Freitag, 22. Oktober 2010

SML - 12 - Heavy in your arms

12 Heavy in your arms



Auf dem Rückweg war die Stimmung irgendwie angespannt. Im Heli unterhielten sich Jake und Bella die ganze Zeit, allerdings in dieser indianischen Sprache, so, dass ich sie nicht verstand. Die einzigen Worte, die ich heraus hörte waren Hantaywee und Ohanzee. Und das auch nur, weil sie mir Bella vorhin erläutert hatte.

Jake hörte sich irgendwie etwas besorgt an, jedenfalls klang seine Stimme so. Es frustrierte mich wirklich, dass ich nicht wusste, um was es ging. Schon vorhin, kam es mir so vor, als wüsste er ganz genau, was sie bedrückte.

Auch die Autofahrt verlief ruhiger. Es lief irgendwelche klassische Musik, die aber auch etwas rockig klang, es war mir gänzlich unbekannt. Bella fuhr zwar immer noch ziemlich rasant, aber sie nahm die Kurven sanfter als vorhin.

Als wir ankamen, ging Bella kurz ins Bad um sich frisch zu machen, und ich blieb kurz mit Jake allein.

„Edward“, sagte er plötzlich leise, und ich drehte mich erstaunt zu ihm um.

„Ich weiß nicht genau, was sie an dir findet, aber Bella scheint dich zu mögen. Also wirst du vermutlich weiterhin die ganze Zeit bei ihr sein. Wenn irgendwas sein sollte, sie sich komisch benimmt oder so, sag bitte zu Sam – das ist der Typ, der Seth betreut – er soll mich von dir grüßen, okay? Dann rufe ich sie sofort an, oder komme im schlimmsten Fall wieder zurück.“

Ich nickte ihm überrascht zu. Mit vielem hatte ich gerechnet, aber nicht mit so etwas. Ich war bloß eine Geisel, aber im Moment behandelte er mich wie einen... normalen Menschen. Das war verwirrend, irgendwie. Bei Bella war es mittlerweile... normal... aber bei ihm... Bisher hatte er mich einfach nur ignoriert. Immerhin brachte ich ihn ja um den Sex mit Bella, was ihn aber anscheinend nicht wirklich zu stören schien. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte er ja auch genug andere Eisen im Feuer...

Bella schickte mich gleich, nachdem sie aus dem Bad zurückkam, ins Bett, während sie sich noch von Jake verabschiedete. Dann kam sie ins Schlafzimmer, zog sich schnell um und kroch unter die Decke. Während sie sich auszog, versuchte ich, sie nicht anzustarren, aber es hatte nicht wirklich funktioniert.

Der Anblick ihrer nackten Brüste erinnerte mich sofort an den Tag, an dem Felix mich verprügelt hatte. Wie wir uns geküsst haben und ich dann ihr Shirt hochgeschoben hatte, um ihre zarten Hügel zu liebkosen.

Scheiße, hoffentlich hatte ich jetzt nicht 'nen feuchten Traum oder so...

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Am nächsten Tag war sie irgendwie anders. Stiller. In sich gekehrt. Eigenartigerweise kam auch den ganzen Tag niemand vorbei, außer der Kerl, der Seth ausführte. Und es rief auch niemand an. Beim Schießtraining am Nachmittag merkte man Bella ganz deutlich an, dass sie etwas bedrückte. Sie schoss aggressiver, weniger konzentriert). Sie durchlöcherte zwar immer noch die Zielscheiben, aber es war weniger präzise als sonst. Unkontrollierter.

Beim Training danach war es nicht viel anders. Sie schlug mit einer Heftigkeit auf den Sandsack ein, dass mir himmelangst wurde und ihr ganzes Gesicht wirkte verbissen.

Was beschäftigte sie bloß so? War es weil Jake weg war?

Als wir abends zu Bett gehen wollten, holte sie plötzlich eine Flasche aus dem Kühlschrank und deutete mir an, mich ans Kopfende des Bettes zu setzen. Ich schlüpfte in die Shorts, die ich nachts immer trug, stellte ein Kissen gegen das Metall des Bettes und setzte mich mit angezogenen Beinen dagegen.

Bella kam, in ihrem typischen Schlafoutfit, legte ihre Waffe auf den Nachttisch und setzte sich, mit der Flasche in der Hand, vor mich. Sie rutschte an mich heran, bis sie mit dem Rücken an meiner Brust lehnte. Unschlüssig ließ ich erst einmal die Hände unten.

