10 Fuck, I'm in love
EPOV
Ich erwachte durch ein sehr unangenehmes Gefühl im Brustkorb. Blinzelnd öffnete ich die Augen und blickte mich vorsichtig um.
Wie zu erwarten lag ich immer noch in Bellas Bett. Sie schien noch zu schlafen. Langsam wandte ich den Kopf zu ihr und betrachtete sie.
Sie sah so friedlich aus. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen. Ihre Haare lagen wie ein Fächer um ihr Gesicht. Irgendwie wirkte sie so zart und zerbrechlich. Wenn da nicht die Waffe in ihrer Hand wäre.
Ich kannte jemanden der sich immer brüstete, dass er mit der Waffe unter dem Kissen schlief, falls ein Einbrecher kam oder so. Gegen Bella war das Kinderkacke. Ehrlich.
Zum einen lag ihre Waffe auf dem Kopfkissen, etwa zehn Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Dann hatte sie die Waffe in der Hand. Richtig. So wie man eine Waffe hält. Nicht so lasch ich-habe-meine-Finger-dran-mäßig. Oh nein! Den Griff fest umschlossen, den Finger am Abzug und den Daumen am Entsicherungshebel.
Sie hatte die Waffe definitiv nicht in der Hand, weil es sich damit besser schlief.
Eher ruhiger...
Ich fragte mich nur, wo zur Hölle sie sich das angewöhnt hat. Oder angewöhnen musste. Es ging immer noch nicht in meinen Kopf, wie jemand auf sie schießen konnte? Wie sie gezwungen sein könnte, auf jemanden zu schießen...
Konnte man da überhaupt ruhig schlafen, wenn man damit rechnete, das jemand ins Zimmer stürmte, den man erschießen musste? Und eigentlich war ja Seth auch noch da, oder?
Aber vielleicht hatte sie es sich angewöhnt, bevor Seth zu ihr kam. Er schien noch nicht sehr alt zu sein, es waren nirgendwo graue Stellen in seinem Fell und die Zähne sahen, soweit ich es beurteilen konnte, auch noch ziemlich gut aus.
In diesem Moment begriff ich zum ersten Mal, wie anders sie doch war. Die Frauen die ich sonst kannte, machten schon einen Aufstand, wenn sie mal etwas Metallisches anfassen sollten. Könnten sich ja einen Fingernagel abbrechen. Denen würde wahrscheinlich der Arm abbrechen, wenn sie eine Waffe in die Hand gedrückt bekämen. Und einen Aufstand würden sie wahrscheinlich auch machen, weil es ja so gefährlich wäre...
Und Bella? Schlief sogar mit der Waffe...wie ein verdammtes Baby...
Das mit Felix hatte mir gezeigt, dass sie ihre Waffe nicht nur für Schießübungen benutzte, sondern zu dem Zweck, zu dem sie gebaut wurde. Auf Personen schießen.
Sie hatte mir ja erzählt, dass sie schon 13 Personen alleine mit dieser Waffe getötet hatte. Aber was war mit ihren anderen Waffen? Vorhin am Telefon hatte sie irgendwas mit „ich hatte mit 16 ja auch schon jahrelanges Training hinter mir“ erwähnt.
Hieß das, dass sie mit 16 schon in Schießereien verwickelt war? War sie zu der Zeit nicht in Europa? Aber Jake sollte ja jetzt auch nach Europa, vielleicht unterhielten sie dort Außenstellen...
Fuck!
Alleine die Vorstellung... sie muss so ein süßer Teenager gewesen sein – mit Stupsnase und Sommersprossen – eine, nach der sich die Jungen umgedreht haben... und dann eine Schießerei? Obwohl was hieß da eine, mehrere waren wohl wahrscheinlicher...
Die Frage war bloß, auf welcher Seite sie stand... Angreifer? Verteidiger?
Beides vermutlich...
