19 Marking time, waiting for Bella
Wir nahmen unsere Helme ab und hängten sie an den Lenker. Dann lehnten wir uns beide gegen das Motorrad.
Und warteten.
Ich zählte die vorbeifahrenden Autos, während Jazz anscheinend seinen Gedanken nachhing und keinen Mucks mehr von sich gab.
Bei 300 wurde es mir zu bunt.
„Sag mal, warum bist du jetzt eigentlich nicht einfach mit mir abgehauen?“, platze ich auf einmal heraus.
Jazz sah mich eigenartig an. „Hätte ich das tun sollen?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Aber es hätte sich ja angeboten, oder? Ich meine, wir zwei sind ganz alleine unterwegs. Keine Bella in Sicht.“ Bedeutungsvoll wedelte ich mit den Armen hin und her.
Er seufzte. „Wenn es so einfach wäre, hätte ich es bestimmt getan. Aber leider kann ich dich nicht einfach bei der nächsten Polizeistation abliefern.“
„Warum nicht?“, fragte ich irritiert. Dort wären wir doch in Sicherheit, oder?
„Weil im Umkreis von 150 Meilen sämtliche Polizeichefs geschmiert sind“, erwiderte er völlig ruhig.
Heilige Scheiße!
„Aber wenn du das weißt, hätten doch deine Leute“, ich malte mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft, „was dagegen unternehmen können, oder?“
Jasper verschränkte die Arme vor der Brust und stierte angestrengt auf die vorbeifahrenden Autos. „Das ist auch nicht so einfach. Wenn wir auf einmal alle diese Leute absetzen, wissen die Volturis ganz genau, dass wir jemanden eingeschleust haben. Wir müssen langsam vorgehen. Am besten ist es, wenn wir die Typen in flagranti erwischen, aber das läuft immer über Mittelsmänner, so dass ich die genauen Termine nicht kenne.“
„Aber wenn ihr die Typen beobachtet, wäre es doch ein Leichtes, sie mit dem Geldkoffer in der Hand zu erwischen, oder?“
So schwer konnte es doch nicht sein, so jemanden aus dem Verkehr zu ziehen...
„Tja“, machte er. „Leider ist es nicht so einfach. Die Bestechung läuft nicht nur über Geld, mehr über Naturalien.“
„Naturalien?“
„Yepp. Kennst du nicht den Ausdruck in Naturalien bezahlen?“
Ich schüttelte den Kopf.
Was zur Hölle sollte denn das heißen? Durften die Typen kostenlos im Supermarkt einkaufen?
„Frauen, Edward. Die Bezahlung läuft über Frauen“, kam es augenverdrehend von Jazz.
„Frauen?“
„Prostituierte. Bella ist ein schlaues Mädchen. Das kann man den Typen nicht so leicht nachweisen. Sie bekommen ja schließlich keine Quittung für ihre Dienste.“
Er räusperte sich.
„Und es fällt nicht auf, wenn man danach etwas mehr Bargeld in der Tasche hat. Er brauchte ja schließlich was zum Bezahlen.“
Raffiniert....
Jetzt grinste er. „Ich sage dir, seit Bella das Kommando übernommen hat, fällt es uns viel schwerer, jemanden aus ihrer Truppe in die Finger zu bekommen. Deshalb wurde ja auch jemand undercover geschickt.“
„Hast du keine Angst, dass sie es herausbekommt? Sie ist ja nicht gerade ein Dummerchen.“
Langsam atmete er ein und aus. „Ich versuche mir darüber nicht allzu viele Gedanken zu machen. An sich ist mein Lebenslauf wasserdicht, und sie hat ihn sicherlich überprüft, bevor sie mich rekrutiert hat. Aber natürlich laufe ich immer Gefahr entdeckt zu werden, wenn ich meinen Verbindungsmann kontaktiere.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber mit diesem Risiko muss ich wohl leben. Oder auch eher nicht.“
„Meinst du, sie würde dich töten, wenn sie es heraus bekäme?“
Jasper schnaubte. „Yeah, ohne jeden Zweifel. Ich hoffe bloß, sie mag mich genug, um mich schnell zu töten. Ich habe mal zugesehen, wie sie jemanden befragt hat. Glaube mir, ich würde den Tod jederzeit vorziehen.“
Das klang so, als hätte sie demjenigen nicht bloß mit einer Lampe ins Gesicht geleuchtet, um die Wahrheit aus ihm rauszukitzeln. Als Arzt kannte sie bestimmt viele Methoden einem Menschen große Schmerzen zuzufügen, ohne ihn sofort zu töten.
