Montag, 25. Juli 2011

SML - 49 - achilles' heel

49 achilles' heel

„Du solltest dich im Kampf immer so positionieren, dass Bella oder ich dich aus dem Augenwinkel sehen können. So weiß sie immer, dass du sicher bist und wird ruhiger bleiben“, unterbrach Jake plötzlich die Stille. „Dir muss endlich klar werden, dass du ihre einzige Schwachstelle bist und dass das auch ausgenutzt werden könnte. Und zwar ohne jede Gnade. Ich habe schon x-mal mit ihr diskutiert, aber sie will dich auch nicht einfach zurücklassen, weil sie weiß, dass es dich wahnsinnig machen würde. Aber Fakt ist, du bist ihre Achillesferse. So was hatte sie bisher nie. Sie musste sich nie um jemand anderen Gedanken machen.“

„Und was ist mit dir?“, fragte ich irritiert, „Um dich hat sie sich doch sicherlich auch immer Gedanken gemacht, oder? Ich meine... sie liebt dich doch ebenso, wie du sie liebst.“

Er drehte den Kopf in meine Richtung und zog spöttisch die eine Augenbraue hoch. „Um mich braucht sie sich keine Gedanken zu machen. Sie weiß, was ich kann und wozu ich fähig bin, außerdem spürt sie, was ich tue. Verbundene Seelen, schon vergessen? Edward, wir wurden nicht vorrangig als Einzelkämpfer ausgebildet, sondern als Team. Wir sind jeweils zwei Hälften eines Ganzen und verschmelzen im Kampf zu einer Einheit. Das hast du doch selber schon gesehen…“

Jake machte einen Moment Pause, ehe er fortfuhr. „Du musst lernen, in Ausnahmesituationen ruhig zu bleiben. Ruhe ist das oberste Gebot während des Kampfes. Sie rettet dein Leben! Wenn du bemerkst, dass du Panik bekommst, versuche dich durch deine Atmung wieder zu beruhigen. Wenn du willst, bringe ich dir da eine Technik bei. Es dauert zwar eine Weile, bis du sie vollends beherrschst, aber selbst die kleinsten Verbesserungen bringen dir und damit auch uns allen vielleicht den entscheidenden Vorteil.“

Ich nickte begeistert. So was wäre sicher nicht verkehrt. Denn ich wollte natürlich nicht Bellas Schwachstelle sein und womöglich die alleinige Schuld daran tragen, dass alles den Bach runter ging.

„Außerdem musst du dir immer vor Augen halten, dass die anderen unsere Feinde sind. Todfeinde, um genau zu sein. Du kannst von denen keine Gnade erwarten, also darfst du auch keine walten lassen. Wenn jemand seine Waffe auf dich richtet, darfst du NIEMALS auch nur zögern. Denk nicht nach, sondern drück ab! Die würden sich freuen, dich in die Finger zu kriegen, weil sie genau wissen, was du Bella bedeutest. Und sie würden all ihren Hass und ihren Frust an dir auslassen. Glaub mir, sterben wäre da eine Gnade. Bella überlegt schon hin und her, ob sie ein paar extra Jungs mitnimmt, die nur auf dich aufpassen, damit sie die nötige Ruhe hat, beim finalen Kampf keine Fehler zu machen. Denn die wären fatal und es ist fraglich, ob Sally und ich in der Lage sein würden, sie auszubügeln. Bella hat da sicherlich auch schon jemanden ins Auge gefasst. Also ist es eigentlich nur einer, der sich dann um dich kümmern wird. Aber sie wird aus den Besten in Sachen Personenschutz wählen. Wir haben über die Jahre einige kennengelernt. Ich hoffe bloß, sie nimmt nicht... aber ist ja auch erst mal egal . Fakt ist: Du brauchst jemanden, der auf dich aufpasst!“

„Auf mich aufpassen? Ein Bodyguard, meinst du? Aber das macht doch schon Jasper, oder nicht?“

Eine Wolke schob sich vor den Mond und tauchte alles in gespenstische Dunkelheit.