Sie brachte mein festgefahrenes Weltbild gehörig durcheinander. Die Verbrecher, die mein Vater verurteilte, waren immer Kerle. Boshaft, gemein und meist hässlich. Mörder. Vergewaltiger. Menschenhändler. Drogenbarone. Auftragskiller. Polizistenmörder. Geldwäscher. Zuhälter. Kidnapper.
Und Bella?
In ihrer Organisation war das wahrscheinlich alles an der Tagesordnung. Ich wusste bereits, dass sie in Entführungen und sehr wahrscheinlich Ermordungen ihre Finger drin hatte. Machte sie das nicht zu genauso einem Monster wie die Anderen?
Scheiße...
Sie konnte.... sie durfte, nein... sie war kein Monster! Niemals!
Es musste irgendwas in ihrer Vergangenheit sein... irgendetwas war passiert und sie landete hier...vielleicht wurde sie ja von ihren Eltern ausgesetzt? Aber dann hätte sie kein Foto von ihnen. Denn ich ging davon aus, dass auf dem Foto im Wohnzimmer ihre Eltern und sie abgebildet waren. Oder hatte sie sich später an ihnen gerächt? Und dabei das Foto mitgenommen?
Was auch immer geschah als sie ein kleines Mädchen war, deswegen war sie nun hier. Und eine Mörderin. Was ihre Eltern wohl sagen würden, wenn sie es wüsten?
Halt... hatte sie nicht irgendwas von einem Onkel erwähnt? Ja... der Typ am Telefon... ich hatte doch schon rausbekommen, dass es ihr Onkel war... und hatte sie nicht erwähnt, dass sie nur noch ihn hatte? Wie konnte ich das nur wieder vergessen?
Mist!
In ihrer Gegenwart war ich manchmal ziemlich unkonzentriert und betrachtete lieber ihren Körper, als ihr zuzuhören.
Also... ihre Eltern sind tot... vermutlich gestorben, als sie klein war... sie kam zu ihrem Onkel, der für das organisierte Verbrechen tätig war...
Ich versuchte mich ein Stück zu drehen, um bequemer zu liegen, was mich aber kurz aufkeuchen ließ.
Schlagartig öffnete Bella die Augen und sah mich an. „Alles in Ordnung? Hast du Schmerzen?“
Ich schüttelte den Kopf.
Mann, sie hatte wirklich einen leichten Schlaf...
Sie zog eine Augenbraue hoch und sah mich durchdringend an. „Versuch erst gar nicht, mich anzulügen. Du musst nicht tapfer sein, wir sind hier nicht in der Army.“ Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen und sie richtete sich auf, bis sie auf dem Ellenbogen lag. „Ich geh dir ’ne Infusion holen.“
Genüsslich räkelte sie sich – ohne ihre Pistole aus der Hand zu legen – schob diese dann in ihre Pants und stand auf.
Auf ihren Schulterblättern war der Ansatz eines Tattoos sichtbar, aber ich konnte nicht erkennen, um was es sich handelte. Da es auf beiden Seiten zu sehen war, ging es vermutlich über die komplette Breite. Vielleicht Flügel oder so was...
Klar! Sie war ja ein Engel... mein Engel...
Während ich mir ausmalte, dass es verdammt heiß sein musste, sie von hinten zu nehmen, schnappte sie sich Klamotten aus ihrem Schrank und verschwand durch die Tür. Seth folgte ihr auf dem Fuße.
Ein paar Minuten später kam sie – jetzt komplett angezogen – wieder. Ihre Waffe steckte im Holster.
In den Händen hielt sie einen Infusionsbeutel, den sie an den Ständer, der direkt neben dem Bett stand, hing. Sie trug bereits Arzthandschuhe, legte mir eine Flexüle und ließ dann den Tropf laufen.
„Ich mach uns was zum... wie spät ist es eigentlich?“ Sie blickte kurz auf ihre Uhr. „Ah... Mittagessen. Wenn was ist, rufst du, okay?“
Damit ließ sie mich wieder allein und ich schloss noch etwas die Augen, um weiterhin meinen Gedanken nachzugehen.