Langsam ließ sie ihren Kopf gegen meine Schulter sinken und ich legte vorsichtig meine Arme um sie herum. Es schien sie nicht zu stören, im Gegenteil, ich hatte fast das Gefühl, als würde sie sich noch enger an mich schmiegen. Leise seufzend öffnete sie die Flache – dessen Inhalt ich inzwischen als 18 Jahre gereiften Glenfiddich identifiziert hatte – und nahm einen Schluck. Wortlos hielt sie mir dann den Whisky hin und ich trank ebenfalls einen Schluck. Zu meinem Erstaunen brannte er gar nicht. Bisher hatte ich nur amerikanischen Whisky getrunken, meist mit Cola gemischt, aber schottischer schien ein himmelweiter Unterschied zu sein.

Ein paar Minuten saßen wir einfach nur schweigend da.

„Stimmt es, dass du, wenn du für mich bürgen würdest, für mich und mein Handeln verantwortlich bist?“, unterbrach ich die Stille. „Das du sterben könntest, wenn ich versuchen würde zu fliehen?“

Bella strich mit den Fingern über meine Oberschenkel. „Hat Jake dir das gesagt?“

„Mhmmm“, machte ich und hauchte ihr einen Kuss auf die nackte Schulter. Ich konnte einfach nicht anders, in ihrer Nähe überkam mich ständig die Lust sie anzufassen und zu küssen. Hoffentlich würde ich nicht hart werden bei ihrer Nähe.

„Er hat recht“, seufzte sie leise und nahm einen weiteren Schluck. „Wenn du für jemanden bürgst, übernimmst du die Verantwortung für alles, was derjenige so für Scheiße anstellen könnte. In deinem Fall wären das Fluchtversuche. Und im schlimmsten Fall würde es den Tod desjenigen bedeuten, der die Verantwortung trägt.“ Ihre linke Hand lag plötzlich auf meinem Nacken und ihre Finger kraulten mich sanft. „Aber du würdest nicht versuchen zu fliehen, Baby. Da bin ich mir sicher. Und wenn...der Tod ist nicht das schlimmste, was einem passieren kann.“

Erschrocken hielt ich für einen Moment den Atem an. „Das ist nicht dein Ernst, oder? Heißt das, es wäre nicht schlimm, wenn du sterben würdest?“

Ihre Finger hielten inne. „Nicht wirklich“, murmelte sie leise und hielt mit der anderen Hand die Flasche an ihre Lippen. „Wobei ich dich dann vorher hier raus bringen würde. Irgendwie.“

Ich war einfach zu perplex um irgendetwas zu sagen. Meine Hände verkrampften sich automatisch bei dem Gedanken sie könnte bestraft werden. An ihren Tod versuchte ich gar nicht erst zu denken.

„Baby, mein Leben ist ständig in Gefahr, da kommt es auf ein Risiko mehr oder weniger auch nicht mehr an“, versuchte sie mich zu beschwichtigen. „Und außerdem habe ich schon einmal für jemanden gebürgt, es ist also nichts Neues für mich.“

„Du hast schon mal für jemanden gebürgt?“, entgegnete ich erstaunt.

„Yepp, für Jake“, fügte sie mit einem Ton an, der klang wie was-denkst-du-denn-für-wen-sonst.

„Für Jake? Aber … aber er ist doch auch Mitglied der Organisation, oder? Wieso musstest du für ihn bürgen?“, hakte ich verwirrt nach.

„War eine Bedingung von Aro, als wir in die USA zurückkehrten. Ich hab für ihn gebürgt. Und er für mich.“

„Was macht das denn für einen Sinn?“

„Sicherung der Loyalität, Baby. Aro wusste, dass im Laufe der Jahre Jake für mich ein wichtiger Teil meines Lebens geworden ist. Und andersherum genauso. Wir sind wie Geschwister, irgendwie. Okay, Geschwister und Sex passt nicht so gut, aber du verstehst bestimmt was ich meine. In dem wir für uns gegenseitig bürgten, sicherte Aro ab, dass keiner versuchen würde, auszusteigen, weil er den anderen nicht verlieren wollte.“

In meinem Herzen machte sich ein wenig Hoffnung breit. Vielleicht könnte ich sie doch überreden mit mir gemeinsam zu fliehen. Aber vermutlich würde sie es dann doch wegen Jake nicht machen. Dieser Aro war wirklich clever. Aber irgendwie musste er doch dann vermuten, dass einer von beiden so etwas planen könnte.

