48 what the boys separates from the man
Als wir, Stunden später, in unserem provisorischen Zuhause ankamen, ergab sich tatsächlich direkt eine Gelegenheit mit Jake zu reden. Wer hätte das gedacht, dass das so schnell gehen würde? Ich sicher nicht.
Bella eilte schnurstracks ins Gebäude und rief mir im Weggehen noch zu, dass sie sich erst mal um ihre Wunde kümmern musste, ich sollte ruhig schon mal ins Bett gehen und dort auf sie warten. Alle anderen verschwanden ebenfalls sofort nach drinnen.
Außer Jake, der einen sehr deprimierten Eindruck auf mich machte.
Er ging, immer noch mit der Katze auf dem Arm, allein in Richtung Wald. Spontan beschloss ich, ihm einfach zu folgen. Ich vermutete zwar, dass er eigentlich alleine sein wollte, aber eine bessere Chance, meine Idee in die Tat umzusetzen, würde ich wohl in nächster Zeit nicht haben. Außerdem war es, meiner Meinung nach, nicht immer gut, so betrübt alleine gelassen zu werden. Und da sprach ich wirklich aus leidvoller Erfahrung. Seth war von einem kleinen Spaziergang auch nicht abgeneigt und begleitete mich schwanzwedelnd. Er schien förmlich an meinem linken Bein festzukleben.
So folgte ich Jake in einigem Abstand. Sicherlich würde er sich irgendwo ein stilles Plätzchen suchen, um dort nachzugrübeln. Hoffentlich würde er mir nicht allzu böse sein, das ich ihn dabei stören wollte. Aber jetzt war es zu spät, sich darüber Sorgen zu machen.
Es war immer noch ziemlich dunkel, vor allem zwischen den immer dichter werdenden Bäumen. Nur der Mond beleuchtete hin und wieder gespenstisch die Gegend. Kurz zögerte ich und warf nochmal einen Blick zurück. Mittlerweile fragte ich mich ehrlich, ob ich mir vielleicht doch eine Taschenlampe hätte mitnehmen sollen. Verwarf dann aber den Gedanken schnell wieder, da ich sonst Jake, auf einen schmalen Pfad, der zwischen die Bäume führte, verlieren würde.
Nach ein paar Metern machte der Weg einen scharfen Knick und als ich um die Ecke bog, war von Jake weit und breit nichts mehr zu sehen. Ich blieb verwundert stehen und sah mich hektisch um. Nichts. Und das, obwohl es nur diesen einen Weg hier gab. Na toll. Super gemacht, Edward, schimpfte ich still mit mir selber. Jetzt hatte ich mich womöglich auch noch verlaufen. Bella würde sich kranklachen, sobald sie mich fand. Selbst Seth setzte sich hin und sah zu mir auf mit einem Blick der aussah wie ‚Na, und was jetzt?’.
Vor einer Sekunde hatte ich Jake doch noch gesehen und nun herrschte hier absolute Stille um mich herum...verdammt!
Doch zum weiter grübeln kam ich nicht mehr, denn plötzlich wurde diese Stille von einem leise schleifenden Geräusch unterbrochen und ich fühlte, wie mir etwas Kaltes an meinem Hals gedrückt wurde. Ich schluckte unwillkürlich, als ich erkannte, dass es sich um ein Messer handelte.
Mein Adrenalinspiegel schoss sofort in die Höhe und ich bekam es wirklich mit der Angst zu tun. Wer war das? Und wieso zur Hölle saß Seth immer noch so ruhig da, anstatt mir zu helfen? Dafür war er doch bestimmt mit mir mit geschickt worden, oder?!
„Edward“, hörte ich nun Jakes Stimme dicht an meinem Ohr, „findest du es klug, nachts alleine durch den Wald zu spazieren?“ Ich seufzte erleichtert auf.
„Ich.. ich hab aber doch Seth dabei…“, stotterte ich trotzdem und er nahm, irgendwas Unverständliches murmelnd, die Klinge von meinem Hals. Langsam drehte ich mich zu ihm herum und tastete dabei prüfend an die Stelle herum. Kein Blut, Gott sei Dank. Jakes Messer war nämlich verdammt scharf. Er grinste wissend und seine weißen Zähne leuchteten mörderisch im Mondlicht.
Würde er mir doch etwas tun? Ich wurde echt unsicher. Immerhin war wegen mir ja seine Freundin in großer Gefahr...
„Und? Was willst du nun hier alleine im Wald?“, hakte er nach und steckte - Gott sei Dank- das Messer zurück in seinen Stiefel. Erleichterung durchflutete mich. So langsam wurde ich anscheinend paranoid und sah nur noch Bedrohung um mich herum. Bella würde nie zulassen, dass jemand mir etwas tun wollte, selbst wenn es sich dabei um Jake handeln würde. Dabei kam mir dieser Gedanke jetzt, gelinde gesagt, echt total dämlich vor.
