44 time is passing by
Die nächsten Wochen vergingen wie im Flug, obwohl eigentlich nicht viel Aufregendes passierte. Jedenfalls nichts, was den bevor stehenden großen Kampf anging. Zu meinem großen Leidwesen. Ich hatte eigentlich gedacht, dass Bella gleich loslegen würde, nachdem wir das alles geklärt hatten, aber sie meinte lediglich Schultern zuckend, so etwas bräuchte eine sehr genaue Vorbereitung und ich sollte ein wenig Geduld haben. Was nicht einfach für mich war. Denn natürlich wäre es mir logischer Weise am liebsten gewesen, wenn sie das mit Aro so schnell wie möglich durchziehen würde, damit wir endlich als Familie glücklich bis an unsere Lebensende zusammen sein konnten.
Aber nein. Bella hatte irgendwie andere Pläne. Und die deckten sich wirklich in keiner Weise mit meinen. Schade aber auch. Wobei es aber auch gute Seiten daran gab. Das musste ich zähneknirschend eingestehen.
Denn Bella zog einfach den Teil mit der glücklichen Familie vor, was einfach großartig war. Bella, Jenny und ich verbrachten viel Zeit gemeinsam. Morgens frühstückten wir ausgiebig in großer Runde und Bella nahm sich anschließend mindestens eine Stunde Zeit, um mit unserer Tochter zu spielen und zu kuscheln. Es war schön zu sehen, wie sich die zwei innerhalb von ein paar Tagen aneinander gewöhnten. Und mehr als das. Es war, als ob sie sich erkannten.
Eigentlich war Jenny etwas schüchtern bei Fremden, aber bei ihrer Mutter taute sie in Rekordgeschwindigkeit auf. Irgendwie schien es, als ob es doch dieses unsichtbare Band zwischen Mutter und Kind gab, selbst wenn die beiden, durch widrige Umstände wie diese, mal voneinander getrennt waren. Als Jenny nach drei Wochen plötzlich „Mama“ zu Bella sagte, lief mein Herz fast vor Stolz über. Wir saßen gerade alle am Frühstückstisch, als sie sich zu Bella lehnte und zu ihr sagte „Mama, Malmelale“ und dabei auf ihr Brötchen deutete. Emmett fiel vor Schreck fast der Löffel aus der Hand, während Bella ihr, mit Tränen in den Augen, die Marmelade auf das Brötchen strich. Selbst meine Augen wurden leicht feucht. Und Jasper heulte natürlich wie ein Schlosshund. Klar!
Insgesamt waren wir alle eine große, glückliche Familie und diese Zeit hatte etwas von Urlaub. Allerdings Urlaub mit Extras. Denn nach dem Frühstück begann das Training. Und dabei lernte ich Bella von einer Seite kennen, die wirklich knallhart und unerbittlich war.
Als erstes stand morgens das Schießtraining für Kurz-und Langwaffen auf dem Programm, an dem ich natürlich auch teilnahm. Alice und Rosalie kümmerten sich derweil um Jenny, während Emmett ebenfalls mitmischte. Er hatte sich mit dem Kommentar „Du hast es mir zur Hochzeit versprochen“ einfach mit rein gedrängelt und war begeistert dabei, auch wenn er mehr schlecht als recht schoss.
Der große Vorteil daran war, dass es jemanden gab, der immens schlechter schoss als ich. Somit war ich nicht mehr das belächelte Schlusslicht. Der Nachteil allerdings war, das Emmett ja nur aus Spaß mitmachte und Bella mit ihm sehr geduldig war. Im Gegensatz zu mir. Ich meinte das hier absolut ernst und erfasste, dass es hier um Leben und Tod ging. So war ich sehr ehrgeizig und forderte von mir selber immer Hundertprozentige Konzentration. Ebenso Bella. Sie war knallhart und duldete keine Schwäche. Immer wieder erinnerte sie mich daran, dass ich hier nicht auf der Kirmes war, sondern in einen Krieg zielen wollte. An den ersten zwei Tagen trainierten wir noch auf einem Schießstand, dann ging es raus auf ein präpariertes Gelände. Jake hatte, mit diesem Sam zusammen, ein Stück zwischen den Gebäuden und zusätzlich eine Etage eines ehemaligen Bürogebäudes mit verschiebbaren Pappaufstellern präpariert. Wobei verschiebbar hieß, dass sie nie an derselben Stelle standen, sondern immer an anderen Stellen auftauchten. Und das blitzartig.
Als erstes musste ich alleine die Straße ablaufen und mich dort den „Gegnern“ stellen. Ich wurde dabei das Gefühl nicht los, dass Bella das eigentlich nur tat, um mich doch noch davon zu überzeugen, lieber zu Hause zu bleiben.
