mit Ja…“
Bella nickte lächelnd. „Ja, ich will.“ Dann drückte sie meinen Hand und ich lächelte ihr zu.
„Und Du, Edward Antony Cullen, willst Du, die hier anwesende Isabella Marie Swan, zu Deiner angetrauten Ehefrau nehmen, sie lieben und ehren, sich von ihr beschützen lassen und immer brav ihre Waffe polieren? Dann antworte ebenfalls mit Ja…“
„Ja, ich will“, sagte ich laut und blickte lächelnd zu Bella.
„Dann erkläre ich Euch, dank des mir vom Staate Illinois übertragenen Amtes, unter Bezeugung von Rosalie Cullen und Jasper Whitlock, zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“
Auf diesen Satz hatte ich nur gewartet. Sanft umfasste ich Bellas Gesicht und begann sie zärtlich zu küssen.
Noch nie im Leben hatte sich etwas so richtig angefühlt, wie in diesem Augenblick. Es war, als würde es Klick machen und alles passen. Ich hatte gerade die Frau geheiratet, die ich über alles liebte, wir hatten eine wundervolle Tochter...
Natürlich war die Situation im Moment vertrackt, aber ich schwebte so auf meiner Wolke, dass ich mir für einen kurzen Moment einbilden wollte, dass alles gut werden würde. Wir zwei zusammen könnten alles überstehen. Alles würde gut werden. Irgendwie.
Ich beendete den Kuss, als Emmett wie wild anfing, sich zu räuspern. „Ich hab da was vergessen“, murmelte er sichtlich verlegen. „Rose, gib mir mal bitte die Ringe rüber.“ Dann trat er auf uns zu und nahm die Schachtel, die ihm Rose entgegen hielt. „Also, ihr könnt noch ein nettes Sprüchlein aufsagen beim Ring aufstecken. Wenn ihr wollt, so was wie 'Eene Meene Muh, mein bist jetzt du' oder so.“ Grinsend hielt er uns die Schachtel entgegen und ich nahm mit zittrigen Fingern den kleineren Ring heraus.
Vorsichtig nahm ich ihre Hand in meine und sah sie an.
Mehr als bislang wurde mir klar, wie sehr ich sie liebte. Sie hatte mein Leben komplett auf den Kopf gestellt, aber noch nie im Leben war ich so glücklich gewesen, wie in ihrer Nähe.
Zumal ich bisher nie so wirklich an die eine große Liebe geglaubt hatte. Kleinere Verliebtheiten, ja. Aber das es einen so vollkommen mit Haut und Haaren erwischen konnte, dass man sein bisheriges Leben komplett hinter sich lassen wollte, nur um bei einer Person zu sein... das hätte ich niemals für möglich gehalten.
Und doch saß ich hier, in diesem verkackten Krankenhaus und heiratete gerade die Liebe meines Lebens, nur, um sie überhaupt sehen zu können. Ich hätte sie sicherlich auch so irgendwann einmal gefragt, ob sie meine Frau werden will. Natürlich unter besseren Umständen als hier. Oder aber, sie hätte mich einfach nach Vegas geschleift.
„Bella“, begann ich zögerlich. „Seit du in mein Leben getreten, oder vielmehr geplatzt, bist, hattest du neben mir auch mein Herz in deiner Gewalt. Nur brauchtest du das nicht zu fesseln, es wird immer freiwillig bei dir bleiben.“ Irgendjemand schniefte hinter mir, und ich musste mich nicht herumdrehen um zu wissen, dass es Jasper war. „Ich gebe dir, mit diesem Ring, das Versprechen, dich ewig zu lieben, immer hinter dir zu stehen und dir zu folgen, egal wohin du gehen solltest. Jenny und du seid jetzt meine Familie. Ihr seid jetzt mein Leben.“
Langsam und feierlich schob ich ihr den Ring auf ihren schmalen Finger.
Ein unglaubliches Glücksgefühl durchströmte mich.
Sie war mein.
Offiziell und für immer.
Bella griff an mir vorbei und nahm sich den anderen Ring. Dann legte sie eine Hand an meine Wange und sah mir tief in die Augen.
„Baby, du weißt, ich liebe dich. Und ich bin so unendlich dankbar, dass ich dich gefunden habe. Ich hätte nie gedacht, dass es in meinem Leben jemanden wie dich geben könnte. Schon, als ich dich auf den Fotos und Videos sah, habe ich mein Herz an dich verloren. Ich wollte es nicht wahr haben, denn in meinen Kreisen ist Liebe ein Schwachpunkt. Immer wieder habe ich mir einzureden versucht, dass ich dich bloß sexuell anziehend finden würde. Ich dachte, wenn wir ein paarmal ficken würden, wäre es gegessen. So wie es bisher immer gewesen war.“
Emmett verschluckte sich hinter mir und fing dann an zu Husten, während irgendjemand – vermutlich Rosalie - ihm kräftig auf den Rücken klopfte.
