Sonntag, 7. November 2010

DEJAVU - 32 - Phoenix

32 – Phoenix






Die ersten Minuten nachdem ich Edward verlassen hatte, durchlebte ich wie in Trance. Alles in mir war leer und taub. Dunkel erinnerte ich mich daran, dass ich Jake angerufen hatte. Er kam und holte mich ab und stellte erstmal keine Fragen.



Allerdings fuhr er mich nicht nach Hause, sondern an den Strand von La Push. Jake kannte mich schon seit vielen Jahren in und auswendig, er sah mir an der Nasenspitze an, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Dort stellte er den Motor ab und sah mich erwartungsvoll an.



„Ich finde wir sollten reden. Irgendwas stimmt nicht, ich sehe es dir an.“ Seine braunen Augen blickten mich intensiv an.



„Ich habe mich von Edward getrennt“, flüsterte ich leise.



Er riss vor Überraschung die Augen auf. „Du hast was? Was hat er getan? Ich prügele ihn windelweich, wenn ich den Drecksack in die Finger bekomme!“



Jake ballte die Fäuste und schlug gegen das Lenkrad.



„Jake, nicht...er hat nichts getan...“, versuchte ich ihn zu beruhigen.



Ich würde mich hüten, ihm zu erzählen, was Kate mir berichtet hatte. Erstens wollte ich es nicht an die große Glocke hängen...



Oh seht mal, da kommt die kleine Swan, armes Mädchen, wurde von Edward Cullen nur benutzt...



...und zweitens wusste ich, dass Jake ihn dann am liebsten umbringen würde. Und es kam gar nicht in Frage, dass er wegen mir vielleicht noch eine Anzeige wegen Körperverletzung riskierte. Außerdem würde ich ihm dann erzählen müssen, dass ich ihn als „Ausrede“ benutzt hatte.



„Aber warum hast du dich dann von ihm getrennt? Du warst doch so glücklich...und hast mir immer wieder gesagt, wie sehr du ihn liebst.. ich verstehe es einfach nicht!“ Er hatte sich abgeschnallt und wandte mir seinen Oberkörper zu.



„Ich hab einfach festgestellt, dass wir zwei aus verschiedenen Welten stammen...und dass es eben irgendwie nicht richtig passt...“



Das war nicht einmal komplett gelogen, also hoffte ich, das Jake nichts merkte.



Jake seufzte. „Und jetzt? Was willst du jetzt tun?“



Ich biss mir auf die Unterlippe und sah aus dem Fenster.



Tja...was wollte ich jetzt tun? Außer Edward vergessen...



„Ich fliege morgen zu meiner Mum nach Phoenix. Und werde wahrscheinlich den ganzen Sommer dableiben!“, sagte ich ruhig.



Es erstaunte mich selber, dass ich so ruhig war, aber irgendwie war alles in mir so...abgestumpft.



„Morgen?“, hakte Jake nach.



Ich nickte langsam.



„Was dagegen, wenn ich mitkomme?“, fragte er leise.



Erstaunt blickte ich zu ihm. „Du willst mitkommen?“



Er war zwar schon ein paar Mal mit bei Renée gewesen, aber dass er mich jetzt so spontan begleiten wollte, überraschte mich doch sehr.



„Ich hab’ noch eine Rechnung mit Pluto offen!“, sagte er grinsend.



Unwillkürlich musste ich lächeln. Vor ein paar Jahren waren wir in Disneyland gewesen und Jake war von einem Animateur im Plutokostüm angerempelt worden und hatte sich sein Trinken über das Shirt gekippt. Seitdem konnte er Pluto nicht mehr leiden.



Dann wurde sein Blick wieder ernst.



„Ehrlich gesagt, läuft es bei Leah und mir im Moment ziemlich beschissen. Ein bisschen Abstand würde mir da auch gut tun.“ Er blickte auf den Ozean und verengte die Augen.



„Okay“, erwiderte ich. Renée würde sicher nichts dagegen haben, sie liebte Jake abgöttisch.



„Wir zwei sind schon ein paar Spezialisten, was? Anscheinend haben wir beide kein gutes Händchen, was unsere Partnerwahl angeht.“ Er nahm meine Hand und drückte sie leicht.



Seufzend schnallte ich mich ab, rutschte dicht an ihn heran und legte meinen Kopf an seine Brust. Jake umarmte mich und küsste mich auf die Schläfe.



„Wenn es ganz schlimm wird, kann ich ja immer noch dich heiraten“, murmelte er grinsend.



„Mhm. Da musst du dich aber beeilen, ich glaube Seth wäre auch nicht abgeneigt“, nuschelte ich leise.



„Ich kenne dich schon viel länger!“, erwiderte er gespielt entrüstet und zog mich fest an sich.



„Aber mit Seth könnte ich wenigstens Kinder haben!“, gab ich zurück.



