Sonntag, 3. April 2011

SML - 35 - what family is for

35 what family is for

„Darf ich das Baby auch mal sehen?“, hörte ich plötzlich die Stimme meiner Mutter hinter mir und drehte mich langsam zu ihr um.

Esme stand in der Tür und lächelte mich schüchtern an. Ich erwiderte es strahlend. Für einen ganz kurzen Moment war ich einfach nur ein glücklicher und verdammt stolzer Vater, der sein Erstgeborenes in den Armen hielt.

„Komm ruhig zu uns, Mom“, erwiderte ich und sie trat zaghaft näher, während Alice ein wenig aufrückte, um ihr Platz zu machen. Esme war im Moment ein wenig unsicher im Umgang mit uns. Obwohl ich, ehrlich gesagt, keinen Grund dazu sah. Aber sie war eben zur Zeit total verunsichert und wusste nicht wirklich, wie sie sich verhalten sollte. Carlisle hatte ihr komplettes Weltbild zum Einstürzen gebracht.

Esme dachte bisher immer, dass Carlisle und sie eine stabile, liebevolle Ehe führten. Aber durch den Streit mit mir kam ans Tageslicht, dass er sie schon jahrelang mit Tanyas Mutter, Carmen, betrog. Und das Irina, Tanyas jüngere Schwester, in Wirklichkeit seine eigene Tochter war. Daraufhin hatte sie sich endgültig von ihm getrennt und war dabei, die Scheidung einzureichen. Da sie selbst aus gutem Hause stammte, brauchte sie nicht zu befürchten, dass sie am Ende mit nichts da stand. Außerdem hatte sie Rose als Anwältin. Aber trotzdem war es nicht einfach für sie. Was wir alle gut verstanden und einfach versuchten, sie in ihrer Entscheidung zu unterstützen.

Ich persönlich bewunderte sie wirklich für den Mut, diesen Schritt zu tun. Denn in unseren Kreisen war so etwas nicht gerne gesehen. Geliebte waren da ja eigentlich an der Tagesordnung. Die Ehefrauen, die meist davon wussten, hatten einfach stillschweigend zuzusehen. So etwas war eigentlich kein Scheidungsgrund. Und zu meiner Schande musste ich ja eingestehen, dass ich, wenn ich Bella nicht getroffen hätte, bald genauso geworden wäre. Ich wäre Tanya nie treu gewesen. Ehrlich gesagt, fragte ich mich im Nachhinein manchmal, wie falsch eigentlich mein Bild von einem glücklichen Leben gewesen war. Denn richtig glücklich wäre ich wohl nie gewesen, denn es hätte immer etwas gefehlt. Oder jemand. Nur hätte ich es nicht benennen können.

„Oh, sie ist wirklich wunderhübsch“, flüsterte Esme andächtig und strich Jenny mit dem Finger sanft über die Stirn. „Sie hat wirklich genau dieselbe Haarfarbe wie du. Und eine süße Stupsnase.“ Dann beugte sie sich vor und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Wie heißt sie?“

„Jenny“, kam es von nun Emmett. „Und jetzt lasst mich mal ran, der nette Onkel will auch mal gucken!“ Sein Kopf tauchte neben dem von Esme auf. „Oh man, ziemlich zerknautscht, was? Hat Jazzi wohl zu fest gedrückt, oder? Naja, wenigstens hat er sich nicht auf ihr übergeben, bei all dem Blut und dem Schnodder, das bestimmt an ihr klebte.“

„Emmett“, schalt ihn Rose sofort. „Ich kann dich ja mal ein paar Monate in ein Aquarium stecken, mal sehen, wie verschrumpelt du dann aussiehst!“ Dann schob sie ihn einfach zur Seite und zog Jasper neben Esme. „Jetzt lass doch auch mal die anderen gucken, die machen vielleicht nicht solche dummen Kommentare wie du.“

Jasper war zwar wieder mal etwas weiß im Gesicht, sah aber tapfer lächelnd auf mein Baby hinunter. „Sie ist genauso hübsch wie ihre Mama“, flüsterte er leise und ich biss mir auf die Unterlippe. Der Kloß in meinem Hals war augenblicklich wieder da. Ihre Mama...

Esme legte ihre Hand tröstend auf meine Schulter. „Wie geht es... deiner Freundin?“, fragte sie mitfühlend und lächelnd mich sanft an. Sie hatte es inzwischen akzeptiert, dass ich Bella liebte und unterstütze mich, wo sie nur konnte.

