Dienstag, 20. September 2011

SML - 56 - silence before the storm

56 silence before the storm


Mit einem dicken Kloß im Hals sah ich zwischen Bella und Jake hin und her. Beide grinsten sich wissend an, während Bella immer noch dabei war, ihre Waffen wieder zu verstauen.

Ihnen war also jetzt schon klar, oder zumindest FAST klar, wie sie Aro erledigen wollten. Und ich befand mich da in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite wollte ich natürlich unheimlich gern wissen, was die zwei da planten. Andererseits, wenn ich dieses leicht diabolische Lächeln in ihren Gesichtern sah, war es vermutlich besser für meinen Magen, wenn ich es nicht so schnell erfuhr. Denn irgendwie hatte ich plötzlich diese irre Szene aus „Hannibal“ vor Augen, nur dass es sich jetzt um Aro handelte, dessen Schädel da geöffnet wurde und Jake und Bella verspeisten genüsslich sein Hirn. Alleine der Gedanke daran ließ meinen sowieso schon sehr gestressten Magen endgültig kollabieren. Ein aufsteigendes Würgen unterdrückend, sah ich mich nach Ablenkung suchend im Raum um.

Doch mein Blick blieb an der übel zugerichteten Leiche von Caius hängen und ich musste mich wirklich sehr bemühen, den Brechreiz weiterhin zu bekämpfen. Um ihn herum hatte sich mittlerweile eine riesige Blutlache gebildet. Augenscheinlich hatte Bella ihm auch die Pulsadern aufgeschnitten und obwohl das Herz ja nicht mehr schlug, lief sein Blut langsam, aber stetig, über den kahlen Betonfußboden. Und aus den 'Verzierungen', die sie ihm post mortem am Oberkörper beigebracht hatte, gerannen bereits die feinen Blutspuren an den Einschnitten zu einem dunklen Rot

Soviel Blut. Alarmierend und noch immer ein wenig würgend blickte ich hoch und hielt sofort nach Jasper Ausschau. An den hatte Bella in ihrem Blutrausch sicher nicht mehr gedacht. Als ich ihn nicht entdecken konnte, sah ich hilfesuchend zu Ahab, der mit dem Kopf in Richtung einer Tür zeigte und sich dann auch selber dorthin in Bewegung setzte.

Ich nickte ihm zu und folgte ihm dann schweigend quer durch den Raum. Allerdings mit einem großem Sicherheitsabstand zur Leiche, denn so ganz einerlei war es mir nun auch nicht mehr. Bella bemerkte natürlich sofort mein Gehen und lächelte mich kurz an, und da ich Ahab folgte, hielt sie es anscheinend für sicher genug und wandte sich wieder Jake zu. Die zwei hatten wohl noch etwas Wichtiges zu besprechen.

Mit Grauen fiel mir ein, dass sich ja noch einige ungebetene Zuschauer des Massakers im Raum befanden, um die sich Bella ja nun auch noch kümmern musste. Würde sie die nun einfach töten? Wahrscheinlich. Obwohl die an sich ja nichts Direktes mit ihrer Rache zu tun hatten, sondern einfach nur ein paar Dealer waren, die zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Wobei es sicher um die nicht wirklich schade wäre, denn zu den Guten konnte man sie sicher nicht zählen. Es war wie ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite war es, gelinde gesagt, Abschaum, auf der anderen Seite ... auch nur Menschen.

Es war sicher ganz gut, dass ich nicht mitbekam, was genau mit ihnen geschah, aber ich glaubte zu wissen, was Bella tun würde. Tun musste. Es durfte hiervon keine Zeugen geben…

Innerhalb von ein paar Minuten erreichten Ahab und ich eine Ausgangstür und standen kurz darauf in der kühlen Nachtluft. Ahab hatte sicherheitshalber seine Waffe gezogen, bevor wir nach draußen gingen und checkte die Umgebung ab, während ich nach Jasper Ausschau hielt.

Und ich hatte Glück. Ein paar Meter neben der Tür lehnte er an der Wand. Ein Bein war angewinkelt und sein Kopf war zurückgelegt. Er hatte seine Augen geschlossen und atmete flach durch den Mund. Ihm musste es wirklich verdammt dreckig gehen.

„Alles okay bei dir?“, fragte ich also vorsichtig und näherte mich langsam. Ahab blieb ein Stückchen zurück. Sicher hielt er Ausschau, ob sich nicht doch noch jemand irgendwo versteckte.