„Aber als Felix dich verletzt hatte“, sie schloss kurz die Augen, und ich bekam Phantomschmerzen alleine durch die Erinnerung, „da wurde mir klar, dass es mehr ist. Dass ich mich verliebt hatte, in jemanden, den ich nicht lieben durfte. Einen Menschen, der etwas Besseres verdient hatte als mich..“
Ich wollte widersprechen, aber sie legte mir die Finger auf den Mund.
„Ich wollte dich nie mit in meine Welt hinein ziehen, versuchte dir zu widerstehen, machte mir immer und immer wieder klar, dass ich nicht gut genug für dich war. Vergeblich versuchte ich, meine Gefühle für dich zu unterdrücken. Was mir nicht immer gelang. An dem Abend hätte ich Felix wirklich am liebsten eine Kugel in den Kopf gejagt, weil er dir wehgetan hat. Aber es hätte mich verraten. Du warst ja niemand wichtiges. Nur eine Geisel.“ Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Aber du bist so viel mehr.“
Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihr Herz. Durch die ganzen Verbände und Apparaturen konnte ich ihre Haut nicht spüren, aber ich verstand die Geste.
„Auch du bist jetzt mein Leben“, sagte sie leise. „In den letzten Monaten habe ich viel nachgedacht, wie das mit uns funktionieren soll. Manchmal war ich kurz davor, mit Sally und Jake nach Europa zu gehen, damit du dein Leben in Ruhe ohne mich weiterführen kannst. Aber allein der Gedanke daran, dich zu verlieren, war einfach unerträglich für mich.“
Vorsichtig nahm sie meine Hand herunter und schob den Ring an seinen Platz. „Ich kann nicht mehr ohne dich sein.“ Dann beugte sie sich vor und küsste mich erneut. Und wenn ich mich nicht ganz täuschte, dann hatte sie sogar eine Träne im Auge. Ich kam allerdings nicht dazu, nochmal genauer nachzusehen, da ich plötzlich von Emmett kräftig gedrückt wurde, während Rosalie Bella umarmte. Natürlich kam dann auch noch Jasper dazu, der mein Hemd mit seinen Tränen halb durchnässte.
Altes Weichei... wenn er irgendwann mal Alice heiraten würde, könnte es durchaus passieren, dass er vor lauter Tränen kein Wort herausbekommen würde. Am besten wir malten ihm dann vorher ein Schild mit 'Ja, ich will' drauf, dass er dann im Falle eines Falles hochhalten konnte.
Kurz nach Beendigung der Trauung kam tatsächlich der Doktor rein und wollte uns, wie Babette es vorausgesagt hatte, rauswerfen. Im ersten Moment ließ er sich auch nicht wirklich davon beeindrucken, als wir ihm mitteilten, dass Bella jetzt meine Frau war. Doch als ihm Rosalie, mit einem wirklich heftigen Grinsen im Gesicht, die Papiere zeigte, auf denen wir vor seinen Augen noch schnell unterschrieben, wurde er plötzlich ganz bleich.
Allerdings mussten wir dann trotzdem erst mal raus, da Bella dringend Ruhe brauchte und die Ärzte sie eingehend untersuchen wollten.
Ich ging solange hinunter zu Jenny. Aufgrund von Bellas Verletzungen und den vielen Medikamenten, die sie deswegen bekommen musste, hatte Babette uns empfohlen, Jenny nicht zu stillen. Zumal es Bella auch einfach körperlich zu viel Kraft rauben würde. Und es durch die frischen Wunden vermutlich auch schmerzhaft wäre. Bella war zwar nicht begeistert gewesen, hatte es aber eingesehen.
Schade irgendwie, ich hatte gehofft, so wenigstens ein bisschen nackte Brust zu Gesicht zu bekommen.
Aber so war ich der erste, der Jenny ein Fläschchen gab und sie baden durfte. Was mich unheimlich stolz machte. Emmett filmte natürlich das Ganze mit der Digitalkamera, die Alice auf die Schnelle besorgt hatte, damit wir es später Bella zeigen konnten.