Doch ich lies mich nicht beirren, auch wenn ich erst kläglich versagte. Bevor ich auch nur den Finger am Abzug hatte, waren urplötzlich drei Pappkameraden aus der Deckung aufgetaucht. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde war aber schon Bella neben mir erschienen und pustete die Dinger für mich um. Anschließend packte sie mich unsanft am Kragen und zog mich die gesamte Straße hinter sich her, während sie den übrigen Pappkameraden den Garaus machte. Jeder verdammte Schuss war ein Volltreffer. Meist hatte sie die Dinger schon erwischt, bevor mein Gehirn sie überhaupt registriert hatte. Es war einfach unglaublich.
„Und du willst mit uns kämpfen? Du überlebst keine drei Sekunden!“, fauchte sie mich, mit hochgezogener Augenbraue, an. Aber ich ließ mich nicht von ihrer schroffen Art beindrucken oder gar unterbuttern, denn ich wusste ja, was sie damit bezweckte und warum sie so zu mir war. Sie liebte mich und wollte mich beschützen, indem sie mich von der ganzen Sache fern hielt. Deshalb straffte ich meine Schultern und blickte sie liebevoll, aber entschlossen an.
„Ja“, antwortete ich mit fester Stimme, „deshalb MUSS ich ja auch trainieren. „Und Du, meine Süße, hast mir 15 Jahre hartes Training voraus. Also…wollen wir noch mehr Zeit mit quatschen verlieren?“ Ich hörte Jake im Hintergrund kichern.
Ein paar Sekunden lang versuchte sie, ihre harte Maske aufrecht zu erhalten und mich, mit ihrem bösesten Blick einzuschüchtern. Doch dann wurden ihre Züge weicher und sie kommandierte im Kasernenton: „Na dann, auf auf, Mr. Cullen. Keine Müdigkeit vorschützen...nochmal von vorne das Ganze“, und klopfte mir dabei anzüglich grinsend auf den Po.
Ok, ich würde wohl danach auch noch Einzelunterricht im Nahkampf haben, falls ich mich, nach dieser Lektion, jemals wieder bewegen konnte.
Ich absolvierte also tapfer den Teil fünfzehn Mal hintereinander und tatsächlich schaffte ich es am Ende, wenigstens ein paar Dinger um zu pusten. Völlig fertig ließ ich mich dann neben Emmett auf den Boden sinken und sah den anderen bei ihren Trainingseinheiten zu.
„Sie nimmt dich ganz schön ran, deine Kleine“, lachte mein Bruder und reichte mir eine Wasserflasche, die ich dankend annahm und sofort in einem Zug leerte. So anstrengend hatte ich mir das hier eigentlich nicht vorgestellt. Die einzige Ausrede die ich hatte, war tatsächlich, dass Jake und Bella dafür schon seit ihrer Kindheit trainierten. Und dagegen war mein Traum vom Gangsterdasein wohl nur eine Illusion. Wenn man in diesem Milieu überleben wollte, musste man eben immer völlig auf zack und knallhart sein. Das war eben nicht Bonnie & Clyde…
Nach mir war Jasper an der Reihe und er war natürlich um Längen besser als ich. Aber selbst bei ihm, hatte Bella noch etwas zu meckern.
Als letztes war Bella selber an der Reihe, da Jake sie von dieser ersten Trainingsphase ausgeschlossen hatte. Und wir sahen auch schnell, warum. Es war unglaublich, mit welcher Schnelligkeit und Präzision sie arbeitete. Da merkte ein Blinder, dass ihr Training sehr lang und intensiv gewesen sein musste. Sie hatte quasi ihre gesamte Kindheit dafür geopfert. Unfreiwillig wohlgemerkt. Diesen Aspekt vergaß ich leider immer wieder schnell und musste mich des Öfteren daran erinnern.
In den nun folgenden Wochen wurde das Feldtraining von Jake Stück für Stück schwieriger gestaltet und die Geschwindigkeit der Anlage erhöht. Als das annähernd saß, mussten wir zu zweit rein und dabei musste man zusätzlich gut aufpassen, dass man den Verbündeten nicht aus Versehen erwischte. Was ein paar Mal echt knapp war. Bella war aus Sorge um mich oft echt weiß um die Nase. Aber sie akzeptierte weiterhin meinen Wunsch, im Kampf dabei zu sein. Wenn auch zähneknirschend.