„Hast du schon darüber nachgedacht auszusteigen?“

Sie zögerte einen kurzen Moment, ehe sie fortfuhr. „Des öfteren. Anscheinend ahnt das Aro irgendwie, seit etwa eineinhalb Jahren sind Jake und ich immer nur kurzzeitig irgendwo zusammen. Wahrscheinlich hat er Angst, wir würden zusammen abhauen.“

Wir schwiegen wieder für eine Weile, tranken jeder noch ein paar mal aus der Flasche und ich ließ mir das alles durch den Kopf gehen.

Ihre Bindung zu Jake schien wirklich sehr besonders zu sein, aber kein Wunder, wenn sie mehr als ihr halbes Leben mit ihm verbracht hatte.

Und dann dieses bürgen füreinander... anscheinend vertraute ihr Onkel ihr nicht vollkommen. Und ihm auch nicht.

„Wer hat dir den indianischen Namen gegeben?“, fragte ich vorsichtig, um das Gespräch wieder anzukurbeln. Vielleicht bekam ich noch ein wenig aus ihr heraus.

„Jakes Vater, zusammen mit Jake. Nach.... nach dem Tod meiner Eltern hatte mich Billy zu sich genommen. Er lebte nicht weit von uns entfernt.“

„Deine Eltern sind tot?“, hakte ich vorsichtig nach.

Bella atmete tief ein, bevor sie fortfuhr. „Heute vor 15 Jahren wurden sie vor meinen Augen ermordet.“

Scheiße!

Ermordet? Vor ihren Augen? Was zur Hölle?

Sie schwieg wieder für einen Moment und fuhr dann unbeirrt fort.

„Ich bin in einem kleinen Kaff in Washington geboren, mein Vater war dort der Polizeichef, meine Mutter arbeitete als Kindergärtnerin. Wir waren eine glückliche, kleine Familie. An dem Tag hatten sie ihren zehnten Hochzeitstag(,) und wir waren zusammen nach Port Angeles gefahren. Nach dem Essen gingen wir an der Strandpromenade spazieren. Es war spät und kalt, also war keine Menschenseele dort. Wir gingen ein Stück am Hafen entlang, es fing gerade an dunkel zu werden, aber die Lampen waren noch nicht angegangen. Plötzlich waren wir von einem Haufen vermummter Kerle umzingelt. Mein Vater bot ihnen all unser Geld an, aber sie haben ihn einfach erschossen. Er hatte noch nicht einmal seine Brieftasche raus holen können. Danach schnappten sie sich meine Mutter und mich. Sie hielten mir ein Messer an die Kehle und meine Mum begann um mein Leben zu flehen.“

Tränen begannen über ihre Wangen zu strömen und ich presste Bella fest an mich, die komplett in ihrer Erinnerung versunken schien.

„Der eine fragte, ob sie alles tun würde, um mein Leben zu retten. Was sie natürlich bejahte.“ Sie lachte krampfhaft. „Er hockte sich vor mich – ich sehe heute noch diese kalten blauen Augen vor mir - schob das Messer weg und sagte mir, ich solle ganz genau hin sehen und wenn er sagt 'Lauf' soll ich anfangen zu laufen. Meine Mum nickte mir aufmunternd zu und flüsterte, dass sie mich liebt.“

Bella machte eine kurze Pause, ihre Finger hatten sich in meinen Unterarmen verkrampft.

„Er hat sie vergewaltigt, vor meinen Augen. Erst musste sie an seinem Schwanz lutschen, um ihn auf Touren zu bringen, dann hat er sie gegen die Kaimauer gelehnt und von hinten gefickt. Meine Mum hat die Zähne zusammengebissen und versucht mich anzulächeln. Mir Mut zu machen. Aber ich habe genau gesehen wie weh ihr das tat, und wie viel Angst sie hatte. Ich hab geheult, wie ein Schlosshund. Plötzlich schrie der Kerl, dass ich laufen soll, also habe ich mich rumgedreht und bin gerannt. So schnell ich konnte. Ich hoffte jemanden zu finden, der uns helfen könnte. Nach ein paar Sekunden hörte ich einen Schuss, und als ich mich herumdrehte, lag meiner Mutter am Boden. Ich konnte mich nicht mehr rühren, stand einfach da und starrte sie an. Dann warfen die Typen sie und meinen Vater ins Meer, und ich fing wieder an zu rennen.“

Sie schluckte schwer und atmete dann wieder tief ein.

