Sonntag, 5. Dezember 2010

DEJAVU - 60 - Fairytale of New York

60. FAIRYTALE OF NEW YORK


EPOV

Ich lehnte meinen Kopf gegen die kühle Scheibe und sah aus dem Fenster. Es war sonnig draußen und warm draußen, zu warm für Mitte Februar. Von meinem Hotelzimmer aus hatte ich direkten Blick auf den Central Park und die Leute die sich dort aufhielten genossen sichtlich die ersten Sonnenstrahlen. Der Park war überfüllt mit Menschen. Was besonders auffiel, waren die vielen Paare.

Händchenhaltende Pärchen, die sich verliebt in die Augen sahen.

Ich seufzte.

Scheiß Valentinstag...

Überall Herzchen, Liebe, knutschende Pärchen. Sogar auf den Kopfkissen in der Suite wurde Schokolade in Herzchenform gelegt. Auf beiden Kopfkissen.

Was mich sofort daran erinnerte, dass ich niemanden an meiner Seite hatte, dem ich das zweite Herzchen hätte geben können. Ich konnte den Anblick nicht ertragen und sie die Toilette runtergespült.

Ich hasste Valentinstag, denn an diesem Tag tat es besonders weh, dass ich die Wichtigste Person in meinem Leben verloren hatte. Der Schmerz über den Verlust, erreichte an diesem dämlichen Tag immer seinen Höhepunkt, als würde sich mein Schmerz auf diesen einen Tag konzentrieren.

Mein Blick ging Richtung Minibar. Scotch oder Whisky waren da bestimmt drin zu finden.

Die würden den Schmerz betäuben.

Jedenfalls für eine Weile.

Du hast morgen ein Vorstellungsgespräch, reiß dich zusammen!

Meine Finger spielten mit dem Ring den ich an der linken Hand trug. Drehten ihn hin und her.

Ein einfacher, breiter Goldring.

Langsam hob ich meine Hand und hielt sie vor mein Gesicht.

Fasziniert betrachtete ich die Reflexionen, die durch die Sonne auf ihm hervorgerufen wurden. Die meisten hielten ihn für einen Ehering. Doch für mich war er viel mehr als das.

Langsam streifte ich ihn ab und strich mit dem Zeigefinger über die Gravur im Inneren.

Isabella – my only one

Jedes Mal, wenn ich diese Inschrift las, hatte ich ihr lächelndes Gesicht vor Augen.

Bedächtig küsste ich den Ring und schob ihn wieder auf meinen Finger.

Mein Ring. Mein Gelöbnis sie immer zu lieben. Mein Versprechen, dass es nie eine Mrs. Cullen geben würde, weil es nie eine andere als Isabella Cullen geben könnte.

Doch sie hatte mich nicht mehr in ihrem Leben gewollt und mir auf schmerzhaft Weise unmissverständlich klar gemacht, dass es kein Zurück gab.

Eine einzelne Träne lief meine Wange hinab. Ich schloss seufzend die Augen, während die Erinnerungen mich wieder mal einholten.

Fünf lange Jahre, und ich konnte sie einfach nicht vergessen. Es tat immer noch weh, wenn ich an sie dachte. Der Schmerz in meinem Herzen schien immer weiter zu wachsen, anstatt zu verschwinden. Sie fehlte mir so sehr...

Aber ich war ja selber schuld, ich hatte sie von mir gestoßen. Ihr haltlose Vorwürfe gemacht und sie so tief verletzt, dass sie mich nie mehr wiedersehen wollte.

Was an sich verständlich war, denn ich konnte mir selber nicht vergeben, was ich zu ihr gesagt hatte.

Tausendmal hatte ich unser letztes Gespräch vor meinem inneren Auge ablaufen lassen. Über die Worte nachgedacht, die ich ihr hätte sagen sollen. Die bewirkt hätten, dass es UNS jetzt vielleicht noch geben würde.

Betrübt dachte ich an die Zeit kurz nach ihrem Verschwinden zurück, als ich Anfangs noch Hoffnung gehabt hatte.

Selbstverständlich war ich so schnell es ging zu ihr nach Hause gefahren, aber sie war bereits verschwunden. Zurückgeblieben war nur ein sehr zorniger Charlie. Wenn Alice nicht mit dabei gewesen wäre, hätte er mich vermutlich mit seiner Waffe vom Grundstück gejagt.

Aber so teilte er uns mit, dass Bella nicht mehr da wäre und auf gar keinen Fall Kontakt zu uns wünschte.

Wir hatten natürlich trotzdem alles Mögliche ausprobiert, um sie zu erreichen.

Versucht sie anzurufen.

SMS geschickt.