Die hohe Kunst innerhalb dieser Trainingseinheit war letztendlich, mit verbundenen Augen in den Parcours zu gehen. Dazu wurde zwar die Geschwindigkeit der gegnerischen Pappen extrem gedrosselt, aber trotzdem hatte ich keinen blassen Schimmer, wie ich das meistern sollte. Allerdings zeigte sich in dem Falle wieder die geduldige Bella. Sie machte mit mir zusammen die gesamte Übung und zeigte mir dabei, auf was ich achten musste. Und tatsächlich schaffte ich es irgendwann, zu hören, wenn so ein Pappaufsteller hochklappte. Und vor allem wo! Bella erläuterte mir, dass ich mich ausschließlich auf meine Sinne verlassen musste, um siegreich zu sein. Auch, wenn mir davon einer genommen wurde, wie in diesem Fall das Sehen. Mir blieben ja dann immer noch die vier anderen, die ich allerdings auch benutzen können musste. Sie selber hatte in der Vergangenheit wohl schon einmal mit Gegnern zu tun gehabt, deren Anwesenheit man allein durch ihren bestialischen Gestank bemerken konnte. Das hatte ihr den entscheidenden Vorteil gebracht, da die Auseinandersetzungen meist nachts stattgefunden hatten.
Das Vormittagstraining verging bei so viel Abwechslung somit immer recht schnell und anschließend trafen wir uns alle zum gemeinsamen Mittagessen. Dabei konnte ich immer nur wieder bewundern, wie Bella innerhalb von Sekunden ihr komplettes Wesen änderte. Als ob man einen Schalter umlegte. Eben noch als gefährliche Killerin, mit der Waffe in der Hand und im nächsten Moment kuschelte sie schon wieder ausgiebig mit Jenny und lachte und scherzte mit ihr.
Nach dem Mittagessen hieß es für eine Stunde Mittagsruhe. Meist lagen Bella, Jenny und ich in unserem Bett und machten zusammen einen ausgiebigen Mittagsschlaf. Da Jenny aber meist noch länger schlief als wir, wurden wir später von Rosalie abgelöst. Und während unser Kind noch friedlich schlummerte, ging es für uns zum nachmittäglichen Nahkampftraining. Denn Mom und Dad mussten hart daran arbeiten. Ihr Dad wohl eher härter.
Emmett war davon natürlich wieder hellauf begeistert. Für ihn war das alles nur ein riesengroßer Spaß. Ich vermutete ja, er lebte nebenbei eine kleine masochistische Ader aus, denn er stand drauf, sich regelmäßig von Bella verprügeln zu lassen. Ich wählte meist Jasper als meinen Sparringspartner aus, denn gegen ihn hatte ich wenigstens den Hauch einer Chance. Aber ich hatte leider nicht oft die freie Wahl. So musste ich mich von meiner eigenen Ehefrau belehren lassen, dass eine kleine Frau DURCHAUS ein ernstzunehmender Gegner sein konnte. Ein anderes Mal musste ich gegen Jake antreten und verstauchte mir prompt die Hand an seinen brettharten Bauchmuskeln. Dabei hatte ich mich so gefreut, dass ich mal einen Treffer setzten konnte. Aber ich hielt weiter durch, auch unter den weiterhin wachsamen Blicken von Beiden.
Zum Abschluss eines jeden Tages gab es dann Kraft- und Konditionstraining mit Drill-Sergeant Bella persönlich. Ich war wirklich immer heilfroh, wenn ich das überstanden hatte, denn sie holte wirklich das Letzte aus uns allen heraus. Und natürlich auch aus sich selber. Mit sich selbst war sie immer noch einen Ticken strenger, als mit uns, so dass Jake sie manchmal sogar auf Quieleute anfauchte, dass sie ENDLICH damit aufhören sollte. Soviel verstand ich mittlerweile. Aber sie war meist ein kleiner Sturkopf und stritt sich erst mal eine Weile mit ihm rum. Denn aufgeben gab es in ihrem Vokabular nicht. Nur durchhalten. Sie forderte, zum Beispiel, Emmett so lange zum Armdrücken heraus, bis sie ihn irgendwann bezwang. Und das dauerte eine ganze Weile, denn er war ihr nicht nur kräftemäßig überlegen, sondern erkannte auch schnell, wenn sie versuchte, ihn zu hebeln.
Aber gegen ihren Dickkopf konnte er nichts machen. Ich musste ihr zwar am Abend meist die Schulter massieren, weil alles so verhärtet und verkrampft war, aber sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd, als es ihr letztendlich doch gelang ihn zu besiegen. Also ließ ich sie machen. Sie kannte schließlich ihren Körper am besten und war obendrein Ärztin. Folglich würde sie schon wissen, wann es besser war, aufzuhören. Hoffte ich zumindest.