Am liebsten wäre ich die ganze Zeit mit der Kleinen auf dem Arm herumgelaufen und hätte jedem unter die Nase gerieben, dass sie mein Kind war. Ich war so verdammt stolz auf dieses kleine Wesen, was für mich einfach nur ein kleines Wunder war. Die Vorstellung, dass so etwas Wunderbares aus einer so winzigen Eizelle und einem noch winzigerem Spermium entstanden war... ging einfach nicht in meinen Kopf. Sie war so ... perfekt.
Als sie schlafen sollte, setzte mich Rosalie auf einen Stuhl, ließ mich mein Shirt ausziehen und legte sie auf meine nackte Brust. Danach legte sie noch eine weiche Decke um uns.
Ehrfürchtig betrachtete ich Jenny beim Schlafen, saugte ihr Erscheinung in mich auf. Strich ihr über das flaumige Köpfchen, die kleine Stirn, die süße Stupsnase. Sie hatte mein Herz im Sturm erobert, aber das war vermutlich normal.
Aber irgendwann kam eine Schwester und meinte, dass sie jetzt ins Kinderzimmer gebracht werden müsste, die Besuchszeit wäre jetzt vorbei. Und wenn ich nochmal zu meiner Frau wollte, müsste ich mich auch beeilen.
Nur widerwillig gab ich mein Baby her. Esme, Alice, Rosalie und Emmett waren schon nach Hause gefahren. Jasper war bei mir und Jenny geblieben und hatte mich schon gefragt, ob er ihr Patenonkel werden dürfte. Anscheinend hatte ich nicht als einziger mein Herz an sie verloren.
Zusammen gingen wir noch einmal zu Bella hoch, aber er blieb draußen auf dem Flur stehen und kam nicht mit hinein. Er wollte uns vermutlich noch ein paar Minuten alleine gönnen.
Vorsichtig trat ich ein. Bella lag im Bett und sah nachdenklich aus dem Fenster.
„Hey Schatz“, begrüßte ich sie leise. „Wie geht es dir?“
Langsam wandte sie den Kopf und lächelte mich halbherzig an. Erschrocken setzte ich mich auf ihre Bettkante und strich ihr über den Kopf. Ihr Gesichtsausdruck hatte etwas Beunruhigendes. Ich konnte nicht genau sagen wieso, aber irgendwas war nicht in Ordnung.
Müsste sie denn jetzt nicht eigentlich fröhlich sein? Also wenigstens ein bisschen? Sie war immerhin Mutter geworden und frisch verheiratet noch dazu...
„Ist... ist alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig und nahm ihre Hand. Sie fühlte sich eiskalt an.
„Nur der Babyblues…“, murmelte sie entschuldigend. „Der Hormonsturz kann einen ganz schön umhauen, sagt Babette.“
„Emmett hat Bilder von Jenny gemacht“, entgegnete ich leise und deutete auf die Kamera in meiner Hand.
Bella atmete tief ein, schloss die Augen und schüttelte leicht den Kopf. „Morgen Edward, ich sehe sie mir morgen an. Ich bin jetzt so furchtbar müde.“
„Okay“, antwortete ich. „Ich muss sowieso raus, die Besuchszeit ist zu Ende. Aber ich komme morgen früh sofort wieder.“ Zärtlich küsste ich sie auf den Mund und erhob mich dann, um zur Tür zu gehen.
„Edward“, rief sie hinter mir her, als ich die Klinke in die Hand nahm und ich drehte mich nochmal zu ihr herum. „Ich liebe dich. Ich werde dich immer lieben, vergiss das nie.“, sagte sie eindringlich mit eigenartig belegter Stimme.
„Ich dich auch“, flüsterte ich und schickte ihr einen Luftkuss zu. „Bis morgen.“
In dieser Nacht schlief ich schlecht, da ich mir Gedanken über Bellas merkwürdiges Verhalten machte. Esme hatte mir zwar versichert, dass es ganz normal wäre, wenn eine Mutter kurz nach der Geburt etwas depressiv wirken würde, aber ich hatte trotzdem ein ungutes Gefühl. Es hatte sich irgendwie bedrohlicher angefühlt.
Was sich noch extrem verstärkte, als ich am nächsten Morgen ins Krankenhaus hetzte und ihr behandelnder Arzt mir sanftmütig lächelnd entgegen kam und mich, für ein kurzes Gespräch, in sein Büro bat.
„Mister Cullen“, begann er, nachdem ich mich gesetzt hatte. „Ich habe leider eine schlechte Nachricht für sie.“ Er machte eine kleine Pause und mein Herz blieb fast stehen.
War etwa etwas mit Jenny?
„Es tut mir wirklich sehr leid, aber ihre Frau hatte heute Nacht eine Lungenembolie. Sie hat es leider nicht geschafft.“
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