„Er alleine wird nicht ausreichen. Zumal er auch nicht unbedingt geopfert werden soll, um dein Leben zu retten. Er gehört schließlich zur Familie und Bella liebt auch ihn, vergiss das nicht. Diesmal hat er alleine noch ausgereicht, weil einfach keiner so schnell wirklich erkannt hat, WER du bist. Beziehungsweise, Dimitri hat dich erst zu spät gesehen. Aber ab jetzt werden sie wissen, dass du immer dabei sein wirst, wenn wir auftauchen. Du wirst ab sofort ihr Hauptziel sein, weil sie darauf hoffen, dass Bella dann den Kopf verliert, wenn sie dich quälen…. Dich davor zu schützen, ist also eine extrem gefährliche Aufgabe, die nur unter Einsatz des eigenen Lebens von statten gehen kann. Derjenige, der dazu bereit ist, muss seinen eigenen Tod mit einkalkulieren und bereit sein, hoch zu pokern und womöglich dabei alles zu verlieren. Das würde sie nie von Jasper verlangen. Dazu benötigen wir die professionelle Hilfe eines hartgesottenen Söldners, der mit allen Wassern gewaschen ist. Jasper mag gut sein, aber ihm fehlt die Freude am Töten, die für einen solchen Job unabdingbar ist. Derjenige, den Bella für Dich auswählt, wird nur eine Aufgabe habe. Und die lautet, jeden zu töten, der auch nur versucht, auf dich zu zielen oder in deine Nähe zu gelangen. Das erfordert schnelle Reflexe und eine ziemlich große Gewissenlosigkeit, denn er darf nicht darüber nachdenken, wen er da tötet. Dein Schutz hat Vorrang! Und es ist es egal, ob dein Gegner ein hartgesottener Killer oder ein Vierzehnjähriger ist, der das erste Mal eine Waffe in der Hand hat.“

Ich bekam eine Gänsehaut. Ich war also der Hauptjoker in diesem perfiden Racheplan von Aro. Und wahrscheinlich fest eingeplant, um Bella langsam aber sicher in den Wahnsinn zu treiben, bis sie selber zur Strecke gebracht werden konnte. Und was war mit Jenny? Wussten sie schon von ihr? Was sie das nächste Ziel ihrer Rache? Und wenn sie von ihr wussten, würden sie auch ein kleines Mädchen töten? Würden sie TATSÄCHLICH so weit gehen? Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter.

Aus dieser Richtung hatte ich das Ganze noch gar nicht betrachtet. Dass ich ein Schwachpunkt für sie war, hatte ich mir ja schon selber zusammengereimt, aber dass es so schlimm werden könnte, hätte ich nicht gedacht. Bis jetzt war mir nicht hundertprozentig bewusst gewesen, wie hart das hier alles war, wie ernst die wirklich Lage war. Was aber durch die Ruhe und Sorglosigkeit, mit der Jake und Bella an alles ran gingen, auch verdammt schwierig war. Auf der einen Seite erzählten mir immer alle, wie gefährlich es war, aber andererseits schienen sie sich auch darauf zu freuen. Es war nicht einfach, sich in diese Welt der Gewalt hineinzuversetzen...jedenfalls für mich.

Aber Bella hatte in ihrem ganzen Leben nichts anderes kennengelernt, für sie war es einfach Normalität und ein guter Fight so was wie die Lieblings-Freizeitgestaltung.

Und nun waren wir alle mittendrin. Mitten im Krieg. Meine ganze Familie und sogar meine kleine, völlig unschuldige Tochter. Denn sie alle waren jetzt auch Teil von Bellas Familie und somit ins zentrale Schussfeld gerückt. Denn irgendwie war das bei uns alles verdreht. Normalerweise wurde die Frau nach der Hochzeit ja in die Familie des Mannes integriert. Bei unserer Hochzeit aber, wurde meine gesamte Familie, meinen Vater jetzt mal ausgenommen, von Bella adoptiert. Sie standen sofort alle unter ihrem Schutz. Aber dafür war ich ihr auch ziemlich dankbar, denn der war verdammt notwendig.