Jasper rührte sich stöhnend. Er öffnete schlagartig die Augen und sah mich mit eigenartigem Blick an.

„Es geht“, murmelte er und holte tief Luft. Mit beiden Händen strich er sich über sein Gesicht, bevor er weitersprach. „Ich kann wirklich nicht begreifen, dass dir das alles augenscheinlich nichts ausmacht.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Blut hat mir noch nie viel ausgemacht.“ Dass mein Magen sich doch auch ziemlich eigenartig anfühlte, musste ich ihm ja nicht jetzt auf die Nase binden.

„Das allein meinte ich nicht“, er sah mich eindringlich an. „Ich meine das alles. Diese ganze Aktion hier. Ich habe in meinem Leben als Cop schon viel gesehen und erlebt. Ich will nicht sagen, dass so was Normalität für mich ist, das wird es nie, aber ich bin es doch wohl eher gewöhnt als du. Und jetzt breche ich fast zusammen und du bleibst cool. Schockt dich das denn gar nicht? Zu sehen, wie Bella jemanden umbringt? Langsam und mit Vorsatz? Und ich will auch nicht wissen, wie viele von denen heute noch ihr Leben gelassen haben. Gott sei Dank, hast du ja nicht alles von Anfang an mitbekommen. Du hast deinen Aufpasser vielleicht auch dafür, damit du nicht zu viel von dem Geschehen siehst. Eine Leiche reicht ja eigentlich auch schon.“

„Nun ja“, druckste ich herum, „eigentlich waren es schon mehr als der eine Tote, bei mir heute. Ahab hat auf dem Weg zu euch auch ein paar erledigt, die uns im Weg gestanden haben. Zehn oder so...“

„Dreizehn“, hörte ich hinter mir eine energische Stimme und Jaspers Augen wurden groß.

„Äh ja, dreizehn also…“, ich hüstelte nervös. „Und das mit Bella... tja irgendwie, keine Ahnung wie ich es sagen soll, aber... es sieht doch schon ganz schön heiß aus, wenn sie da so… kämpft.“

Entschuldigend lächelte ich mein Gegenüber an. Ich merkte ja selber, wie blöd sich das gerade anhörte. Aber mich törnte es nun mal an, wenn meine Frau sich mit jemandem prügelte. Das beschrieb meine Gefühle am ehesten, auch wenn mir jetzt mein Magen, beim Gedanken an all das vergossene Blut, ein wenig Probleme bereitete. Und den unumstößlichen Fakt, dass Bella ihn mitleidslos getötet hatte, ließ ich einfach mal unter den Tisch fallen. Irgendwie wollte das alles sowieso noch nicht so richtig in meinen Kopf. Obwohl ich die Leiche von Caius gesehen hatte, war es für mich immer noch unvorstellbar, dass sie ihn mit einem einzigen Schlag mal eben getötet hatte. Es war so unwirklich. So, als hätte ich es in einem Film gesehen und Caius wäre bloß ein Schauspieler, der jetzt wieder aufstehen und in die Maske gehen würde. Aber dem war nun mal nicht so. Darüber musste ich mir noch klar werden. Das wusste ich.

Jasper ließ wieder den Kopf hängen und schüttelte ihn langsam. „Du bist echt durchgeknallt, Alter, weißt Du das…“, stöhnte er leise. „Ich mach mir aber trotzdem ehrlich Gedanken, wie du wohl mit dem Schock umgehen wirst, wenn er dich einholt. Und das wird er früher oder später. Das tut er bei jedem. Was du wohl dann denken wirst. Ich habe schon befürchtet, dass du sofort Angst vor Bella bekommen könntest, aber anscheinend bist du ziemlich hartgesotten.“

„Er liebt sie eben“, kam es leise von der Seite und ich sah rüber zu Ahab, der sich ebenfalls neben Jazz an die Wand gelehnt hatte. „Da ist das normal. Und ein wenig unter Schock steht er sicherlich jetzt auch schon. Und es kann sein, dass da später noch was dazu kommt. Das war den meisten irgendwann so…“

Und er hatte leider Recht. Natürlich kam da noch was nach. An Schock, Zittern und Übelkeit. Allerdings erst, als wir wieder zu Hause waren. Was das einzig Gute an der Sache war, denn mir ging es wirklich beschissen.