Irgendwie muss ich wohl eingedöst sein, denn ich wurde durch einen sanften Kuss geweckt. „Hey Schlafmütze, ich hab dir Suppe gebracht!“
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Ab diesem Tag schlief ich immer mit bei ihr im Bett. Es passierte nie etwas, was glaube ich ganz gut war, denn es hätte mir sicherlich Probleme bereitet. Und irgendwie... ich weiß auch nicht, ich genoss ihre Nähe und war auch scharf auf sie... aber irgendwie war das nicht vordergründig.
Sie ließ mich keine Sekunde mehr aus den Augen. Manchmal war zwar Seth ihr Auge, weil es ja Dinge gab, die man lieber alleine tat, aber 95 Prozent des Tages hing ich an ihr wie eine Klette. Oder sie an mir. Wie man es nimmt.
Am Anfang war es schwierig für mich auf’s Klo zu gehen, wenn Seth daneben saß, aber nach einer Weile hatte ich mich selbst daran gewöhnt.
Wenn sie mich in mein ’Zimmer’ sperrte, weil jemand kam, steckte sie auch immer Seth mit rein, der schon anfing zu knurren, wenn es sich einer wagte, näher als zwei Meter an die Tür zu kommen.
Mit Erstaunen stellte ich fest, dass sie in der Zeit, in der ich bisher hier war, anscheinend Urlaub gemacht hatte oder so. Denn bisher hatte sie ja den ganzen Tag ein Spaßprogramm für mich gemacht. Jetzt war sie den kompletten Vormittag damit beschäftigt, Geschäfte zu organisieren.
Sie telefonierte, schrieb E-Mails, nutze Skype.... selbst auf Twitter war sie aktiv...
Meist sprach sie in Sprachen, die ich nicht verstand. Spanisch, dem Klang nach... dann was Indianisches und irgendwas Chinesisches oder so...
Auch ihr Training hatte sie anscheinend auch sträflich vernachlässigt, jetzt zog sie einen strengen Plan durch.
Jeden Nachmittag eine Stunde Schießübungen.
Danach zwei Stunden Kraft- und Ausdauertraining.
Und als Abschluss: Kampftraining. Meist mit diesem Jake. Oder allein. Gegen den Sandsack oder diese komische hölzerne Figur.
Und ich war bei alledem dabei. Meist saß ich mit Seth in einer Ecke – der Kerl war eine echte Schmusekatze und ließ sich stundenlang von mir kraulen – und sah fasziniert zu.
Beim ersten Mal als ich sie gegen Jake kämpfen sah, hatte ich echt Angst um sie. Was sich als komplett unbegründet herausstellte. Als sie mich gegen sich hatte antreten lassen, hatte sie sich zurückgehalten. Definitiv. Ach was sage ich, an sich hatte sie überhaupt nicht gekämpft.
Beide trugen schwarze Shirts und schwarze Hosen. Keine Schuhe. Und sie wirbelten mit einer Geschwindigkeit umher, dass einem vom zugucken fast schlecht wurde. Am Anfang dachte ich noch, sie würden nicht richtig zuschlagen, wurde aber eines besseren belehrt, als die Wand unter Jakes Schlag – dem Bella gerade ausgewichen war – erzitterte.
Es war mir ein Rätsel, wie die beiden ohne nennenswerte Blessuren da raus kamen. Wenn ich gegen Emmett kämpfte, erntete ich meist ein paar blaue Flecken. Einmal hatte er mir sogar ein blaues Auge verpasst.
Emmett.... der hätte seine wahre Freude an Bella... er liebte starke Frauen... seine Freundin hatte er in einer Autowerkstatt kennengelernt. Genauer gesagt in ihrer Autowerkstatt. Er machte zwei Monate lang absichtlich jede Woche irgendwas an seinem Jeep kaputt, nur um eine Ausrede zu haben zu ihr zu fahren....
Scheiße...