„Sie ist noch im OP. Wir wissen noch nicht mehr…“, antwortete ich leise. Alle schwiegen sofort betreten.

Alice Arme schlossen sich plötzlich fest um meine Taille. „Sie wird wieder“, flüsterte sie gegen meinen Rücken. „Du musst nur fest daran glauben.“

Ich schluckte und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken.

Einen Augenblick herrschte Stille, bis plötzlich die Tür aufging und zwei Typen in schwarz ins Zimmer traten.

Irritiert drehte ich mich zu den Beiden um und hielt instinktiv Jenny fest an mich gedrückt. So wie die Typen aussahen, hatten die garantiert nichts Gutes im Sinn.

„Mr. Cullen“, sprach der eine mich barsch an. „Federal Agent Jay und Kay“, er hielt eine Marke der Bundesbehörde hoch. „Ich nehme an, bei dem Kind in ihren Armen handelt es sich um die Tochter von Isabella Swan?“

Ich nickte stumm.

„Wir müssen Sie bitten, das Kind umgehend in unsere Obhut zu übergeben…“

„Was?“, unterbrach ihn Emmett. „Er ist der Vater, sie können ihm doch die Kleine nicht wegnehmen.“

Der Typ lächelte wissend. „Solange die Vaterschaft nicht zweifelsfrei nachgewiesen wurde, untersteht das Kind der Obhut des Staates. Also bitte, geben Sie mir das Kind. Sofort.“

„Auf keinen Fall“, entgegnete ich laut und wich ein wenig vor ihnen zurück. „Sie ist meine Tochter und ich werde sie ganz bestimmt nicht einfach so hergeben.“

„Mr. Cullen“, er räusperte sich. „Wenn Sie nicht kooperieren, sind wir befugt, auch zu anderen Mittel zu greifen.“ Er öffnete sein Jackett und ich konnte einen Blick auf die Waffe erhaschen, die er in einem Holster am Hosenbund trug.

Blöder Wichser. Wenn Bella jetzt hier wäre, würde er vermutlich nicht einmal mehr am Leben sein, geschweige denn, dass er Zeit gehabt hätte, mir seine blöde Knarre zu präsentieren…

„Dann müssen Sie mich wohl erschießen“, entgegnete ich kühl. „Das soll ihre kleine Andeutung wohl bedeuten. Freiwillig gebe ich jedenfalls meine Tochter nicht her.“

„Und mich ebenfalls“, kam es von Jasper und er stellte sich direkt vor mich.

„Yepp, genau“, machte Emmett und stellte sich direkt daneben. Esme, Rose und Alice taten es ihnen selbstverständlich sofort gleich.

Frustriert sah er uns an. „Herrschaften, seine Sie doch vernünftig! Wir können das hier doch auch ohne Gewalt lösen. Müssen wir uns denn erst einen richterlichen Beschluss einholen?“

„Das können Sie gerne versuchen“, kam es jetzt von Rose und sie stellte sich mit verschränkten Armen und ihrem bitterbösesten Anwältinnen Blick vor uns hin. „Der Name des Kindes lautet Cullen, nicht Swan. Vielleicht sollten SIE erst einmal einen Nachweis bringen, dass Isabella Swan die Mutter dieses Kindes ist.“

Zähneknirschend gab der Typ nach. „Na gut. Aber das letzte Wort ist in dieser Sache noch nicht gesprochen. So einfach geben wir nicht auf.“ Dann stürmten die zwei aus der Tür und schlossen diese lautstark hinter sich.

Erleichtert atmete ich auf und lockerte meinen Griff um Jenny wieder. Alice trat auf mich zu und deutete mit den Händen an, dass sie die Kleine nun endlich auch mal halten wollte.

Etwas widerwillig löste ich sie aus meinen Armen und reichte sie meiner Schwester, die sie strahlend abnahm und ihr gleich irgendwas über rosafarbene, glitzernde Strampler zuflüsterte.

„Die Typen haben wirklich keine Zeit vergeudet. Gott sei Dank, sind sie ja erst mal wieder abgehauen“, murmelte Rosalie und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Dann sah sie fragend zu mir. „Warum heißt die Kleine eigentlich Cullen? Nicht, dass es mir nicht gefallen würde. Ohne diesen Fakt wären wir die Kerle vermutlich nicht so schnell losgeworden. Aber eigenartig ist es schon.“

Ich zuckte mit den Schultern und sah fragend weiter zu Jasper. Rose ebenfalls.

