Freitag, 24. Juni 2011

SML - 41 - city of delusion

41 city of delusion

Ich hielt Bella fest in meinen Armen und wollte sie am liebsten nie wieder loslassen. Eine Welle der Erleichterung durchfuhr mich, jetzt wo Rosalie und Emmett in Sicherheit waren. Nun konnten wir endlich zu den Anderen zurückkehren und alles würde gut werden. Ich wollte am liebsten so schnell wie möglich wieder zu Alice und Jenny zurück, denn, auch wenn Bella mir tausend Mal versichert hatte, dass sie dort absolut sicher waren, ich hatte trotzdem ein ungutes Gefühl dabei, so lange von meiner Tochter getrennt zu sein.

„Wenn du deine Frau kurz loslassen könntest, würde ich ihr auch gerne danken“, hörte ich plötzlich Rosalies Stimme. Sie klang noch sehr leise und irgendwie belegt. Für sie war das alles bestimmt ziemlich schockierend gewesen. Erst stehen zwei vermummte Kerle im Zimmer und kidnappen sie gewaltsam, dann taucht ihre totgeglaubte Schwägerin plötzlich wieder auf.

Etwas widerwillig löste ich mich von Bella, die sich lächelnd zu Rose umdrehte.

„Ich verstehe zwar nicht recht, warum du jetzt plötzlich wieder lebendig bist, aber ich danke dir trotzdem von Herzen, dass du uns gerettet hast.“ Sie zog Bella in eine liebevolle Umarmung. „Und egal, wo du warst... willkommen zurück.“ Ein paar Tränen liefen ihre Wangen hinab. „Ich hatte solche Angst... ich hab ehrlich gedacht, die bringen uns um, weißt du...gerade jetzt, wo...“

„Ist schon gut, Rosie“, Emmett strich ihr beruhigend über das Haar. „Es ist alles okay, Bella ist ja da. Bitte nicht zu sehr aufregen, du weißt, was der Arzt gesagt hat. Es ist nicht gut für das Baby...“

Baby? Hatte er gerade etwa Baby gesagt? Prüfend ließ ich meinen Blick über sie gleiten, aber ich fand, dass sie eigentlich aussah wie immer.

„Wie weit bist du denn?“, fragte Bella und nahm von Jasper ein Taschentuch entgegen, mit dem sie Rose die Tränen abtupfte.

„Noch nicht sehr weit, erst in der achte Woche. Aber deshalb habe ich ja solche Angst, dass es schiefgeht“, kam es brüchig von ihr und die Tränen begannen wieder vermehrt zu laufen. „Bis zur zwölften Woche ist ja eh alles so unsicher, auch ohne solchen Stress. Wenn ich auch nur ein wenig Bauchkneifen habe, denke ich immer gleich an eine Fehlgeburt. Meine Mutter hatte drei... und jetzt die Aufregung...ich weiß nicht, ich hab einfach solche Angst es zu verlieren...“

Emmett schaute mittlerweile ziemlich hilflos drein und versuchte weiterhin Rosalie zu beruhigen, in dem er an ihren Armen rauf und runter streichelte.

Rose war schwanger? Waren die beiden vielleicht deswegen vor ein paar Wochen hier raus gefahren? Mir hatten sie irgendwas von Erholungsurlaub erzählt, aber so langsam bekam ich den Eindruck, dass es allein wegen der Schwangerschaft gewesen war. Dass sie nicht genau gewusst hatten, wie sie es mir sagen sollten. Was ich aber gut verstehen konnte, denn nach Bellas angeblichem Tod, konnte ich keine schwanger Frau mehr ansehen, ohne mich selber fertig zu machen. Teilweise brach ich sogar in Tränen aus, oder besser gesagt, war ich ausgebrochen. Wobei es Jasper nicht besser ging. Er hatte mal einen totalen Zusammenbruch gehabt, als er eine dunkelhaarige Frau in einem ähnlichen Kleid gesehen hatte, wie Bella es getragen hatte, als sie angeschossen wurde.

Bella legte ihre Hände an Rosalies tränennasses Gesicht, um sie zu trösten. Wieder einmal konnte ich nur bewundern, wie schnell sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Eben noch hatte sie mit genau diesen Händen, ausgewachsenen Männern ohne Probleme das Genick gebrochen. Und jetzt legte sie sie zärtlich an das zerbrechliche Gesicht meiner Schwägerin. Und ich hatte nicht einmal den Hauch von Angst, dass sie ihr etwas tun würde.