Mit unterdrückter Rufnummer angerufen.

Nichts. Keine Reaktion.

Schließlich gingen wir sogar soweit ihr Handy orten zu lassen. Es wurde in einem Graben kurz vor Seattle gefunden. Auf dem Display wurden 147 entgangene Anrufe und 53 Kurznachrichten angezeigt, sie musste es schon kurz nach ihrem Verschwinden weggeworfen haben.

Wir ließen auch nach ihrem Chevy fahnden, ohne Charlies Wissen selbstverständlich.

Nichts. Nicht eine einzige Spur.

Wir waren uns alle sicher, dass Charlie genauestens über Bellas Aufenthaltsort informiert war, aber selbst Carlisle und Esme hatten keinen Erfolg bei ihm. Er blieb stur, selbst als sie ihm von der möglichen Schwangerschaft erzählten.

Da wir vermuteten, dass sie bei ihrer Mutter war, versuchten wir die Adresse heraus zu bekommen. Was uns auch gelang.

Aber auch ihre Mutter verweigerte uns jegliche Auskunft und standen erneut in einer Sackgasse.

Ich war kurz vorm Durchdrehen. Dass sie nicht mit mir reden wollte, konnte ich ja irgendwo verstehen. Aber Alice? Warum musste sie darunter leiden?

Weil sie Alice an mich erinnern würde...

Meiner Schwester ging das verdammt nahe. Und natürlich gab sie mir die Schuld an der ganzen Misere.

Womit sie ja nicht unrecht hatte.

Ich ging sogar so weit, Jake zu kontaktieren. Aber außer einem blauen Auge bekam ich nichts von ihm. Das er mir eine verpasst hatte, konnte ich ihm nicht einmal verübeln, schließlich hatte auch er eine Freundin verloren. Auch zu ihm hatte sie jeden Kontakt abgebrochen, wohl um ihre Spuren endgültig zu verwischen.

Drei Monate lang taten wir alles Mögliche, um sie zu finden. Wir holten dazu sogar noch Emmett mit ins Boot, der mich natürlich erstmal am Telefon tierisch runter machte. Danach reichte er mich gleich an Rosalie weiter, die mich ebenfalls mit allen möglichen Schimpfwörtern belegte. Wenn man sie fluchen hörte, könnte man denken, sie wäre in einer Truckerkneipe groß geworden.

Ganz am Schluss, als wir gar nicht mehr weiterwussten, heuerten wir sogar einen Privatdetektiv an, der in Phoenix nach ihr Ausschau halten sollte. Aber auch dort war sie nicht aufzufinden.

Nachdem Bella weg war, stürzten sich die Mädels wie Aasgeier auf mich. Ständig scharwenzelten sie um mich herum, steckten mit ihre Telefonnummern zu, oder baten mich um Nachhilfe.

Aber ich wollte keine einzige von ihnen. Ich wollte Bella. Niemanden anderen. Nur ihr allein gehörte der Platz in meinem Herzen.

Aber ich hatte den Platz in ihrem Herzen leichtsinnig verschenkt...

Die Monate vergingen und die Hoffnung sie jemals wiederzusehen, wurde immer weniger. Ich schloss die Highschool ab und ging nach Darthmouth aufs College, um Wirtschaftsmanagement zu studieren. So erfüllte ich mir meinen Traum mit meinen Geschwistern zusammen zu leben, aber es jemand ganz Entscheidendes fehlte und ich konnte es nicht genießen.

Emmett sprach nach Bellas Verschwinden, bis Mitte des Jahres kein Wort mit mir. Alice erzählte mir später, dass er oft sehr traurig wegen ihr war, und sie sehr vermisste.

Ich hatte es wirklich geschafft, die komplette Familie ins Unglück zu stürzen.

Nachdem ich es bewerkstelligt hatte, auf der Highschool den Annäherungsversuchen der Mädchen zu entgehen, gab es auch am College zahlreiche Frauen, die mich umwarben. Aber auch ihnen gab ich allen einen Korb. Ich wollte allein sein. Vielleicht war es auch so eine Art Strafe, die ich mir selbst auferlegte. Aber im Endeffekt interessierten mich andere Frauen nicht mehr.

An ihrem Geburtstag, in dessen Nähe vermutlich auch der Geburtstermin unseres Kindes lag – wenn sie denn wirklich schwanger gewesen war - kaufte ich mir den goldenen Ring. Danach wurde ich mehr in Ruhe gelassen, es gab nur noch ein paar wirklich Hartnäckige, die mir trotz allem dem unbedingt ihre Telefonnummer zustecken mussten.