Kurzzeitig überlegte ich ja, ob es nicht doch besser wäre, zu Hause zu bleiben. Denn ich machte mir jetzt natürlich Gedanken darüber, dass sich alle auf mich als Hauptziel konzentrieren würden. Und ich hatte Angst. Verdammt große Angst sogar. Und natürlich hatte Jake Recht. Ich war im Kampf Bellas einziger Schwachpunkt. Von Jenny mal abgesehen. Aber die würde ja dann meilenweit entfernt sein. Und da ich nicht annähernd so gut ausgebildet war wie Jake, machte Bella sich nicht umsonst Sorgen um mich. Selbst Jasper reagierte schneller, trotz des vielen, intensiven Trainings, dem sie mich persönlich unterzogen hatte. Ich war nicht schlecht, zugegeben, aber mir fehlte einfach die Zeit, mehr Erfahrung zu sammeln. Vielleicht hatte sie das aber auch alles nur getan, damit sie sich sagen konnte, dass sie es wenigstens versucht hatte... Wobei das Blödsinn war, denn dann bräuchte ich ja keinen Bodyguard.

Aber wie bitte, sollte mich eine einzelne Person effektiv beschützen können? Unsere Gegner waren zwar sicher nicht, durch die Bank weg, alle von Bellas oder Sallys Kaliber, aber sie waren doch gefährlich und uns zahlenmäßig überlegen. Er konnte ja schließlich nicht überall gleichzeitig sein. Und wie zuverlässig waren solche Söldner überhaupt? War es nicht viel gefährlicher, sich noch jemanden fremden mit ins Boot zu holen? Es könnte ja auch einer sein, der heimlich auf Aros Seite stand. Aber Bella würde sicher kein Risiko eingehen. Sicherlich würde sie nur jemanden wählen, der ihr Vertrauen zu einhundert Prozent genoss und den sie gut kannte. Und eigentlich waren diese Söldner ja immer dem treu ergeben, der am meisten bezahlte. Und an meiner Sicherheit würde sie nicht sparen. Da war ich mir sicher.

„Aber mach dir keine unnötigen Sorgen darüber“, fuhr Jake plötzlich fort und unterbrach damit meine Grübeleien. „Sie liebt dich über alles. Jenny und Dich. Und deshalb würde sie euch nie einem unkalkulierbaren Risiko aussetzen. Ich will damit bloß erreichen, dass du dir über die genauen Hintergründe im Klaren bist. Es ist einfach wichtig, dass du alle Fakten kennst und dir der Gefahren bewusst wirst. Nichts ist gefährlicher, als Unwissenheit. Wärst du heute nicht zu mir gekommen, hätte ich in den nächsten Tagen das Gespräch mit dir gesucht. Bella hatte mich schon lange darum gebeten, aber bisher war der Zeitpunkt immer irgendwie ungünstig.

„Ok. Aber warum erklärt sie mir das nicht?“, fragte ich verwirrt.

„Weil sie verhindern will, dass du denkst, sie würde das nur tun, damit du zuhause bleibst. Ich muss zwar ehrlich zugeben, dass mir das auch lieber wäre, aber ich hänge ja nicht ganz so sehr an dir, wie sie. Nur ein wenig.“

„Soll das heißen du... magst mich?“, meine Stimme hörte sich wohl sehr ungläubig an.

„Yeah, so was in der Art“, gluckste er. „Hättest du nicht gedacht, was? Du machst Bella glücklich. Und natürlich mag ich dich. Allein schon deswegen. Bella hat ihr Glück einfach verdient. Darum will ich ja auch nicht, dass dir was passiert, verstehst du? Denn auch mein Glück hängt zu großen Teilen an ihr. Aber wenn du dich an unsere Anweisungen hältst, wird es schon alles gut gehen. Und du musst auch gehen, wenn wir es von dir verlangen. Wenn es wirklich wichtig ist.“

„Gehen?“, erwiderte ich perplex. Was meinte er denn damit?