„Alles wird gut, Rosalie“, sprach sie mit leiser Stimme auf sie ein. „Mach dich nicht fertig. Wenn du ruhig bleibst, wird Dir und dem Baby nichts passieren. Atme tief ein und aus und versuche dich auf etwas Erfreuliches zu fokussieren. Es ist keinem damit geholfen, wenn du dich jetzt so aufregst. Ich verstehe ja, dass das alles ein wenig viel zu verarbeiten ist, aber versuch bitte, an dein ungeborenes Kind zu denken, okay? Jegliche Art von Stress ist bei deiner Vorgeschichte wirklich ungünstig. Wenn es dich beruhigt, mache ich einen Ultraschall, sobald wir wieder in Chicago sind, okay? Dort habe ich die Möglichkeit dazu.“

Rosalie nickte langsam.

„Okay und jetzt komm, denn wir sollten wirklich langsam fahren“, Bella legte ihren Arm um Rosalies Schultern und führte sie zum Auto.

„Verdammte Scheiße…“, kam es neben mir von Emmett, der mit frustriertem Gesichtsausdruck den Kopf schüttelte. „Müsste sie eigentlich nicht, zwei Meter unterhalb der Erdoberfläche, in einem Ding namens Sarg liegen? Sind wir hier bei Friedhof der Kuscheltiere? Oder in einem Vampirfilm? Ich meine, so wie sie die beiden Typen vorhin erledigt hat, das war echt...boah... wie in nem Film oder so. Also selbst für eine nicht angeblich Tote, total abgedreht. Als wäre Bruce Lee in ihren Körper geschlüpft...oder Jackie Chan... das war einfach...“ Plötzlich atmete er zischend aus. „Mann, das Tattoo ist ja echt … ich weiß gar nicht, was ich sagen soll…“

Ich folgte seinem bewundernden Blick und sah Bella, deren Rücken durch die Innenraumbeleuchtung des Autos angestrahlt wurde, während sie Rose beim Einsteigen half.

„Kommt Jungs, einsteigen. Wir sollten lieber fahren, falls irgendein aufmerksamer Nachbar die Bullen gerufen hat oder so“, unterbrach ihn Jake und wir stiegen ebenfalls rasch in den Hummer.

Die Fahrt zurück verlief recht schweigsam. Rosalie hatte den Kopf auf Bellas Schoß gelegt und schlief, während ihr Bella über den Kopf strich und irgendetwas leise summte. Emmett ließ sich von Jasper flüsternd erzählen, was vorhin draußen abgelaufen war. Dabei warf er immer wieder bewundernde Blicke in Richtung Bella. Vermutlich kamen ihm dieselben Gedanken wie mir, beim Anblick ihrer kleinen Hände.

Und ich konnte meinen Blick nicht von ihr nehmen. Im Halbdunkel sah ich zwar nicht allzu viel, aber ab und zu wurde ihre Gestalt durch die Scheinwerfer entgegenkommender Fahrzeuge, matt beleuchtet.

Sie war ein wenig schmaler, als ich es in Erinnerung hatte. Und sie sah auch ein wenig geschaffter aus. Tiefe Augenringe lagen wie Schatten unter ihren, trotzdem sehr wachen Augen.

Trotz des wenigen Lichts sah ich auch, dass sie mich ebenfalls beobachtete.

Ich hatte so viele Fragen, die mir auf der Seele brannten... warum sie das alles nur getan hatte... wer dafür verantwortlich war... warum sie jetzt Krieg gegen Aro führte... aber die mussten wohl erst mal warten. Auch hatte ich das unbändige Verlangen, sie wieder in den Arm zu nehmen und vielleicht auch einmal zu küssen.

Unser letzter Kuss war schon so lange her, dass die Erinnerung daran so ziemlich verblasst war.

Als wir endlich an unserem Ziel ankamen, war es weit nach Mitternacht.

Der Unterschlupf lag in einem verlassenen Industriegebiet und schien früher Büroräume beherbergt zu haben. Jake lotste Emmett hinein, der die schlafende Rose trug, während Bella, Jasper und ich ihm leise folgten. Mein Bruder wünschte uns sogleich gute Nacht und verschwand mit Rose in einem der zahlreichen Räume.

Alice und Jenny schliefen natürlich auch schon und Jasper begab sich gleich leise zu ihnen.

„Sind wir hier wirklich sicher?“, fragte ich Bella, als auch er uns eine gute Nacht gewünscht hatte. Dass die Geiselnehmer Emmett und Rose aufgespürt hatten, machte mir wirklich Sorgen. Und so langsam begriff ich auch, dass es hier und jetzt verdammter Ernst war. Wir befanden uns mitten in einem Krieg, in dem es keine Rücksicht auf Verluste geben würde.