Immer noch starrte ich aus dem Fenster auf den Park hinunter. Langsam drehte ich mich herum und ließ mich an der Fensterfront zu Boden rutschen. Mein Gesicht barg ich in meinen Händen, als die Tränen sich ihren Weg nach draußen kämpften.

Ich spürte den Ring an meiner Stirn. Das einzige sichtbare Zeichen, dass es sie für mich gegeben hatte. Und das es nie eine andere geben würde.

Niemals.

Jeden Morgen wachte ich auf, ihr Gesicht vor Augen.

Abends war sie das Letzte, woranich dachte.

Nachts schlich sie sich in meine Träume.

Tagsüber dachte ich oft darüber nach, was sie wohl gerade machte, wie es ihr ging, wo sie wohl war...

For every heart you break you pay the price

Und ich hatte ihr Herz gebrochen. Mit ein paar im Zorn gesprochenen Worten hatte ich ihre Welt zum Einsturz gebracht. Ich war damals so wütend gewesen, als sie mir gestand, dass sie wohlmöglich schwanger sei. Noch heute wurde mir übel, wenn ich daran dachte, wie ich sie angeschrien und ihr vorgeworfen hatte, das mit Absicht gemacht zu haben.

Zum guten Schluss hatte ich sogar meine Vaterschaft angezweifelt, obwohl sie mir erst kurz zuvor gesagt, und gezeigt hatte, wie sehr sie mich liebte. Und nur mich liebte. In meiner Wut hatte ich nicht erkannt, wie sehr sie das verletzte, vielleicht sogar noch mehr, als meine Forderung das Kind abzutreiben. Zwar hatte ich das nicht einmal laut geäußert, aber ich denke, ihr war gleich klar, auf was das hinaus laufen würde.

Gott, ich war so ein verdammtes Arschloch gewesen...

Wutschnaubend hatte ich sie nach Hause gebracht, damit ich erstmal über alles nachdenken konnte.

Wäre ich doch bloß nicht weggefahren und bei ihr geblieben...

Aber es war so typisch für uns beide. Wenn es Probleme gab, rannte einer von uns davon.

Doch diesmal war es eine endgültige Trennung gewesen.

Sie hatte immer gewollt, dass ich nur sie liebte und niemanden sonst. Das ich mein Leben mit ihr verbrachte, mit allen Konsequenzen. Nach unserem furchtbaren Streit hatte ich es mir endlich eingestanden und akzeptiert, dass wir eine Familie wurden. Doch sie war nicht mehr dagewesen. Ich hatte es ihr nie sagen können.

Du brauchst etwas Ablenkung...

Langsam erhob ich mich und ging in das Badezimmer mein erhitztes Gesicht abkühlen.

Ich musste unter Menschen, mich auf andere Gedanken bringen, sonst würde ich den Tag nicht ohne Plünderung der Minibar überstehen.

Das Zimmer wurde zwar von meinem wahrscheinlich zukünftigen Arbeitgeber bezahlt, und die A.M.C. Company hatte wahrlich genug Geld, aber es machte bestimmt keinen guten Eindruck. Da könnte ich mir auch gleich noch dazu den ganzen Tag Pornos im Pay-TV ansehen.

Reiß dich zusammen, reiß dich zusammen.

Ich atmete tief ein und aus, dann nahm ich eine leichte Jacke, die Keycard, mein Handy und ging auf den Flur.

Er war menschenleer, ebenso der Lift. Anscheinend waren alle draußen und genossen die Sonne.

Ich durchquerte schnell die Empfangshalle und lief auf die Straße.

Für eine Weile ließ ich mich einfach im Strom der Fußgänger mittreiben, lauschte ihren Wortfetzen und versuchte mich nur darauf zu konzentrieren, um ja nicht an Bella zu denken.

Irgendwie landete ich im Central Park. Ich setzte mich auf eine Bank und beobachtete die Leute um mich herum.

Es war sehr voll hier, ein nicht enden wollender Strom an Spaziergängern, Kindern, Liebespaaren, Polizisten...

Auf der Wiese gegenüber, spielten ein paar Kinder Ball und es saßen mehrere Erwachsene auf Decken und machten Picknick.

Familien.... Mein Herz begann wieder wehzutun.

Das hätte ich jetzt auch haben können....

Plötzlich drang ein helles Lachen an mein Ohr.

Etwa zehn Meter von mir entfernt, rannte ein kleiner Junge von vielleicht vier oder fünf Jahren über die Wiese. Ein kleines Mädchen verfolgte ihn laut lachend. Der Ähnlichkeit nach mussten es Geschwister sein, wenn nicht sogar Zwillinge. Sie rannten hin und her und lachten die ganze Zeit unbeschwert.