Kaum hatte ich dort einen Fuß aus dem Auto gesetzt, traf es mich fast wie ein Vorschlaghammer. Auf einmal wurde mir speiübel und ich bekam rasende Kopfschmerzen. Bella brachte mich erst zur Toilette, wo ich mich mehrfach übergab und steckte mich dann ins Bett. An sie sich dort an mich angekuschelt hatte, versuchte ich den Schmerz in meinem Kopf und das ungute Gefühl in meinem Magen einfach zu ignorieren. Aber das gelang mir nicht ganz.

„Ich verstehe gar nicht, was auf einmal mit mir los ist“, nuschelte ich, peinlich berührt, gegen ihre Schulter und vergrub mein Gesicht in ihren duftenden Haaren.

„Du hattest einen Schock, Baby“, tröstete sie mich und strich mir langsam über den Kopf. „Dein Gehirn hat sich anfangs einfach geweigert, die ganze, schreckliche Situation richtig zu verarbeiten und zu begreifen... irgendwann wurde es dann zu viel, und dein Körper reagierte eben mit Kopfschmerzen und Übelkeit darauf. Das ist bei jedem ein wenig anders.“

„Also bin ich jetzt ein Schwächling?“, fragte ich bekümmert.

„Nein, natürlich nicht.“, sie lachte leise auf, ehe sie plötzlich wieder ernst wurde. „Im Gegenteil. Du bist so stark gewesen. Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass es dir jeden Moment zu viel werden würde. Ich habe Jake schon vorher Bescheid gesagt, dass er dich in dem Fall nach draußen bringen sollte“, ihre Finger strichen zart durch mein Haar und wenn mir das möglich wäre, hätte ich sicher geschnurrt, „und ich gebe zu, dass ich das wirklich erwartet habe. Ich meine, ich habe Caius ja nicht gerade aus Notwehr im Affekt getötet, sondern es stand von vornherein fest, wie er enden wird. .... Schreckt... schreckt dich das nicht irgendwie ab?“

„Nee“, nuschelte ich, „schließlich liebe ich dich doch!“ Meine Arme schlangen sich noch fester um ihren Oberkörper und ich zog sie an mich.

„Dann liebst du ein Monster“, antwortete sie leise.

„Quatsch“, erwiderte ich, „die Diskussion hatten wir doch schon einmal. Du bist kein Monster. Vor allem nicht für mich. Okay, du bist nicht ganz normal, das ist schon richtig, aber nur wegen dem, was dir seit frühster Kindheit angetan wurde. Sie haben dich dazu gemacht, was du jetzt bist. Haben versucht, dir deine Seele zu nehmen, dich zu einem gewissenlosen Werkzeug zu machen. Und trotz allem bist du tief drin immer noch ... du selbst geblieben. Ich weiß nicht, wie ich es genau ausdrücken soll, aber sie haben es nicht geschafft, deinen guten Kern zu zerstören. Genauso wie bei Jake.“

„Aber“, wand sie ein, „es hat mir Spaß gemacht, ihn zu töten.“ Langsam rutschte sie etwas herunter, so dass sie mir nun in die Augen sehen konnte. „Verstehst du? Es war wie ein Rausch, in dem ich mich befand. Ich habe Freude empfunden bei jedem einzelnen, den ich getötet habe. Und bei Caius ganz besonders. Ich hab mich gefühlt wie ein Kind an Weihnachten.“

Beschämt schloss sie die Augen. „Das...“

„Das ist eben das, was dir jahrelang eingetrichtert wurde“, unterbrach ich sie. „Du kannst nicht anders, denn dafür wurdest du trainiert. Es ist wie eine Prägung und sitzt tief. Du warst noch so jung und unschuldig, als sie begannen dich zu quasi darauf abzurichten. Du kannst nichts dafür, dass du so bist...“

„Aber vielleicht wird es dir irgendwann zu viel. Irgendwann hörst du vielleicht auf, mich zu lieben, weil ich dir einfach kein normales Leben bieten kann. Ich kann nicht morgens aufstehen, Frühstück machen, die Kinder zur Schule bringen und dann zur Arbeit fahren. Das.... das bin einfach nicht. Ich werde wahrscheinlich immer in diesem Milieu feststecken, mein Leben lang.“

Ich ergriff ihre Hand und hauchte einen Kuss darauf. Das Mittel, was Bella mir gegen mein Unwohlsein gegeben hatte, schien endlich anzuschlagen und ich fühlte mich erstaunlicherweise richtig gut. „Hast du gerade Kinder gesagt?“

„Ja“, antwortete sie sichtlich verwirrt, „aber was hat das damit zu tun, ob ...“

„Heißt das, du willst noch mehr Kinder von mir?“, ich ließ meinen Daumen auf ihrem Handrücken kreisen.

„Klar, aber...“

„Das ist guuut“, schnurrte ich und beugte mich vor, um zärtlich ihren Hals zu küssen.

„Edward“, kam es leise von ihr, „wir waren doch gerade mitten im Gespräch...“

„Scheiß auf eine erneute Diskussion“, hauchte ich und biss in ihr Ohrläppchen. „Ich liebe dich. Für immer. Ende der Diskussion.“ Dann ließ ich meine Zunge über ihre Ohrmuschel wandern. „Mhmmm, egal was du mir gegeben hast, es ist ganz toll.“

„Wie viele hast du genommen?“, fragte sie atemlos.

„Zwei“, antwortete ich und drehte sie um, so dass ich mich auf sie legen konnte.

„Eine hätte vollkommen ausgereicht“, kam es leise lachend von ihr.

„Sind irgendwelche Nebenwirkungen bekannt?“, hakte ich nach, während ich mit meinem Oberschenkel ihre Beine teilte und mich langsam an ihr zu reiben begann.

„Na ja, eigentlich nicht. Aber in Ausnahmefällen wirkt es wohl ... anregend“, antwortete sie und ließ ihren Kopf in die Kissen zurücksinken.

„Da du ja eh noch Kinder willst, ist das ja nicht schlimm, oder?“, fragte ich und küsste mich in Richtung ihres Mundes.

„Nicht wirklich“, seufzte sie und legte ihre Hände an meinen Hinterkopf. „Ganz im Gegenteil...“




Die nächsten Tage verliefen ein wenig ruhiger als sonst. Es wurde zwar weiterhin trainiert wie immer, aber irgendwie war trotzdem alles anders. Ich konnte es nicht richtig in Worte fassen. Es war, als ob etwas Kommendes in der Luft lag. Bella und Jake wirkten beide so angespannt, aber ich wusste nicht genau weswegen.

Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, dass es wegen der geplanten Aktion gegen Aro sein sollte, denn wegen Caius waren sie ja auch nicht so gewesen. Sicher, Aro war eine größere Nummer als er, aber eigentlich zeichnete sich Bella doch gerade dadurch aus, dass sie in Krisensituationen ruhig blieb.

Weswegen die beiden so unruhig waren, erfuhr ich dann doch schneller, als erwartet. Schon am nächsten Abend wurden alle zusammen getrommelt. Und im Endeffekt ärgerte ich mich, dass ich nicht von selber drauf gekommen war. Denn eigentlich war es nahe liegend. Es gab wirklich es nur eine Sache, um die sich die zwei gleichermaßen Sorgen machen konnten.

Sally.

„Wir haben ein Problem“, begann Bella sofort, als alle versammelt waren. „Nachdem sich Sally ein paar Tage gar nicht gemeldet hatte, hat sie uns jetzt das Notfall- Signal gegeben, dass wir sie dort raus holen sollen. Irgendwas ist schief gelaufen und wir müssen sofort handeln.“

„Und das heißt?“, fragte Jasper mit besorgtem Blick.

„Das heißt, dass wir morgen losziehen und sie holen“, antwortete Bella ohne Umschweife.

Während Jake und Ahab bereits vorfreudig grinsten, wurde Jaspers Blick immer besorgter. „Und DAS heißt?“

„Keine Panik, Jazz“, Bella grinste ihn beruhigend an, „Das ganze Szenario haben wir vorher Punkt für Punkt mit ihr abgestimmt. Aber wir müssen uns trotzdem auf Gegenwehr einstellen. Aro wird wissen, dass wir kommen...“

„Er wird es wissen? Woher? Wieso?“, warf Jasper fast panisch ein.

„Ja, damit Sally die Möglichkeit hat, dort im Chaos heil rauszukommen. Dir das jetzt genau zu erklären, würde zu lange dauern. Bitte vertrau mir. Wichtig ist jetzt nur, dass jeder das Ziel kennt. Und die Sicherheit von Sally hat dabei oberste Priorität. Aro kann warten, den erledigen wir später.“

Jasper nickte zustimmend.

„Okay“, meldete sich jetzt Ahab zu Wort, „wann legen wir los?“

„Morgen früh“, entgegnete Bella, „wir wollen ihm schließlich sein ruhiges Sonntagsfrühstück ein wenig versalzen.“






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