„Mach dir keinen Kopf“, versuchte Bella mich zu beruhigen. „Jake hat alles im Griff.“ Sie strich mir sanft durchs Haar. „Du solltest schlafen gehen, es ist schon spät.“

„Und was ist mit dir?“, gab ich verwundert zurück.

Sie wollte gerade antworten, als ihr Jake zuvorkam. „Für Bella gilt natürlich das Selbe.“

„Jake…“, sie rollte mit den Augen.

„Nichts mit Jake“, er hielt ihr drohend seinen Zeigefinger vor die Nase. „Du bist seit fast 48 Stunden auf den Beinen, auch du brauchst mal Ruhe.“

„Du dann aber ebenso, bei dir ist es schließlich noch länger her, dass du schlafen konntest.“, konterte sie und hielt seinen Finger einfach völlig unbeeindruckt fest. „Außerdem zeigt man nicht mit nacktem Finger auf angezogene Menschen. Wurde dir früher eigentlich kein Anstand beigebracht?“

„Anstand habe ich abgewählt“, grinste er. „Und JETZT: Marsch ins Bett! Und keine Widerrede mehr!“

„JA MAMA“, entgegnete Bella, nahm mich an der Hand und zog mich rasch von ihm fort, aber nicht, ohne ihm noch ein: „Gute Nacht, John-Boy…!“ zuzurufen.

„Nacht Bella, Nacht Edward. Und denkt dran: SCHLAFEN … nebeneinander, nicht aufeinander!“

Bella blieb abrupt stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um. „Sagt der, der nicht mal bei einem Ausbruch seine Finger bei sich behalten kann! Ich habe die nötigen Informationen direkt von der Quelle…“ Dann streckte sie ihm die Zunge raus und lief weiter. Ich hört ihn laut auflachen. Verwirrt murmelte ich ihm auch noch eine ‚Gute Nacht‘ zu und ließ mich dann einfach von Bella weiter ziehen.

Unser Zimmer war spärlich eingerichtet. Ein Bett. Zwei Stühle. Ein Schrank.

Bella schaltete ein kleines Nachttischlämpchen an und öffnete die Träger ihres Neckholders. Dabei ließ sie verkrampft die Schultern kreisen.

„Verspannt?“, fragte ich und legte meine Hände auf ihre nackten Schultern. Ich zwang mich, dabei nicht auf ihre Brüste zu schielen.

„Mhmmm“, schnurrte sie leise.

„Soll ich dich massieren?“

„Mhmmm“, machte sie wieder und drehte sich zu mir herum. Für einen Moment stockte mir der Atem. Ihre einst so makellose Haut, war durch die Narben zerstört. Es waren zwar nur noch blassrosa Linien davon über, welche aber trotzdem gut zu erkennen waren.

Zaghaft fuhr ich die Schnitte kurz oberhalb ihrer Brust nach, wo sie vor Monaten von den Kugeln getroffen worden war. Erst jetzt sah ich richtig, welches Glück sie dabei wirklich gehabt hatte. Die eine Kugel musste ihr Herz nur um Zentimeter verfehlt haben.

„Der Bulle hatte, Gott sei Dank, keine Ahnung von Anatomie“, lächelte sie. „Etwas tiefer und er hätte meine Aorta zerfetzt. Dann wäre das sofort das Ende gewesen…“

Mit großen Augen sah ich sie an.

„Edward, es ist alles okay. Ist alles wieder in Ordnung, hörst du?“ Frustriert massierte sie sich die Stirn. „Ich schätze, wir sollten erst mal darüber reden, oder?“ Sie schlüpfte aus dem Catsuit und kletterte auf das Bett. Einladend klopfte sie auf die Decke neben sich.

So schnell es ging, zog ich mir meine leichte Jacke aus, öffnete die obersten Knöpfe meines Hemndes und setzte mich neben Bella. Ihr fiel natürlich sofort die Tätowierung auf meiner Brust und auf meinem Arm ins Auge.

„Sieht gut aus“, murmelte sie anerkennend und fuhr mit dem Finger darüber. „Man könnte noch hier und da ein paar Highlights setzen, aber ansonsten ist es wirklich gute Arbeit.“ Dann bedeute sie mir, mich gegen das Kopfende zu lehnen und setzte sich zwischen meine Beine. Genau wie damals, als sie mir von ihren Eltern erzählt hatte.

Ein ziemlich ungutes Gefühl überkam mich. Denn egal, was sie mir jetzt erzählen wollte, es würde mir sicher nicht gefallen.

„Wo fange ich nur an...“, sagte sie so leise, dass ich nicht wusste, ob es für mich bestimmt war.