Ich musste unwillkürlich schlucken. Aro hatte wirklich ein glückliches Händchen bei der Wahl und der Ausbildung seines Nachfolgers bewiesen, dass musste man ihm lassen.
Wir schwiegen wieder für eine Weile.
„Außerdem ist ein GPS-Sender in der Maschine“, kam es plötzlich wieder von Jazz.
„Ein Sender?“
„Yeah, ist in jedem verdammten Fahrzeug. Falls es mal gestohlen wird“, lachte er.
„Gestohlen?“, grinste ich. „Willst du mich verarschen? Ein Diebstahlsschutz für eure Fahrzeuge?“
„Ist echt so“, meinte Jazz und zog eine Schnute. „Bellas alter Wagen – eine Audi R8 - ist wohl schon mal gestohlen worden. Dank GPS hat sie ihn wiedergefunden. Allerdings war er da schon in seine Einzelteile zerlegt. Sie soll den Typen, zusammen mit Black, einen Riesen Schrecken eingejagt haben. Die haben sich danach freiwillig der Polizei gestellt, nur damit sie in Sicherheit vor ihr waren.“
Das konnte ich mir nur zu gut vorstellen. So wie sie fuhr, liebte sie ihr Auto. Abgöttisch. Sie war bestimmt nicht begeistert, als sie ihn, in seine Einzelteile zerlegt, vorfand. Es würde mich nicht wundern, wenn sie irgendeinem ihre Kanone damals an den Kopf gehalten hätte.
„Und ich wette mit dir, dass sich ruck zuck jemand bei ihr melden würde, wenn ich mich zu weit entfernen würde“, warf Jasper noch ein. „Irgendein Hirni sitzt bestimmt den ganzen Tag vor einem Monitor und beobachtet sämtliche Bewegungen.“
Ich nickte. Das machte Sinn.
„Und ich weiß ja auch nicht, ob du überhaupt fliehen willst“, flüsterte Jasper leise.
„Ob ich überhaupt fliehen will? Wie meinst du das?“
„Na ja“, machte er seufzend. „Ich kann mir gut vorstellen, dass es dir schwerfallen wird, von Bella wegzugehen. Obwohl du das wohl oder übel irgendwann tun musst. Oder willst du nicht mehr zu deiner Familie zurückkehren?“ Er hatte seinen Oberkörper ein wenig zu mir gedreht und sah mir direkt in die Augen.
„Doch, schon“, murmelte ich, senkte den Kopf und kickte mit dem Fuß einen Stein zur Seite. „Aber irgendwie will ich auch nicht weg von Bella. Ist irgendwie alles Scheiße, Mann. Ich vermisse natürlich meine Familie.“ Seufzend fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare. „Ich habe den Geburtstag von meiner kleinen Schwester verpasst. Und mein Bruder müsste, laut Planung, jetzt schon verheiratet sein.“
„Die Hochzeit wurde abgesagt“, warf Jazz ein.
„Abgesagt, warum denn das?“
Er zog eine Augenbraue hoch.
„Wegen mir? Emmett hat wegen mir seine Hochzeit abgesagt?“
„Yepp. Hättest du etwas anderes getan?“ Verwundert blickte er mich an.
Ich überlegte kurz.
Nein, eigentlich hab es da nichts zu überlegen. Meine Geschwister waren mir tausendmal wichtiger als Tanya.
Tanya.
Scheiße.... da war doch was...
An sich war ich ja noch verlobt. Auch wenn ich bezweifelte, dass sie mich immer noch heiraten wollte.
Schließlich war ich in der Hand von Gangstern.
Ein Leben lang gezeichnet.
Nicht mehr standesgemäß...
Ich bin zur Zeit bestimmt das Gesprächsthema auf allen Party’s...
Der ARME Edward Cullen. Entführt. Ich konnte mir Tanya nur allzu gut vorstellen, wie sie ein paar Tränchen abdrückte, während sie bei irgendwelchen Snobs ihr Herz ausschüttete.
Ha, wenn sie wüsste, wie viel SPASS ich hier hatte. Und das ich sie ja eigentlich betrog...
Sie würde ausflippen.
Es war zwar beileibe nicht das erste Mal, dass ich sie betrog – wer wollte schon in unserer Zeit mit dem Sex bis zur Ehe warten – aber irgendwie war es anders als bisher.