Ich beobachtete die beiden, und musste still lächeln. Für die zwei war die Welt noch in Ordnung. Es gab nur das hier und jetzt, nichts worüber man sich Sorgen machen müsste.

Aber irgendwas an ihnen irritierte mich und ich betrachtete sie eingehend.

Der kleine Junge trug eine dunkelblaue Latzhose und ein weißes Longshirt., seine Haare standen wild in alle Richtungen ab.

Fast so wie bei mir, dachte ich sinnend.

Das süße Mädchen trug eine dunkelrote Latzhose und ebenfalls ein weißes Longshirt, ihre Locken flogen im Wind.

Warum kamen sie mir nur so bekannt vor?

Auf einmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Die beiden hatten exakt dieselbe Haarfarbe wie ich, ein Braun mit einem Schimmer Bronze darin.

Heilige Scheiße, deshalb kamen sie mir so eigenartig vertraut vor.

Ich versuchte auf die Entfernung ihre Augenfarbe zu erkennen, sie sahen hell aus, sehr wahrscheinlich grün oder blau. Dann drehte der Bursche sich um und ich konnte sein Gesicht richtig sehen.

Ich traute meinen Augen nicht, fast glaubte ich in dem kleinen Jungen mein eigenes Gesicht wiederzuerkennen.

Das konnte nicht sein!

Wahrscheinlich bildete ich mir das nur ein. Nur weil sie zufälligerweise eine ähnliche Haarfarbe besaßen wie ich, musste das noch lange nichts heißen.

Und doch, irgendwie kamen sie mir unglaublich bekannt vor, so als hätte ich ihre Gesichter irgendwo schon mal gesehen. Vielleicht machten sie Werbung und mein Unterbewusstsein spielte mir einen Streich.

„Jane, Alec! Kommt wir gehen!“, kam es plötzlich von der Seite.

Der Klang dieser Stimme lies mich zusammenzucken. Ich kannte sie, doch ich hatte sie schon viele Jahre lang nicht mehr gehört. Trotzdem hätte ich sie unter tausenden erkannt.

„Fang uns doch, Mama!“ riefen die beiden im Chor und stoben davon.

Und plötzlich stand sie da, mit dem Rücken zu mir und meine Welt stand für einige Sekunden still.

Ihre mahagonifarbenen Haare fielen in weichen Wellen auf ihren Rücken, sie trug einen gut geschnittenen Hosenanzug und High Heels. Der Körper war ein wenig runder, fraulicher, aber es war ohne Zweifel meine Bella.

Cullen, du leidest an Wahnvorstellungen!

Ich konnte meinen Blick nicht von ihr losreißen, selbst wenn es nur eine Halluzination war, es tat so gut sie zu sehen.

Sie erreichte die beiden Kinder, schnappte sie und wirbelte sie herum. Als sie sich drehte fiel ihr Blick auf mich und ihr Mund öffnete sich zu einem lautlosen „Oh!“

Alles an ihr war wie in meiner Erinnerung. Die kleine gerade Nase, die geschwungenen Augenbrauen, die Lippen....

Ihr Gesicht zu sehen ließ mich erneut zusammenzucken, meine Hände begannen zu zittern.

Für eine Halluzination, war das wirklich verdammt gut.

„Bella!“ meine Lippen formten leise ihren Namen. Ich starrte sie einfach nur an und verharrte bewegungslos an Ort und Stelle.

Sie ließ die Kinder los, beugte sich zu ihnen herunter, und flüsterte den beiden etwas ins Ohr. Dann nickten die Kinder eifrig und rannten wie zwei Wirbelwinde davon.

Langsam stand sie auf und kam auf mich zu.

Ich war unfähig mich zu rühren, mein ganzer Körper zitterte, meine Augen klebten an ihren.

In ihrem Gesicht konnte ich eine gewisse Anspannung erkennen, aber auch noch etwas anderes – Freude? Sie sah irgendwie glücklich aus.

Meinem Verstand wurde das alles zu viel, er klinkte sich aus.

Die Geräusche um mich herum, hörte ich nur noch wie durch Watte, ich sah nur noch sie, alles andere verschwamm.

Sie blieb kurz vor mir stehen und hockte sich vor mich. Ihre Hand legte sich auf meine. Als wir uns berührten, schoss eine Art elektrischer Schlag durch meinen Körper.

Sie war real. Sie war hier!

Wie war das möglich? Wo kam sie her? War sie die ganze Zeit hier gewesen? Am anderen ende des Kontinents?

Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen als sie mich ansprach.

„Edward, ich hätte nicht damit gerechnet dich heute schon zu sehen!“






Das Lied zum Chap „Komm süßer Tod“ aus dem NGE OST (http://www.youtube.com/watch?v=5Yb3cN5EQbs)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen