Sally Pov – für meine allerbeste Sally
„Merde…“, fluchte ich, als Seth sich plötzlich an mir vorbei drängte und auf Bella zu lief. Sie hatte Sam doch extra gesagt, er solle ihn auf jeden Fall bei sich behalten, aber anscheinend hatte das keinen der Beiden interessiert. Typisch Kerle.
Währenddessen lief Seth leichtfüßig auf sein Frauchen zu, die natürlich sein Näherkommen bemerkt hatte und schon ihre Hand ausstreckte, um ihm zärtlich über den Kopf zu fahren.
Plötzlich machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit, denn Seth blieb nicht bei ihr stehen, sondern lief schwanzwedelnd auf diesen Polizisten zu, der bei uns undercover eingeschleust gewesen war. Ich hätte ihn so auf Anhieb gar nicht erkannt, da ich ihn nur von Bildern her kannte, aber wenn Bella so freudig auf jemanden der Cops regierte, konnte es sich eigentlich nur um ihn handeln. Ich meinte mich an den Namen Jazz oder so ähnlich zu erinnern.
Doch kurz bevor der Hund ihn erreichte, peitschte ein Schuss durch den Raum und Seth fiel getroffen zu Boden. So wie es aussah, hatte es ihn an der Schulter erwischt. Im nächsten Moment hatte auch schon Bella ihre Waffe gezogen und den Scheiß-Bullen, der irgendwelchen entschuldigenden Müll laberte, erledigt.
Tja, es hieß ja nicht umsonst: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Allerdings schoss nun ein anderer Cop auf Bella, während sie durch den verletzten Seth abgelenkt war. Das alles passierte leider viel zu schnell, so dass ich gar nicht reagieren konnte. Ich konnte nur ohnmächtig zusehen, wie das Unmögliche passierte.
Und eine Sekunde schien die Welt still zu stehen, ehe sie sich mit rasender Geschwindigkeit weiterdrehte.
Jake brüllte laut auf, während Bellas lebloser Körper, dieu merci, von dem Undercover-Bullen aufgefangen wurde. Gute Reflexe der Kleine. Er beugte sich dann sofort schützend über sie, um ihren Körper vor den weiteren Schüssen abzuschirmen. In diesem Moment verstand ich, was Bella an ihm so besonders fand. Obwohl sie eigentlich Todfeinde hätten sein sollten, beschütze er sie ohne zu zögern sogar mit seinem Leben. Dafür stand ich tief in seiner Schuld.
Während ich ein paar Bullen erledigte, die das Feuer auf uns eröffnet hatten, kümmerte sich Jake um den Typen, der seine Schwester angeschossen hatte. Obwohl er vor Wut fast überschäumte, schaffte er es tatsächlich, ihn mit einem Messer zu erwischen. Präzise und tödlich.
Dann aber rastete er total aus. Wollte zu Bella, ohne nachzudenken, dass auch er dabei getroffen werden könnte. Sam versuchte, ihn an den Armen festzuhalten, aber er wehrte sich wie ein Wilder und schrie nach seiner „Hantaywee“. Tränen liefen dabei über sein Gesicht. Ich konnte nicht sagen, ob aus Wut oder Schmerz. Wahrscheinlich war es ein bisschen von beidem.
Schnell steckte ich meine Waffe wieder ein, stellt mich vor ihn und legte meine Hände beruhigend an seine Wangen. „Jake, Du kannst jetzt nicht zu i'r. Du könntest selber getroffen werden. Bleib ‘ier!“
„Ich muss aber zu ihr, sie ist verletzt…“. Ich schüttelte den Kopf. „Non, Du könntest selber getroffen werden und das nützt i'r dann gar nichts.“
In diesem Augenblick verstummten abrupt die Schüsse und ich wand verwundert den Kopf, um nach dem Grund zu schauen.
Der Undercover-Bulle war mittlerweile mit Bella im Arm aufgestanden und ging auf den Ausgang zu. Seine Kollegen wollten ihn wohl anscheinend nicht aus Versehen erschießen. Wie nett von ihnen.