„Ich bin dir gefolgt…eher gesagt, ich hab versucht, dir zu folgen.“, erwiderte ich kleinlaut und sah verwundert, dass die Katze mittlerweile auf Jakes linker Schulter saß und das so selbstverständlich, als würde sie da hingehören.
Tja, Piraten hatten meist einen Papagei. Wir eine Miezekatze.... Ich musste grinsen. Hauptsache, Seth kam nicht auf solche Ideen.
„Das habe ich wohl gemerkt“, lachte Jake, drängelte sich an mir vorbei und winkte mir zu, ihm zu folgen. „Ich frage mich bloß weswegen?“
„Ich... ich wollte mit dir reden“, antwortete ich, während ich im Dunkeln hinter ihm her stolperte. Er hatte natürlich kein Problem mit den Wurzeln und kleinen Sträuchern, an denen ich ständig hängenblieb.
„Okay“, kam es abwartend von ihm. Wir erreichten eine kleine Lichtung, auf der er sich sofort auf einen umgefallenen Baumstamm setzte. Die Katze ließ sich auf seinen Schoss gleiten und rollte sich dort zusammen, während er sie liebevoll kraulte. Die zwei schienen sich wirklich schon sehr gut zu kennen. Dann sah er mich fragend an.
Zögerlich nahm ich neben ihm Platz. Seth legte mir den Kopf auf den Oberschenkel und zwickte mich so lange, bis ich anfing, ihn zwischen den Ohren zu kraulen. Es war wirklich erstaunlich, dass er sich nach so langer Zeit noch an mich erinnerte und mir einfach folgte. Ich hätte eher damit gerechnet, dass er seinem lange vermissten Frauchen hinterherlief. Wobei nicht auszuschließen war, dass er von ihr schon wieder Instruktionen bekommen hatte, an mir dran zu bleiben. Was sehr wahrscheinlich war.
Ein paar Sekunden lang herrschte eine unangenehme Stille. Ich wusste einfach nicht, wie ich anfangen sollte.
„Nun schieß schon los“, kam es etwas ungeduldig von Jake und ich zuckte erschrocken zusammen.
„Äh... ja“, begann ich abgehackt, „weißt du, ich mache mir Sorgen... um Bella, dass ihr etwas passiert...“
„Sorgen um Bella?“, unterbrach er mich, „Um sie brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“
Verwirrt sah ich zu ihm. Warum nicht? Genügend Gründe konnte ich hier schon allein aus dem Stehgreif aufzählen. Und die wirklich haarsträubenden Sachen wusste ich bestimmt noch gar nicht, wie ich Bella kannte.
„Ich werde nicht zulassen, dass ihr auch nur ein Haar gekrümmt wird“, fuhr er unbeirrt fort, „Sie hat wahrlich genug gelitten in ihrem Leben. Wer sie töten will, muss erst an mir vorbei…“
„Aber heute, da...“, warf ich ein, wurde allerdings erneut von ihm unterbrochen.
„Das war alles nur Show, Edward. Auf der einen Seite wollten wir ihnen zeigen, dass wir noch immer da sind und auch nicht vor Angriffen zurückschrecken. Sie sollten auf der Hut sein. Aber andererseits haben sie auch gesehen, dass wir verletzlich sind.“
Er zog sein Jackett aus und auf dem weißen Hemd, das er darunter trug, waren selbst im Dunkeln die Blutflecke zu erkennen. Also hatte Sally seine Blutbeutel ebenfalls zerschossen.
Grinsend hob er die Katze an und gab ihr einen Eskimokuss.
„Aber warum sollte es gut sein, dass sie das gesehen haben? Ist das denn nicht negativ für uns?“, fragte ich. Diese Logik erschloss sich mir gerade nicht.
„Es war sehr wichtig für unseren weiteren Plan, dass es so gelaufen ist. Sie haben gesehen, dass Sally uns in die Flucht treiben konnte, dass sie Bella in nichts nachsteht – was ja der Wahrheit entspricht – und sie werden sich einhundert Prozent sicher fühlen, so lange sie Sally haben. Und Aro wird sie von nun an immer bei sich behalten, weil er nun weiß, dass sie die Einzige ist, die Bella erledigen könnte. Und somit kennen wir immer seinen Aufenthaltsort. Wo Sally ist, ist Aro, kapiert? Und an ihn wollen wir ja ran. Und Sally wird ihn uns, quasi auf dem Silbertablett, liefern. Und schon beim nächsten Einsatz wirst du sehen, was auch Bella leistet, wenn sie hundert Prozent gibt. Allerdings solltest du darauf vorbereitet sein, dass es nicht unbedingt schön werden wird. Das einzige Mittel, um unsere Feinde zu besiegen, ist es, sie zu töten. Wir können keine Gnade walten lassen. Jetzt nicht mehr. Jeder hatte vorher eine faire Chance, sich für die richtige Seite zu entscheiden…“
Ich schluckte und sah ihn mit großen Augen an. Jetzt verstand ich langsam, was da heute überhaupt passiert war. Denn heute war dann DER letzte, vorbereitende Schritt vor dem großen Showdown gelaufen. Geschickt!