„Das nächste an was ich mich erinnere, ist das Waisenhaus, in das sie mich gesteckt haben. Nach ein paar Tagen kam Billy mit Jake und hat mich im Auftrag meines Onkels abgeholt. Bis dahin wusste ich nicht einmal, dass ich einen Onkel hatte. Aber meine Mutter hatte eine Schwester, mit der Aro verheiratet war. Sie war allerdings schon vor meiner Geburt gestorben.“

Ich wusste wirklich nicht, was ich sagen sollte. Das war so schrecklich, dafür gab es einfach keine Worte. Den Tod der eigenen Eltern mit ansehen zu müssen, und dann noch auf solch brutale Art und Weise, muss für ein Kind wirklich traumatisch sein. Kein Wunder, dass sie heute so eigenartig gewesen war. Vermutlich hatte sie das Trauma nie richtig überwunden.

Jetzt verstand ich auch die angespannte Stimmung und die Sorge von Jake gestern. Er kannte sie, und er hatte bestimmt gewusst, wie sie reagieren würde.

Ich presste sie noch fester an mich. „Hat man die Täter je geschnappt?“

„Wenn du die Polizei meinst“, fuhr sie wieder mit etwas gefassterer Stimme fort, „Nein. Aber auch Aro konnte die Täter nicht aufspüren, obwohl er wirklich gute Verbindungen hatte. Selbst Billy, der in La Push lebte und den ganzen Bereich Washington kontrollierte, konnte nichts in Erfahrung bringen. Vermutlich war es einfach ein Raubmord von einer umherziehenden Bande.“

Sie schwieg wieder und nippte an der Flasche, während ich ihr versuchte durch meine Anwesenheit irgendwie Trost zu spenden.

Für einen kurzen Moment hatte sie mich in ihre wahre Seele blicken lassen. Die Seele eines zu Tode erschreckten neunjährigen Mädchens, dass immer noch tief in ihr schlummerte.

Alleine die Vorstellung jagte mir schon Schauer über den Rücken.

Die Eltern vor ihren Augen bestialisch ermordet.

Im Kinderheim gelandet.

Dann von einem völlig Fremden und seinem Sohn abgeholt worden.

Nebenbei erfahren, dass sie einen Onkel hatte, der niemals erwähnt wurde. Wobei es nicht verwunderlich war, dass der Polizeichef DIESEN Onkel unter den Tisch fallen ließ.

Und dann?

Nach Europa in Internate geschickt und sie nebenbei zu einer Killermaschine erzogen.

Sie vermutlich immer gelockt, mit der Aussicht, irgendwann ihre Eltern rächen zu können.

Ich konnte mir gut vorstellen, dass es sie wirklich wurmen musste, dass selbst ihr Onkel die Täter nicht auffinden konnte. Was mir eigenartig vorkam.

Ihr Leben war wirklich beschissen gelaufen, sie könnte jetzt glücklich verheiratet sein, zehn Kinder und ein Haus haben. Und einfach nur glücklich sein.

Stattdessen hatte sie das hier.... ein Leben am Abgrund... ständig die Gefahr abzustürzen...

Allerdings hätte ich sie sonst nie kennengelernt...

„Edward?“, riss mich ihr Flüstern plötzlich aus meinen Gedanken.

„Ja? Was ist?“

„Würdest... würdest du mir einen Gefallen tun?“ Sie hatte sich herumgedreht, kniete zwischen meinen Beinen und sah mich mit ihren wundervollen braunen Augen bittend an.

„Alles was du willst“, hauchte ich rau. Und es war nicht mal gelogen. Ich würde alles für sie tun, und wenn es das letzte auf der Welt wäre.

Sie legte ihre Hand auf meine Wange und küsste mich sanft.

„Schlaf mit mir, Edward“, murmelte sie gegen meine Lippen. „Lass' mich den ganzen Scheiß für eine Weile vergessen. Bitte!“





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Florence and the Machine „Heavy in your arms“




hier das Tattoo von Jake

http://twitpic.com/2vynpb

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