„Wieso kannst du mit mir keine haben?“, fragte er irritiert.



„Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mit dir schlafen könnte! Du bist mein Blutsbruder, das wäre doch sicherlich Inzest. Wir würden damit deine Ahnen erzürnen oder so was!“



„Stimmt. Daran hatte ich nicht gedacht. Schade eigentlich“, kicherte er.



„Was?! Wie... schade eigentlich? Black du willst doch nicht allen Ernstes behaupten, dass du dir vorstellen könntest, dass du und ich...“, mir versagte fast die Stimme.



„Ich hab dich schon mal nackt gesehen, war gar nicht so übel“, erwiderte er gelassen.



Ich schlug ihn mit der Hand auf den Oberschenkel. „Das ist fünf Jahre her! Da waren wir noch halbe Kinder!“



Jake lachte leise, sein ganzer Oberkörper vibrierte dadurch.



Es tat gut, hier mit Jake zu sitzen und rumzualbern. Er lenkte mich ab. Für einen kurzen Augenblick vergaß ich sogar diese leidliche Sache mit Edward.



Mein Herz zog sich jedes Mal schmerzhaft zusammen, wenn ich nur an ihn dachte.



Aber ich nahm mir vor, stark zu sein. Ich wollte nicht, dass irgendjemand – auch nicht Jake - sah, wie ich litt.



Ich würde ihm zeigen, dass ich auch ohne ihn klarkam. Er durfte nie erfahren, dass ich wusste, dass er mich nur benutzt hatte. Ob Kate schweigen würde, wusste ich nicht, aber im Notfall würde ich es einfach abstreiten. Aber ich glaubte kaum, dass sie ihm davon erzählen würde.



Wir saßen noch eine Weile da und starrten einfach auf den Ozean.



Mein Handy hatte ich nach dem Anruf bei Jake ausgeschaltet, Alice würde bestimmt versuchen mich zu erreichen, aber ich konnte mit ihr darüber einfach nicht sprechen.



Ich war regelrecht froh, dass ich sie für eine Weile nicht sehen musste. So sehr ich sie auch liebte, er war nun mal ihr verdammter Bruder!



---





Die erste Nacht nach der Trennung war furchtbar. Alpträume verfolgten mich die ganze Nacht.



Edward und Tanya... wie sie sich küssten... wie sie dann mit dem Finger auf mich zeigten und laut lachten...



Als ich am nächsten Tag mit Jake im Flieger saß, fiel mir ein Stein von Herzen. Mit jeder Meile, die sich zwischen mich und Edward schob, stieg meine Laune ein ganz kleines bisschen. Dass Jake es irgendwie geschafft hatte, einen Platz direkt neben mir zu ergattern, tat sein Übriges. Er erzählte mir die ganze Zeit den neuesten Tratsch aus La Push.



Meine Mutter hatte – wie zu erwarten war – nichts dagegen, dass Jake mich begleitete. Und Charlie fand es sogar ausgesprochen gut, vermutlich sah er in ihm eine Art Beschützer für sein kleines Mädchen.



Jake schlief bei mir mit im Zimmer, in meinem Bett. Renée schien das nicht zu stören. Ich hatte ihr von Edward erzählt, auch von der Tatsache, dass wir uns getrennt hatten. Sie hatte mich verständnisvoll angesehen und hatte mir versucht mit Sprüchen wie ‚Andere Mütter haben auch schöne Kinder’ wieder Mut zu machen. Ihr Optimismus war durch nichts zu bremsen.



In den ersten drei Wochen unternahmen wir jeden Tag etwas anderes. Wir besuchten das Dodge Theatre, das Phoenix Art Museum, oder gingen shoppen in der Mall.



An manchen Tagen schaffte ich es tatsächlich, mal für ein paar Stunden nicht an Edward zu denken. Aber dann sah ich jemanden mit seiner Statur, einer ähnlichen Haarfarbe, oder hörte jemanden seinen Namen rufen. Jedesmal zuckte ich zusammen, und der Schmerz schien mich kurzzeitig zu überwältigen. Jake blickt mich jedes Mal skeptisch an, sagte aber nichts weiter, sondern nahm mich einfach in den Arm und strich mir beruhigend über den Rücken.



Manchmal war es so schlimm, dass ich in Tränen ausbrach. Auch diese trocknete er ohne jeglichen Kommentar. Ich wusste wirklich nicht, wie ich diese Zeit ohne ihn überstanden hätte.



Nach zwei Wochen schaltete ich mein Handy mal wieder ein. Knapp 50 verpasste Anrufe von Alice. Und ungefähr ebenso viel SMS, deren Inhalt fast immer gleich lautete ‚Wo bist du? Ich mache mir Sorgen! Melde dich bitte!“. Nur das ‚Wo bist du?’ fiel ab der fünften SMS weg, wahrscheinlich hatte sie mit Charlie gesprochen.