Zusätzlich erstaunte es mich ehrlich, dass sie es beim Training immer wieder schaffte, mehr aus uns heraus zu holen. Ich wurde langsam aber sicher tatsächlich besser, schneller und stärker. Und jedes Mal, wenn ich dachte, dass ich jetzt am Limit angekommen war und es nicht mehr weiter schaffen und gleich zusammen brechen würde, fordert sie immer noch ein bisschen mehr von mir. Und das nicht gerade auf die sanfte Art und Weise. Sie machte uns mitunter richtig zur Schnecke. Aber das war nur der Auslöser für unseren Ehrgeiz und erzeugte einen Adrenalinkick, der einen sämtliche Schmerzen für einen Moment vergessen ließ.
Bella erklärte mir, dass es ihr bei jedem Einsatz ähnlich ging. Und das war auch beabsichtigt, denn durch den dauerhaft hohen Adrenalinspiegel, war sie dann zu Höchstleistungen fähig und merkte kleinere Verletzungen meist erst hinterher. Jake hatte sich wohl sogar einmal den Arm bei einem Kampf gebrochen und es erst Stunden später bemerkt. Aber auch die Belastungsfähigkeit unserer Körper wurde dadurch trainiert und verlängert. Was unabdingbar war.
Unser größter Vorteil im Kampf gegen Aro war, neben dem Maulwurf, dass viele der Männer, die er beschäftigte, wohl eher untrainiert waren. Bella meinte, dass sie sich im Kampf im Allgemeinen zu sehr auf ihre Waffen verließen. Und wenn man sie dann aber entwaffnet hatte, alle so ziemlich hilflos waren. Dies würde unser kleiner, aber feiner Vorsprung werden.
Also ergab ich mich meinem Schicksal. Ich hatte es ja selber so gewollt. Auch wenn das hieß, dass ich jeden Abend mit Muskelkater und schmerzenden Knochen ins Bett ging. Es wurde ja auch jeden Tag ein wenig besser.
Zumal ich mittlerweile einfach durchhalten musste, denn zusätzlich zu ihren scharfen Kommandoton gab es da noch eine Sache, mit der Bella meine Leistungsbereitschaft motivierte: Sie ließ unsere Tochter beim Trainieren zu sehen. Da konnte ich doch nicht versagen. Nicht, wenn meine kleine Tochter durch die Gegend flitzte und „Daddy, du bist toll“ rief und dachte, dass ihr Dad der Größte war.
Wenn sie wüsste…
Durch all das intensive Training bemerkte ich nicht wirklich, wie schnell die Zeit verging. Meine Tage waren so ausgefüllt und anstrengend, dass ich überhaupt keine Zeit hatte, darüber nachzudenken. Was mir allerdings immer wieder zu denken gab, war die Finanzierung der ganzen Aktion. All die Sportgeräte, die Waffen und natürlich auch das Versteck musste eine Menge Geld verschlingen. Nicht zu sprechen von den Ausgaben, uns alle jeden Tag zu versorgen. Wir waren schließlich eine Menge hungriger Mäuler hier. Vor allem, da Emmett immer für zwei aß Mein Bruder war eindeutig mit schwanger. Also woher kam das viel Geld? Von Aro erhielt ja Bella ganz sicher nichts mehr. Alle ihre schönen Kreditkarten waren bestimmt völlig wertlos, weil er sie hatte sperren lassen.
Eine Weile lang traute ich mich nicht mal zu Fragen. Keine Ahnung, wovor ich eigentlich Angst hatte, aber irgendwann nahm ich meinen Mut zusammen und fragte Bella gerade heraus danach.
„Willst du die genauen Quellen wissen, oder nur die grobe Richtung?“, fragte sie mich sichtlich amüsiert.
„Öhm“, stotterte ich. „Naja...schon etwas genauer, wenn’s geht. Denn das hier verschluckt jeden Tag ne Menge Geld, da wüsste ich schon gerne, woher es kommt. Es ist bestimmt illegal, oder?“
„Also aus legalen Geschäften kommt es sicher nicht. Wir haben uns mit den südamerikanischen Bereichen von Aros Imperium verbündet. Dank Marcus, sind die uns wohl gesonnen. Sonst hätte wir da keinen Fuß auf den Boden bekommen, glaub‘ mir. Außerdem haben wir noch einen weiteren Verbündeten. Aber die möchten unerkannt bleiben.“
„Wen?“, fragte ich neugierig. „Darfst du mir das sagen…?“ Verbündete waren immer gut. Vor allem Wohlhabende. Je mehr, desto besser.
„Die Montalban…“, antworte sie leise.
Der Name kam mir irgendwie bekannt vor...
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