„Glaube mir, Edward. Das heute war Pillipalle gegen das, was uns noch in Zukunft erwartet. Die nächsten Wunden, die Bella verabreicht, werden tödlich sein. Du wirst eine Seite an ihr kennenlernen, die dir vielleicht nicht so gefällt...“
„Ich habe schon gesehen, wie sie Menschen getötet hat“, warf ich störrisch ein, doch er schüttelte den Kopf.
„Es ist anders, wirklich. In Texas hat sie damals ihr Leben verteidigt. Und bei James hat sie dein und Jaspers Leben gerettet, und natürlich auch Rache geübt. Aber sie hat ihn relativ schnell getötet, nicht wahr?“
Ich nickte widerwillig. Sie hatte ihn zwar gequält, aber alles in allem, konnten es nur ein paar Minuten gewesen sein, ehe er tot war. Gut, für ihn wohl sehr lange Minuten.
„Es war eine Kurzschlussreaktion und ihr fehlte natürlich auch die Zeit, um ihn länger zu quälen. Aber mach dich darauf gefasst, dass sie bei Caius und Aro nicht so zimperlich sein wird. Sie wird sie beide quälen, sie wird sich viel Zeit nehmen für ihre persönliche Rache. Und sie wird nicht eher ruhen, ehe sie das beendet hat. Erst, wenn die beiden unter der Erde liegen, wird sie ihre Ruhe finden und wieder die sein, die du liebst.“
Ich schluckte den Kloß herunter, den ich im Hals hatte. Er hatte mit wirklich Angst gemacht. Konnte ich das alles mit ansehen? Oder würde Bella mich eh aus der Sache raushalten?
„Denk immer daran“, er sah mir jetzt direkt in die Augen. „Im Moment ist sie nicht deine Bella, sondern Hantaywee auf Rachefeldzug. Gnadenlos, präzise und tödlich. Aro wird sich bald wünschen, er hätte sie nicht so sorgfältig ausbilden lassen. Denn jetzt wird sie alles das gegen ihn verwenden.“
„Und... und du wirst ihr dabei helfen?“, fragte ich atemlos.
„Natürlich“, er zuckte mit den Schultern, „Dafür sind wir vom Schicksal zusammen gebracht worden. So ist es vorherbestimmt und so wird es geschehen.“
„Vorherbestimmt?“, fragte ich perplex.
„Mein Name... Ohanzee... bedeutet Schatten. Laut meinem Vater ist es meine Bestimmung, ihr Schatten zu sein. Bis in den Tod.“
„Wusste... wusste dein Vater denn damals schon von der Sache mit ihren Eltern?“, fragte ich vorsichtig, denn ich hatte keinen Schimmer, wie Jake auf dieses Thema regieren würde.
Jake schüttelte stumm den Kopf und presste kurz seine Fäuste zusammen. Sein ganzer Körper verspannte sich. Er schien unglaublich wütend über etwas zu sein.
Aber weswegen genau? Ich sah ihn gespannt an.
„Er hat es nicht gewusst. Bei so etwas hätte er nie mitgemacht. Und dass er mich dann auch einfach so nach Europa gegeben hat, war eben nicht so ganz freiwillig. Aro wollte unbedingt fusionieren. Er stellte ihn also vor die Wahl: Entweder stimmte mein Vater der Fusion zu und schickt mich als Zeichen der Versöhnung zu Aro, oder er hätte die Blacks ausradiert. Vollständig und ohne Ausnahme. Auch Frauen und Kinder. Ohne Gnade. Und die Volturi waren um einiges größer, da hätten uns selbst unsere guten Kontakte damals nichts genutzt. Es wäre Selbstmord für jeden gewesen, uns gegen die Volturi zu unterstützen. Er konnte also nicht anders, als mich herzugeben. Aber er hat immer betont, dass es mein Schicksal wäre und ich irgendwann die Blacks und Volturi vereinen würde.“
Verwirrt sah ich ihn an. Aber das hieße dann doch, dass er Aros Plan gekannt haben musste?