Ich schickte ihr eine SMS mit ‚Ich melde mich, wenn ich wieder da bin’ und schaltete das Handy wieder aus.



Nach vier Wochen flog Jake zurück nach Forks. Seine Schwestern waren zu Besuch gekommen, und er wollte sie gerne sehen. Außerdem hatte er stundenlang mit Leah telefoniert, und die beiden hatten beschlossen, es noch mal miteinander zu versuchen.



Wenigstens einer der vielleicht glücklich wurde...



Der Abschied von ihm war sehr tränenreich. Ich heulte ihm sein ganzes Shirt nass, so dass er sich auf dem Flughafen ein Neues aus der Tasche holen musste. Da er sich mitten im Wartebereich umzog hatten wir gleich die Aufmerksamkeit sämtlicher umstehender Mädchen erregt. Oder besser gesagt, er hatte erregt, er und sein Oberkörper. Wobei ich automatisch seinen Oberkörper mit Edwards verglich. Jake hatte mehr Muskeln und einen richtigen Waschbrettbauch, aber Edwards Bauchmuskelansatz gefiel mir irgendwie besser.



Scheiße!



Er ließ sich einfach nicht aus meinem Kopf verbannen. Ich versuchte ihn so gut es ging zu hassen, was auch teilweise klappte, da ich so dermaßen wütend war, aber manchmal... Manchmal holte mich all die Liebe, die ich zweifellos tief in mir immer noch empfand ein. Es gab leider keinen Schalter, den ich umlegen konnte, um mich zu ‚entlieben’.



Und ich vermisste ihn. Sehr sogar.



Seine wunderschönen grünen Augen.



Seinen unnachahmlichen wilden Haarschopf, die roten Reflexe, welche die Sonne darin zauberte.



Sein Lachen.



Seine Küsse.



Seine Berührungen.



Alles in mir sehnte sich nach ihm, trotz der Wut die ich ihm gegenüber empfand.



Es gab immer noch eine leise Stimme in mir die zweifelte, die von seiner Aufrichtigkeit überzeugt war. Die nicht wahrhaben wollte, dass er mit mir gespielt hatte.



Aber ich ärgerte mich auch über mich selbst. Das ich ihm so leicht verfallen war. Warum hatte ich nicht mehr auf meine innere Stimme gehört, die mir immer wieder gesagt hatte, dass er es nicht ernst meinen konnte.



Allerdings macht Liebe eben blind. Und ich liebte ihn...so sehr. Immer noch. Und ich hatte die Befürchtung, dass sich das sobald nicht ändern würde.



Kurzzeitig überlegte ich bei Mum die Schule zu beenden. Verwarf diesen Gedanken aber wieder. Denn dann hätte er ja gewonnen. Er würde wissen, dass ich vor ihm flüchtete, und diese Genugtuung wollte ich ihm nicht geben.



Die letzten vier Wochen überstand ich auch – irgendwie. Ich verschanzte mich mit Büchern, tauchte so tief in die Fantasiewelten ein, dass ich kurzzeitig die Realität verdrängen konnte. Doch irgendwann hieß es Abschied von Phoenix nehmen und zurück nach Forks....



---



Ich blickte aus dem Fenster des Flugzeuges. Die karge Landschaft um Phoenix war dem üppigen Grün der Olympic Halbinsel gewichen.



Ich seufzte.



In zehn Minuten würden wir landen.



Ich kam heim – nach zwei Monaten selbst auferlegter Abstinenz.



Es war das richtige. Es war das Richtige.



Ich wiederholte mein Mantra, welches mich die letzten Wochen begleitet hatte.



Es wäre nicht gut gegangen. Es war besser so. Du hast dir damit Kummer erspart.



Ich versuchte daran zu glauben. In Phoenix – weit weg von allem – war es mir ganz gut gelungen. Aber jeder Schritt weiter Richtung Forks, schnürte mir die Kehle zusammen.



Morgen ging die Schule wieder los.



Bei dem Gedanken ihn wiederzusehen spürte ich einen Schmerz in der Brust.



Es war das richtige. Es war das Richtige.



Ich musste einfach daran glauben, denn von dem was ich getan hatte gab es kein Zurück.



Es war unwiderruflich.



Es war das Ende.

























„I will always love you“ das Original von Dolly Parton
http://www.youtube.com/watch?v=DMmYqRvSRS8&feature=related





If I should stay,
I would only be in your way,
So I'll go, but I know
I'll think of you each step of the way.
And I will always love you;
I will always love you.

Bittersweet memories --
That’s all I am taking with me.
Goodbye. Please, don't cry;
We both know that I'm not what you need.
And I will always love you;
I will always love you.

I hope life treats you kind,
And I hope you ... you have all that you ever dreamed of,
And I wish you joy and happiness,
But above all this, I wish you love;
And I will always love you;
I will always love you;
I will always love you.

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