„Sie’st du?!“, sagte ich an Jake gewandt. „Er bringt sie in ein Krankenhaus. ‘ier können wir i'r eh nicht ‘elfen.“
Er nickte mit grimmiger Miene und Sam ließ ihn los. Doch schon im nächsten Moment sprintete er an mir vorbei. Aber er lief nicht, wie ich sofort vermutete hatte, Bella hinterher, sondern rannte auf den, immer noch am Boden liegenden, verletzten Seth zu. Die Bullen waren abgelenkt, so dass sie es erst bemerkten, als er ihn schon auf seinem Arm hatte und den Rückweg antrat.
Ohne zu zögern zückte ich meine Waffe wieder und erledigte jeden Bullen, der es wagte, nur seinen Waffenlauf in Richtung Jake zu bewegen. Ich würde es nicht zulassen, dass ihn mir jemand wegnahm. War schon schlimm genug, dass sie vor meinen Augen meine Kleine angeschossen hatten. Wir würden uns später Gedanken machen müssen, wie wir sie wieder aus dem Krankenhaus herausholen konnten. Aber erst mal hieß es, heil hier heraus zu kommen.
Doch kurz bevor Jake die Deckung erreichte, erwischte ihn trotzdem eines dieser Arschlöcher mit einem gezielten Schuss am Bein und er taumelte die letzten zwei Schritte auf mich zu.
Sam nahm ihm sofort Seth ab und er ließ sich fluchend auf den Boden fallen. Seine Arterie war getroffen und das Blut kam schwallweise aus seiner Wunde. Putain! Er würde innerhalb von ein paar Minuten verbluten, wenn ich nichts dagegen unternahm. Unsere Ärztin war ja gerade selber außer Gefecht gesetzt, so dass ich im Moment nur auf mein weniges medizinisches Wissen zurückgreifen konnte.
Rasch zog ich meine Jacke aus und presste sie fest auf die Wunde, während ich weiter überlegte. Wir mussten hier schnellstens raus und zu irgendeinem Arzt. Ein Krankenhaus wäre zu gefährlich, aber irgendein Allgemeinmediziner müsste das eigentlich auch hinkriegen. Wenn wir eine kleine Praxis stürmten, wäre das vielleicht weniger auffällig, als mit gezückten Waffen in eine Notaufnahme zu laufen.
„Du musst durch’alten“, murmelte ich, während ich versuchte, seinen Gürtel aus der Hosen zu ziehen, um ihm damit eine Druck-Kompresse anzulegen.
„Geh Sally“, flüsterte er und drehte meinen Kopf in seine Richtung. „Hier“, er reichte mir Bellas Waffe, die er sich anscheinend geschnappt hatte, als er Seth geholte hatte. „Nimm dir Sam und rette Seth. Im Keller gibt es einen kleinen Durchgang, er führt zu einem Gang unter der Straße. Du landest in einem Hinterhof. Dort könnt ihr dann ein Auto knacken und verschwinden.“
„Eine Fluchtmöglichkeit? Warum ‘aben wir die nicht vor’in genutzt?“
„Vorhin war es zu spät ungesehen raus zu kommen. Einer hätte sich opfern müssen...“, presste er mit zusammengepressten Zähnen hervor. „Aber jetzt kann ich sie solange ablenken und ihr könnt verschwinden.“
„Isch geh‘e nicht ohne Disch!“, erwiderte ich kopfschüttelnd.
„Sally…“, knurrte er. „Seth muss dringend zum Doc. Hol seine Blutkonserven, die Bella gebunkert hat und kidnapp‘ irgendeinen Tierarzt…“
„Isch geh’e nicht ohne Disch“, beharrte ich weiter. Ich würde ihn doch nicht hier verletzt zurücklassen. Schlimm genug, dass ich nicht wusste, wie es um Bella stand, aber ihn zurückzulassen würde mir das Herz brechen.
„Das war keine Bitte! Das war ein verdammter Befehl! Und nun schwing deinen hübschen Hintern hier raus!“, wütend funkelte er mich an.
Tränen sammelten sich in meinen Augen. Bella war vielleicht tot. Jake sollte ich angeschossen zurücklassen, und bei Seth war auch noch nicht klar, ob er überhaupt zu retten war…. Wie war dieser Tag nur so dermaßen aus dem Ruder gelaufen? Warum waren diese Scheiß-Bullen überhaupt hier aufgetaucht? Das war doch ohne Tipp eigentlich gar nicht denkbar…
„Je t’aime mon amant…“, flüsterte ich leise und strich Jake sanft über die Wange.