„Vielleicht direkt am Anfang. Wer hat dir das Ganze eigentlich eingebrockt?“, antwortete ich ebenso leise, legte meine Arme um sie herum und mein Kinn auf ihre Schulter.

„Willst du das wirklich wissen, Edward?“

„Natürlich! Irgendein hochrangiger Polizeibeamter muss doch dahinter stecken. Wenn nicht einmal Jasper davon wusste. Irgendwie muss man den doch zur Rechenschaft ziehen können, oder?“

Bella seufzte. „So einfach ist das leider nicht.“ Sie schwieg einen Moment, ehe sie leise fortfuhr. „Es war dein Vater.“

„Mein Vater?“, hakte ich ungläubig nach. Wie kam er denn zu so was? Und warum?

Sie nickte langsam. „Er kam kurz nach unserer Hochzeit zu mir und setzte mir förmlich das Messer auf die Brust. Als erstes erzählte er mir, dass Jake nicht mehr am Leben war. Was natürlich gelogen war, aber damals klang das durchaus logisch für mich.“

„Er hat was?“, rief ich aus.

„Dein Vater kannte nur zu gut meine Schwachpunkte. Er sagte zwar einfach nur, dass niemand die Schießerei überlebt hatte, aber er wusste natürlich genau, was das für mich bedeutete. Neben dem Schock und der Trauer, Jake, Seth und Sally tot zu wissen, was für mich fast so war, als wäre ich selber gestorben, kam natürlich der Fakt, dass ich jetzt völlig alleine da stand. Ohne Jake und Sally war niemand mehr da, der mir zu einer Flucht hätte verhelfen können. Und dein Vater hat mir klar gemacht, dass er mich zwar leider nicht mehr zum Tode verurteilen konnte, aber dafür sorgen würde, dass ich mein Leben lang hinter Gittern bleiben würde. Wobei das bei meinem Vorstrafenregister keine Kunst ist. Und er hat mich natürlich auch darauf hin gewiesen, wie das dann wohl für dich und Jenny wäre...“

„Verdammter...“, knurrte ich. Wie konnte er nur so etwas tun? Sich so in mein Leben einmischen. Hatte er denn noch nicht genug verpfuscht?

„Naja und dann hat er mir angeboten, dass ich auch freiwillig aus deinem Leben verschwinden könnte. Er würde meinen Tod vortäuschen und mich dann irgendwo unterbringen, wo mich keiner finden würde. Im Gegenzug dazu, hatte er mir versprochen, dich in Ruhe zu lassen. Und damals wusste ich es einfach nicht besser. Ich hatte auch Angst um dich und Jenny, dass euch jemand was antun könnte.“

„Uns etwas antun? Warum denn das? Und was ist denn mit Aro? Der hätte dich damals doch sicherlich auch raus geholt, oder?“

Bella schnaubte. „Aro hätte euch, ohne mit der Wimper zu zucken, töten lassen, nur um mir eine Lektion zu erteilen.“ Sie drehte sich um und sah mich an. „Aro hatte bis dahin geglaubt, das Kind wäre von Jake. Ich will nicht wissen, wie er auf die Nachricht reagiert hat, als er dann erfahren hatte, dass du der Vater bist. Mit Sicherheit nicht positiv. Er hatte schließlich auf Nachwuchs gehofft, der die Blacks und Volturi dauerhaft zusammenschweißen würde. Das Ganze war von Anfang an ein abgekartetes Spiel.“

„Wie meinst du das?“

„Einfach alles. Das Jake und ich zusammen aufgewachsen sind. Das ich nie Kontakt zu anderen Männern haben durfte. Dadurch kam es zwangsläufig dazu, dass Jake und ich irgendwann miteinander schliefen. Und Aro hatte das alles so geplant. Er hat sogar meine Verhütungs-Spritzen mit Kochsalzlösung füllen lassen, weil er unbedingt einen Erben von uns wollte. Es war alles nur dazu gedacht, seine Macht zu stärken. Nichts weiter. Wir waren beide bloß Bauern in einem Spiel, von dem wir nicht mal die Regeln kannten. Und haben nebenbei die Drecksarbeit für ihn erledigt.“

„Das ist krank“, murmelte ich kopfschüttelnd.

„Das ist noch nicht einmal das Schlimmste“, sie holte tief Luft. „Er hat den Tod meiner Eltern angeordnet, nur weil ich ein Mädchen und mit ihm verwandt war. Er brauchte jemanden passendes für Jake. Wäre ich ein Junge, würden meine Eltern vermutlich heute noch am Leben sein.“

Heilige Scheiße...





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