„Nicht so, wie du jetzt denkst, Edward“, Jakes Blick ging durch mich durch und verlor sich in der Ferne. „Mein Vater hat mir damals erklärt, dass Hantaywee mein Schicksal wäre. Mein Leben ist untrennbar mit ihrem verbunden, aber sie ist trotzdem nicht meine Seelenverwandte. Sie ist wie eine Schwester, ein Teil meines Fleisches und Blutes. Als sie damals zu uns kam, führte er ein wichtiges Ritual mit uns durch, was unsere Körper und Geister für immer miteinander verband.“
„So was wie Blutsbrüderschaft?“, warf ich ein. Das war mir ein Begriff.
Er wiegte abwägend mit dem Kopf. „Nicht genau. Aber so was Ähnliches, nur seelisch noch enger. Als ich dachte, sie wäre gestorben, da war es so, als wäre mir ein Teil meiner Seele mit Gewalt entrissen worden. Ich fühlte mich leer und unnütz. Aber irgendwie hatte ich auch immer so meine Zweifel, dass es wirklich stimmte, denn ich konnte sie immer noch spüren. Das verwirrte mich sehr.“
„Davon hast Du aber nie etwas gesagt“, erwiderte ich verwundert.
„Hättest du mir denn geglaubt“, er grinste mich an, „wenn ich dir gesagt hätte, dass mein indianisches Gespür nicht an ihren Tod glaubt? Vor allem, während Du vor ihrem vermeintlichen Grab standst?“
Zögerlich schüttelte ich den Kopf. Nein, das hätte ich ihm definitiv nicht abgenommen und eher Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit gehabt. Da hatte er schon ganz Recht.
„Ich hab es mir ja selber nicht geglaubt. Und du kannst dir nicht vorstellen, was es für ein wahnsinniges Gefühl war, als Sally mir endlich bestätigte, dass Bella wirklich noch am Leben war und sie ihren Aufenthaltsort herausbekommen hatte. Es war, als würde ich wieder zu hundert Prozent ich selbst sein. Auf der einen Seite war ich so wütend auf sie, weil sie ihren Tod vorgetäuscht hatte, ohne auf mich Rücksicht zu nehmen, aber auf der anderen war ich verdammt froh sie wieder zu haben. Endlich wieder komplett zu sein.“
„Du liebst sie“, merkte ich an.
Jake nickte und schnalzte mit der Zunge. „Mehr als mein Leben, aber trotzdem auf eine ganz andere Weise als du.“ Gut, damit konnte ich leben. Sogar sehr gut, wie mir auffiel.
„Und wo ist dein Vater jetzt?“, fragte ich, um wieder zurück zum Ursprungsthema zu kommen. Er wäre ja sicher ein guter Verbündeter...
„Er ist tot“, kam es leise von Jake, „Aro hat ihn töten lassen, kurz nachdem ich in den Knast gekommen bin. Er hat damit die Allianz zwischen den Blacks und den Volturi endgültig beendet. Zusätzlich hat er mir damit auch zeigen wollen, was mit Verrätern passiert. Du hast es nicht mitbekommen, aber es gab in der Zeit mehrere Anschläge auf mein Leben. Aro will mich ebenfalls tot sehen, denn vom Prinzip her, bin ich jetzt der neue Anführer der Blacks.“
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Und ich verstand jetzt endgültig, dass dieser Aro wirklich keinerlei Skrupel zu kennen schien. Ab jetzt, hieß es also nur noch, er oder wir…
„Ein Grund mehr für mich, hier zu sein“, fuhr Jake fort. „Ich will blutige Rache für die feige Ermordung meines Vaters. Aro selbst hat ihm die Kehle aufgeschlitzt und wenn Hantywee mich lässt, werde ich das Selbe auch mit ihm tun. Aber sehr langsam und erst, nachdem wir ihn ein wenig gequält haben. Auf einen schnellen Tod kann er bei uns nicht hoffen. Aber wenn wir mit ihm fertig sind, dann wird er ihn sich mehr wünschen, als alles, was er sich jemals im Leben gewünscht hat…“
In seinen Augen lag ein mörderisches Glitzern, welches selbst im fahlen Mondschein erkennbar war. Ich fröstelte. Denn in diesem Moment war er nicht mehr Jennys gutmütiger und verspielter Onkel Jake, den sie über alles liebte, sondern Ohanzee, ein Krieger mit einer blutigen Mission.
Ich konnte bloß hofften, dass das alles gut ausging. Denn irgendwann würden wir Jenny die ganze Sache erzählen müssen, wenn sie danach fragen würde. Und das würde sie, sie war ja schließlich Bellas Tochter. Und ich wusste nicht, wie sie dann die Wahrheit verkraften würde. Aber auf Dauer, konnten wir es sicher nicht vor ihr geheim halten, in welchem zwielichtigen Gewerbe sich ihre Mutter bewegte, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen.
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