„Dito“, presste er mühsam hervor. „Und nun geh!“
Ich küsste ihn kurz auf die Lippen und verschwand dann nach hinten. Sam stand, den wimmernden Seth auf dem Arm, unschlüssig herum. Die verbliebenen Geiseln sahen ängstlich zu uns.
„Wir müssen sofort in den Keller“, zischte ich Sam zu und schnappte mir den dicken Kerl mit der Kochmütze, der zitternd in der Ecke saß. „ ‘abt ihr ‘ier einen Lastenaufzug?“
Er nickte und zeigte mit zitternden Fingern auf den Nebenraum. So, wie er roch, hatte er sich gerade in die Hosen gemacht. Könnte daran liegen, dass ich wütend, blutverschmiert und bewaffnet vor ihm stand. Oder daran, dass er einfach ein Hosenscheißer war. Ich seufzte…
Ich deutete Sam an, rasch hinüber zu gehen. In der Ecke gab es tatsächlich einen kleinen Aufzug, vermutlich um Lieferungen nach oben zu holen.
„Zulässiges Gesamtgewicht 150 Kilogramm“, kam es von Sam. „Das wird knapp.“
„Wir wollen doch e‘ nur runter“, erwiderte ich achselzuckend, öffnete die Schiebetür und kroch hinein. Sam schob den Hund hinter mir her und kletterte ebenfalls hinein. Dann drückte er den Abwärtsknopf und zog schnell seinen Arm zurück.
Ich strich beruhigend über das Fell von Seth. Es war warm und ich konnte Atembewegungen ausmachen. Dieu merci...
Im Keller fanden wir recht schnell den Weg und waren fünf Minuten später in einem Hinterhof, wo ein paar Jungs an alten Autos rumschraubten. Von der Aktion gegenüber, hatte sie, dank der lauten Musik die sie hörten, nichts mitbekommen.
Zu unserem Glück stand aber in einer Ecke ein neuerer, abgedunkelter T5. Ich bedeutete Sam, stehen zu bleiben und zog meine Bluse aus, so dass ich nur noch ein enges Top trug und lief, die Waffe hinter dem Rücken versteckt, auf die Jungs zu.
„‘allo“, flötete ich, als die Musik eine Pause machte und stellte mich neben eines der Autos.
Ein junger Latino rollte darunter hervor und sah mich verwirrt an. „Du gibst mir jetzt den Schlüssel für den T5 da ‘inten“, kam ich gleich zum Punkt, denn ich wollte so schnell wie möglich von hier weg. Sonst kam ich vielleicht doch noch auf den Gedanken, Jake da raus zu holen. Oder es wenigstens zu versuchen.
„Wer sagt das?“, fragte er verwirrt. Langsam stellte ich ein Bein so über ihn, dass ich nun breitbeinig über ihm stand. Irgendeiner seiner Kumpel drehte endlich die Musik leiser.
„Isch sag‘e das“, erwiderte ich lächelnd, während er sich erwartungsvoll über die Lippen leckte. Dann beugte ich mich vor, zog schnell Bellas Waffe hervor, entsicherte sie und drückte sie auf seinen erigierten besten Freund, der schlagartig zum Schlappschwanz mutierte.
„Und mein bester Freund ‘ier. Isch ‘ab noch achtze‘n Schuss im Magazin. Soll isch mal runterzä'len?!“
Er schluckte, riss die Augen auf und schrie irgendwas auf Spanisch über den Hof. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie ein Typ versuchte, sich von hinten zu nähern. Von Sam ertönte ein kurzer Pfiff, um mich vor ihm zu warnen. Mit der linken Hand griff ich nach hinten, holte meine eigene Waffe aus dem Hosenbund und hielt sie den zweiten Scheißer entsichert unter die Nase.
„Da sind bloß noch drei Schuss drin, aber um das Gesicht von Deinem Freund zu zermatschen, reich‘t es noch.“
Waschlappen Nummer Eins brüllte wieder was und Nummer Zwei verschwand mit erhobenen Händen, um gleich wieder mit einem Schlüssel in der Hand aufzutauchen. Sam stand plötzlich vor ihm und nahm ihm den Schlüssel ab. Dann brachte er Seth sicher ins Auto und stieg selber ein. Mit laufenden Motor und offener Beifahrertür hielt er hinter mir.