„Die Schwester hat mich sofort nach dem Namen der Kleinen gefragt, als ich reinkam. Und irgendwie ist mir da Cullen raus gerutscht.“ Er hob entschuldigend die Hände.

„Mhmm“, machte Rosalie, sah kurz nachdenklich aus dem Fenster, ehe sie mich wieder ansah. Alice und Esme waren derweil völlig mit Jenny beschäftigt. Die beiden sahen sie mit dermaßen strahlenden Gesichtern an, als wäre Weihnachten und Ostern an einem Tag, während Emmett drum herum hopste und Grimassen zog. Es war schön zu sehen, dass meine Kleine so unproblematisch in die Familie aufgenommen wurde. Das machte mir Hoffnung, dass es bei Bella nicht anders laufen würde.

Vielleicht könnten wir dann doch noch irgendwann eine große, glückliche Familie werden...

Und vielleicht auch noch mehr Kinder haben... also ich hätte bestimmt nichts dagegen... Irgendwie machte es Lust auf mehr, wenn man erst mal das erste Eigene in den Händen hielt...

„Es wäre alles einfacher, wenn ihr verheiratet wäret“, kam es plötzlich von Rose und sie sah mich abwartend an.

Ich war so perplex, dass ich gar nichts dazu sagen konnte.

„Habt ihr darüber schon mal nachgedacht?“, fragte sie weiter.

Langsam schüttelte ich den Kopf. „Also nicht so richtig. Nicht geredet. Ich für meinen Teil habe schon darüber nachgedacht. Irgendwie. Aber ich weiß nicht, was sie darüber denkt. An sich ist sie ja nicht der typische married-with-two-children-Typ. Und außerdem hatten wir später keine Zeit mehr dazu. Es ging dann alles so schnell…“

„Meinst du denn, sie würde dem zustimmen?“ Rose schien voll in ihrem Anwaltsmodus zu sein. Irgendetwas ging in ihrem hübschen Köpfchen vor. Sie schien schon eine Lösung für uns zu haben.

„Öhm, naja...“, begann ich, wurde aber von Jasper unterbrochen.

„Ich denke schon. Sie liebt ihn wirklich. Sie wäre vermutlich zwar eher diejenige, die IHM den Antrag macht, aber ansonsten hätte sie bestimmt nichts dagegen. Aber wie willst du so schnell jemanden findet, der die beiden mal eben so verheiratet, ohne viele Fragen zu stellen oder die Presse aufzuscheuchen?“

„Tjaaaaa, wir brauchen niemanden finden, wir haben schon jemanden“, sie grinste und deutete mit dem Daumen auf meinen Bruder, der immer noch wie ein wild gewordenes Känguru um Jenny herum hopste. Um einen Babysitter musste ich mich vermutlich nie sorgen. Emmett würde sich mit Sicherheit freiwillig melden. Esme und Alice ebenso. Aber was zur Hölle meinte Rose damit, dass wir niemanden zu suchen brauchten? Sie meinte doch nicht etwa....

„…Emmett?“, fragte ich verwirrt und er sah auf.

„Was ist mit mir?“, fragte er lächelnd, trat von hinten an Rose heran und legte einen Arm locker um ihre Schulter.

„Er hat eine marriage licence, vor ein paar Jahren hat er mal eine Freundin von mir verheiratet.“

Ich sah ziemlich baff zu den Beiden. „Ehrlich?“ Es gab wirklich immer noch so vieles, was ich über meinen eigenen Bruder nicht wusste.

„Yepp“, er grinste noch breiter. „Hat mich nur ein paar Dollar gekostet. Und ich darf legal im Bundesstaat Illinois Hochzeiten durchführen. Wo und wann ich will. Ich könnte dich in der Badewanne verheiraten, oder im Bus. Im Notfall auch unter einer Straßenlaterne.“ Dann stutzte er kurz und schien unser plötzliches Interesse daran zu begreifen. „Du willst die Süße heiraten? Hat das nicht noch Zeit? Im Moment kann sie ja wahrscheinlich noch nicht einmal alleine stehen, oder? Und dann die Hochzeitsnacht und so. Das kannst du im Moment vermutlich auch alles voll vergessen. Soweit mir bekannt ist, darfst du die ersten sechs Wochen nach der Geburt sowieso nicht ran.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich ernst an.

Verdammt... wieso hat mein Bruder eine Heirats-Lizenz? Und woher wusste er so viel über Geburten? Hatte er vielleicht nebenbei einen Kurs zur Hebamme gemacht? Wohl möglich gab er Bella demnächst noch eine Stillberatung oder so was...