Bisher warst du ja auch noch nie verliebt, du Vollpfosten...
Vor Bella waren mir die anderen Mädchen egal gewesen, sie waren halt Mittel zum Zweck. Aber jetzt fühlte es sich einfach … richtig an..... und verdammt gut...
Irgendwo in mir drin hatte ich auch eher das Gefühl, ich würde Bella betrügen, da ich verlobt war....
Scheiße, irgendwie war das totaler Blödsinn...
Fakt war, sobald ich hier irgendwie raus kam, würde ich die Verlobung lösen. Scheiß drauf, was meine Eltern dazu sagten oder ob sie mich enterbten. Diese Schnepfe würde ich bestimmt nicht heiraten. Jedenfalls nicht, solange ich Bella bekommen konnte.
Was sie wohl von heiraten hielt?
Fuck, was dachte ich denn schon wieder für eine Scheiße?
„Edward?“, riss mich Jazz aus meinen Gedanken. „Was ist nun, hättest du was anderes getan?“
„Nope“, ich schüttelte den Kopf. „Ich hätte meine Hochzeit noch am selben Tag abgesagt.“
„Siehst du“, er lächelte leicht. „Deine Familie ist übrigens froh, dass es dir halbwegs gut geht.“
Mein Kopf schoss zu ihm herum. „Hast du mit ihnen gesprochen?“, fragte ich atemlos.
„Nicht persönlich, aber nach deiner Ankunft habe ich weitergegeben, dass es dir gut geht. Und mein Kontaktmann hat mir mitgeteilt, dass sie sehr erleichtert waren.“
Für einen kurzen Moment verlor ich mich in den Gedanken an meine Familie. Alice und Emmett fehlten mir wirklich sehr.
Mein Bruder mit seinen abgefuckten Sprüchen, der mich immer zum Lachen bringen konnte.
Meine geliebte Schwester. Meine kleine, süße Schwester. Ich hoffte bloß, sie hatte sich in der Zwischenzeit nicht wieder auf irgend so einen bescheuerten Typen eingelassen. Aber Emmett würde schon aufpassen. Einen Typen ins Klo tunken schaffte er auch alleine.
Selbst meine spießigen Eltern vermisste ich.
Aber würde ich sie überhaupt jemals wiedersehen? Eigentlich hatte es Bella mir ja versprochen.
Was würde dann aber aus uns werden? Gab es überhaupt ein UNS?
Ich fuhr mir mit den Händen über das Gesicht.
Sie versicherte mir zwar immer wieder, dass sie mich liebte, und ich glaubte ihr das ja auch, aber irgendwie...
Ich hatte keine Ahnung, wie das zwischen uns beiden funktionieren sollte.
Ob sie in einem Zeugenschutzprogramm untergebracht werden konnte? Aber dafür müsste sie ja gegen ihre eigenen Leute aussagen.
Was wäre mit Seth? Könnte sie den einfach so mitnehmen?
Was war mit Jake?
Stöhnend rieb ich mir die Nasenwurzel.
Jazz legte mir eine Hand auf die Schulter. „Du hättest dich lieber in eine Putzfrau vergucken sollen“, grinste er.
Ich sah ihn erstaunt an.
Wusste er etwa, was in meinem Kopf vor sich ging?
„Du machst dir Gedanken, wie das zwischen dir und Bella funktionieren soll, oder?“
Langsam atmete ich durch die Nase ein und nickte dann langsam.
„Ehrlich Edward, ich bezweifle, dass ihr irgendeine gemeinsame Zukunft haben könnt. Ihr stammt aus verschiedenen Welten. Du passt nicht in ihre Welt, sie aber auch nicht in deine.“
„Und trotzdem liebe ich sie mehr als alles andere“, seufzte ich.
„Und sie dich“, gab er zurück.
„Was?“, stutzte ich.
Er kratzte sich am Kinn. „Yeah, das habe ich inzwischen auch begriffen. Ich verstehe es zwar nicht wirklich, aber ich kann es nun mal nicht ändern. Und irgendwo ist es ja auch gut für dich. Sie wird dafür sorgen, dass du heil hier raus kommst.“
Plötzlich legte er den Finger an die Lippen und schien zu lauschen. Dann fing er an zu lächeln. „Sie kommt!“
Ich spitze die Ohren und nahm in der Ferne ein dunkles Grummeln war, welches langsam näher kam.
Und dann kam sie um die Ecke gefahren. Das Visier offen, den Oberkörper aufgerichtet, die linke Hand in der Hüfte.