Zum Abschied tätschelte ich dem Typen die Wange und schlüpfte ins Auto. Sam fuhr sofort los.
Tatsächlich schafften wir es ohne Probleme, an den Bullen vorbei. Unsere Flucht hatte bisher noch niemand bemerkt.
Ich wies Sam an, zu einem unserer Verstecke zu fahren, um Blut für Seth zu holen, während ich mit meinem Handy versuchte, den nächsten Tierarzt ausfindig zu machen. Was zum Glück ein echtes Kinderspiel war.
Bereits zehn Minuten später stürzte ich mit gezogener Waffe in eine nah gelegene Tierarztpraxis.
„Wir wollten gerade schließen“, kam es von der Schwester, ohne dabei aufzusehen.
„Das ist mir e'rlich gesagt so was von egal“, antwortete ich. Genervt stöhnend sah sie dann doch auf und fing im nächsten Moment sofort an zu schreien, da sie direkt in den Lauf meiner Waffe blickte.
Frustriert massierte ich mir die Nasenwurzel. „Klappe 'alten, wir brauchen einen Arzt.“ Aber irgendwie schien die Dame Probleme zu haben, mich zu verstehen. Was auch kein Wunder war, bei ihrem Geschrei. Also löste ich kurzerhand ihr Problem, in dem ich ihr den Griff meiner Waffe über den Kopf zog, um sie ins Land der Träume zu schicken. Endlich Ruhe…sie hatte mit eh nicht geholfen.
Ohne Anzuklopfen ging ich rasch weiter in den nächstliegenden Behandlungsraum, wo ein junger Arzt saß und irgendetwas schrieb. Erschrocken sah er auf, als wir durch die Tür stürmten. „Ich... ich habe kaum Geld hier…“, begann er rum zu stottern.
„Wer 'at denn was von Geld gesagt“, murmelte ich und deutete mit meinem Waffenlauf nun auf den verletzten Seth, den Sam gerade auf den Behandlungstisch legte. „Er 'at eine Kugel gefangen, und isch 'offe sie bekommen das wieder hin. Aber viet viet…isch ‘abe nich’t ewig Zeit.“
„Eine Kugel? Aber wie…und warum…“, er riss die Augen auf.
„Ja, eine Kugel. Und jetzt keine weiteren Fragen…“, antwortete ich und hob drohend die Waffe. Sam holte derweil die Blutkonserven aus seinem Rucksack. „Wir 'aben zwei Konserevn für i'n, wird das reischen?“
„Sie haben Blut für ihren Hund? Sein eigenes?“ Der Typ schien wirklich schwer von Begriff zu sein.
„Qui“, knurrte ich. „Und jetzt mac'en sie 'in, isch will nischt, dass er stirbt.“ Ich richtete meine Waffe nun auf ihn und entsicherte sie mit einem deutlich vernehmbaren „Klick“. Vielleicht raffte er dann, dass das hier mein bitterer Ernst war. Schließlich hatte ich für diese Rettungsaktion meinen böse angeschossenen Geliebten allein gelassen.
„O…kay“, endlich erwachte er aus seiner Starre und zog sich Handschuhe über.
Eine halbe Stunde später, hatte ich wenigstens ein Problem gelöst. Die Kugel hatte zum Glück kein Organ getroffen und auch sein Schultergelenk knapp verfehlt. Er hatte zwar eine Menge Blut verloren, aber dank der Konserven stellte das kein Problem dar. In ein paar Wochen würde er wieder ganz der alte sein.
Den Doc ließ ich so präpariert in seiner Praxis zurück, dass er innerhalb der nächsten Stunden gefunden wurde. Das verschaffte uns den benötigten Vorsprung.
Blieben also nur noch Problem eins und zwei: Jake und Bella. Beide verletzt, beide auf sich gestellt. Merde….Ich wusste weder, wo die zwei sich aktuell befanden, noch wie es ihnen ging. Mir würde wohl nichts anderes übrig bleiben, als mich bei Aro zu melden, um ihnen wenigstens dort Rückendeckung zu geben.
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