Rosalie schien das Ganze nicht wirklich zu verwundern.

War bestimmt ein Partnerkurs...

„Meiner Meinung nach, sollten die Beiden so schnell wie möglich heiraten. Sobald sie ansprechbar ist, musst du sie fragen, Edward.“ Rose sah mich ernst an. „Ich befürchte, sonst nehmen sie dir Jenny doch noch weg. Das mit dem Nachnamen wird sie nicht lange aufhalten. Oder sie kommen auf den Dreh, dich nicht einmal mehr zu Bella zu lassen. Bist ja nicht mir ihr verwandt. Wenn ihr verheiratet seid, kann niemand mehr etwas dagegen haben, verstehst du?“

Sie löste sich von Emmett, trat vor mich und legte ihre Hände an meine Oberarme. „Ich weiß, dass du dir vielleicht eine etwas andere Situation dafür gewünscht hättest. Und ein größeres Fest vielleicht, oder grundsätzlich eine andere Situation, aber glaube mir, mit diesen Typen ist nicht zu spaßen. Die werden nichts unversucht lassen, euch zu dauerhaft trennen.“ Eindringlich sah sie mich an. „Du weißt doch, wie diese Typen ticken. In ihren Augen hätte Bella lieber sterben sollen und sie wissen ganz genau, dass sie nie das Leben ihres Kindes riskieren würde. Also werden sie mit allen Mitteln versuchen, Jenny als Faustpfand in ihre Finger zu bekommen. Ich befürchte sogar, dass wir nur wenige Stunden Vorsprung haben. Und die müssen wir klug nutzen. Hoffentlich wird sie schnell wieder wach. Und sobald sie sprechen kann, muss sie nur eben JA sagen. Den Rest regle ich dann.“

Einen Moment lang, sah ich Rose einfach nur an, ehe ich sie in meine Arme nahm und ihr überwältigt ein „Danke“ ins Ohr flüsterte.

„Keine Ursache“, flüsterte sie und drückte mich an sich. „Bella gehört jetzt zur Familie. Und wir beschützen unsere Familie.“

Die Tür wurde leise geöffnet und eine kleine, spanisch anmutende Schwester trat zu uns.

„Mista Cullen?“, sie sah Emmett mit großen Augen an. „Ich sollte ihnen doch Bescheid sagen, wenn Miss Swan aus dem OP kommt.“ Sie lächelte ihn schüchtern an. „Sie befindet sich jetzt auf der Intensivstation. Der Doctore geht in zehn Minuten in seine Mittagspause, da kann ich sie ungesehen reinschleusen.“

Emmett trat auf sie zu und nahm ihre Hände in seine. „Babette, sie sind ein Engel!“

Ihre Wangen färbten sich daraufhin tiefrot und sie verschwand mit einem kleinen Nicken wieder aus der Tür.

Rose legte den Kopf schief und sah erwartungsvoll zu ihrem Ehemann. Sie wartete wohl genauso wie wir auf eine Erklärung.

„Ähm“, machte dieser. „Das war die Schwester, die mir vorhin das Blut abgenommen hat. Sie hat sich dabei furchtbar darüber aufgeregt, dass niemand sich um den armen Kerl, der das Baby rein brachte, gekümmert hat. Sie wollte zu ihm gehen, wurde aber von der Oberschwester zurückgepfiffen. Und sie hat auch aufgeschnappt, dass niemand zu der Mutter gelassen werden darf.“ Er lächelte. „Sie war ganz außer sich und murmelte irgendwas wie ‚auch sie hat bestimmt eine Familie’. Als ich ihr dann erzählte, dass ich der Onkel der Kleinen bin, hat sie mir sofort vorgeschlagen, mich und den Rest der Familie hochzubringen, sobald Bella aus dem OP ist.“

„Riskiert sie damit nicht ihren Job?“, fragte ich perplex.

„Das habe ich sie auch gefragt, aber sie hat mir nur zugezwinkert und gesagt, dass sie ja nicht einmal eine Aufenthaltsgenehmigung hätte.“

Wortlos ging ich zu meinem Bruder und umarmte ihn.

„Ist schon gut, Kleiner“, murmelte er. „Du glaubst ja nicht, wie sehr ich mich darauf freue, endlich deine Braut kennen zu lernen. Sie ist bestimmt ein großartiger Mensch.“

Ich nickte und unterdrückte ein paar Tränen.

Gleich würde ich sie wiedersehen.

Meine Bella...







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