Sie stellte ihr Bike neben unseres und stieg elegant ab. Noch bevor sie den Helm abgenommen hatte, war ich aufgesprungen und hatte sie in meine Arme gezogen. Ich haute mir ihren Helm gegen den Kopf, aber das war mir in dem Moment so was von egal, ich MUSSTE sie einfach spüren.
„Baby, ich freue mich auch dich zu sehen“, kicherte sie, „aber lass mich erst den Helm abnehmen, okay?“
Ich trat einen Schritt zurück, so dass sie sich den Helm ausziehen konnte. Sie legte ihn auf ihre Sitzbank, packte mich dann am Kragen und zog mich für einen leidenschaftlichen Kuss an sich heran.
Für einen Moment versank ich in ihrem Kuss. Vergaß komplett die Welt um uns herum. Spürte nur noch Wärme, Haut, Lippen, Zunge, Bella.
Eine Hand hatte ich in ihren Haaren vergraben, mit der anderen presste ich sie fest an mich. Wie ein Ertrinkender klammerte ich mich an ihr fest, wollte sie am liebsten nie mehr loslassen.
Sie erwiderte den Kuss ebenso stürmisch, drückte ihr Becken gegen meines, was mich aufstöhnen ließ.
Es war schon schlimm genug, sie in dem wirklich eng sitzendem Lederanzug zu sehen. Aber wenn sie sich so an mich presste, fiel es mir wirklich schwer, nicht an Ort und Stelle über sie herzufallen.
Schwer atmend lösten wir uns voneinander. Sie flüsterte mir leise „Später, Baby“ ins Ohr, bevor sie meine Hand ergriff und sich Jasper zuwandte.
„Na, alles klar gelaufen?“
„Gab keine Probleme, Ma’m“, grinste er. „Die Typen abzuhängen war ein Kinderspiel. Ich wette, ein paar von denen fahren immer noch kreuz und quer zwischen den Felder rum. Und bei dir?“ Er hatte die Arme lässig vor der Brust verschränkt und sah sie neugierig an.
„Ich hatte meinen Spaß“, sagte sie mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht. „Sie hatten nämlich noch zwei Jäger dabei.“
Entsetzt sah ich sie an. Hieß das, sie hatte zwei bewaffnete Kerle auf schnellen Maschinen HINTER sich gehabt?
„Wir hatten ein nettes kleines Rennen“, ihr Lächeln wurde noch breiter. „Hat mich an alte Zeiten erinnert.
Jazz grinste ebenfalls. „Der alte Trick mit den Trucks?“
„Yeah“, sie zog mich an sich heran und legte den Arm um meine Taille. „Gott sei Dank kann sich keiner mehr daran erinnern, wie das abläuft. Und ’Auf dem Highway ist die Hölle los’ kennen die anscheinend auch nicht.“ Sie kicherte leise.
„Wie läuft das ab?“, fragte ich neugierig.
„Darf ich?“, fragte Jazz an Bella gerichtet, die freudig nickte. „Also, du brauchst einen LKW, der gerade dabei ist, zwei andere zu überholen. Da das nicht von alleine passiert, ist es ganz günstig, wenn man ein paar Jungs kennt. Du fährst einen kleinen Vorsprung heraus, ’ne halbe Meile oder so, dann überholst du den Truck, scherst scharf ein, so dass du zwischen den Trucks ganz rechts bist. Der andere fährt dann daneben, so dass du nicht sichtbar bist.“
„Und dann?“
„Du lässt deine Verfolger in Ruhe überholen, scherst wieder aus und reißt ihnen von hinten den Arsch auf.“
„Wow“, machte ich staunend.
„Die Idee ist nicht von uns, aber Fernsehen bildet halt.“ Jazz hielt seine ausgestreckte Hand nach vorne und Bella schlug ein.
„Yeah, funktioniert immer wieder. Aber jetzt ist erstmal genug geplaudert, ich hab tierischen Hunger!“
Jazz grinste und tippte ihr gegen den Bauch. „Iss aber nicht zu viel, dein Kombi sitzt schon ganz schön eng.“
„Sehr witzig, Jazz“, knurrte sie und knuffte ihm gegen die Schulter. „Dafür musst du auf dem Sofa schlafen.“
Heya^^
AntwortenLöschenSuper Chap, aber ich frag mich wirklich, wie die ganze Scheiße weitergehen soll... :S
Freu mich schon auf's nächste
glG