„Natürlich nur, wenn die Lage zu prekär wird. Dann werden wir dich aus der unmittelbaren Schusslinie entfernen müssen und es ist absolut wichtig, dass du dann auch sofort reagierst. Selbst dann, wenn du Bella dabei aus den Augen verlieren solltest. Verstehst du?“

Entgeistert sah ich ihn an. Meinte er damit, ich müsste mich in bestimmten Situationen zurückziehen und von weitem zusehen? Oder sogar gar nichts mitbekommen.

„Okay“, seufzte Jake. „Ich schätze mal, dein Bodyguard hat dann wohl gleichzeitig die Funktion eines Babysitters.“

Ich runzelte erbost die Stirn, aber bevor ich darüber weiter nachgrübeln, geschweige denn, lautstark protestieren konnte, wurde ich urplötzlich gepackt und nach hinten gezogen. Bella sah von oben lächelnd auf mich herab und drückte mir einen kleinen Kuss auf die Stirn, während Jake laut lachte und dann, mit der Katze auf dem Arm, im Wald verschwand. Der Blödmann hatte sie sicher schon lange gehört.

„Hast du dich verlaufen?“, fragte Bella grinsend und richtete mich wieder auf. Dann sprang sie rasch über den umgekippten Baumstamm und setzte sich neben mich.

„N...nein..“, stammelte ich. „Wollte nur eben mit Jake reden.“

„Okay“, antwortete sie. „Es sah so aus, also ob er dir die Sachlage gerade etwas näher erläutert hat, oder?“

„Yeah... hat er. Aber willst du wirklich jemanden anheuern, der auf mich aufpasst?“, ich schwang mein Bein über den Stamm und rutschte näher an sie heran. Sie tat dasselbe, so dass wir uns nun gegenüber saßen. Ihre Schulter war mittlerweile verbunden, ansonsten trug sie nur noch ein Top und Hotpants.

„Jep“, entgegnete sie knapp. Was so viel heißen sollte, wie ‚Widerspruch kann nicht eingelegt werden’. Ich tat es trotzdem.

„Meinst du, dass das wirklich notwendig ist? Ich kann doch schließlich auch ganz gut mit der Waffe umgehen. Und Jasper ist ja auch noch da...“

„Edward…“ unterbrach sie mich. „Willst du es nicht verstehen? DU bist das Hauptziel von Aro, weil du meine Schwachstelle bist. Und ich werde nicht zwischen dir und Jazzi wählen. Er wird genug damit zu tun haben, auf sich selber aufzupassen. Wie sollen wir sonst Alice erklären, wenn ihm was passieren sollte. Und du brauchst jemanden, der auch in hektischen Situationen ruhig bleibt und den Überblick behält. Jemanden, der weiß, WIE wir arbeiten und ohne zu Zögern auf Befehle reagiert. Ich habe schon mit der entsprechenden Person Kontakt aufgenommen. Er schuldet mir noch einen Gefallen. In ein paar Tagen müsste er eintreffen und dann schlagen wir los.“

„Heißt das, wir warten hier nur auf meinen Bodyguard? Ansonsten würde es jetzt sofort losgehen?“, fragte ich.

„Nicht ganz. Ein wenig Vorbereitung brauchen wir ja auch noch und außerdem müssen wir eine passende Gelegenheit abwarten. Aber ohne ihn starten wir auf keinen Fall. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert, dafür liebe ich dich viel zu sehr. Ich musste schon einmal eine lange Zeit ohne dich sein, und das hat mich fast umgebracht…nochmal werde ich das nicht riskieren.“

Bella schlang ihre Beine um meine Hüften und zog mich zu sich heran. „Ich liebe Dich, du weißt gar nicht wie sehr...“, sie küsste mich zärtlich.

„Doch, das weiß ich“, murmelte ich gegen ihre Lippen. „Denn ich liebe dich genauso...“, zärtlich griff ich nach ihrer Hand und strich mit dem Daumen über die Tätowierung. „Für immer...“


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