Ich vermisste ihn... tierisch... und Alice.... meine kleine Alice.... selbst Rosalie vermisste ich... irgendwie.... von Esme und Carlisle ganz zu schweigen... nur Tanya... die vermisste ich irgendwie überhaupt nicht...
Meist versuchte ich nicht an meine Familie zu denken, was am Tage auch ging, da war ich ja abgelenkt... aber nachts holte mich die Erinnerung oft ein... ein paar Mal schreckte ich aus Träumen hoch, wo ich sie vor mir sah... einmal träumte ich sogar Alice würde von Felix verprügelt werden...
Bella nahm mich dann immer in den Arm, versuchte mich zu beruhigen. Sagte mir, dass mit ihnen alles in Ordnung wäre und dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte.
Und dass ich in ein paar Monaten wieder bei ihnen wäre...
Was mich einerseits freute, anderseits aber...
Der Gedanke sie dann nie wieder zu sehen, tat mehr weh, als für ein paar Monate auf meine Familie zu verzichten...
Scheiße...
In dieser Zeit wurden mir drei Dinge klar:
Erstens, Bella war ein Mitglied des organisierten Verbrechens. Nicht ein Kleines, sondern sie steckte mittendrin.
Zweitens, ein Teil von ihr sah in mir immer nur die Geisel. Jemanden, der bald nicht mehr da sein würde.
Drittens, ich hatte mich bedingungslos und unwiderruflich in sie verliebt.
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Nach drei Wochen waren meine Rippen wieder verheilt. Allerdings machte Bella keine Anstalten mich aus ihrem Bett zu werfen.
Ich machte aber auch keine Anstalten mich ihr zu nähern. Ihre Waffe hindert mich irgendwie daran.
An diesem Abend erhielt sie einen Anruf, als wir gerade vom Training mit Jake zurückkamen. Er würde morgen nach Europa abreisen. Die beiden hatten sich vorhin schon ziemlich lange umarmt und in dieser Indianersprache unterhalten. Es hatte auch fast so ausgesehen, als hätte sie ein wenig geweint.
Jake war seit dem Vorfall mit Felix auch nicht mehr abends bei ihr gewesen – ging ja auch schlecht, ihr Bett belegte ja ich. Was mich irgendwie tierisch freute.
Mit einem leicht genervten Gesichtsausdruck ging sie ans Handy.
„Yeah?.... oh, du bist es..... Essen? .... in zwei Stunden?.... kann ich Jake und Edward mitbringen?.... Nein, ich lasse ihn nicht hier, entweder komme ich mit ihm, oder gar nicht!.... er hat mich, Jake, Felix, und was weiß ich wen noch gesehen, meinst du da käme es auf dein Gesicht noch an?.... Eben.... yepp.... wir nehmen den Heli.... yeah... bis gleich“
Süffisant grinsend schloss sie ihr Handy.
„Essen mit Aro?“, fragte Jake.
„Yepp, geh dich umziehen und sei in einer halben Stunde wieder hier.“
Jake verschwand und Bella zog mich in ihr Wohnzimmer. Mittlerweile hatte ich das Foto auf dem Sideboard schon unauffällig näher betrachtet, es waren definitiv ihre Eltern und sie. Allerdings traute ich mich nicht, sie danach zu fragen. Schien ein wunder Punkt bei ihr zu sein.
Sie verschwand kurz in ihrem Schlafzimmer und kam nach einem kurzen Moment mit einer schwarzen Hose und einem dunkelblauen Hemd für mich zurück. Sie warf mir die Sachen zu und stellte noch ein paar schwarze Lederschuhe daneben.
Dann verschwand sie wieder im Schlafzimmer. Ich hörte wie sie die Schranktüren öffnete und vor sich hin summte. Währenddessen schlüpfte ich in die Klamotten, sie saßen wie immer perfekt und sahen richtig edel aus.
Ich setzte mich auf die Couch und wartete. Das würde bestimmt länger dauern, wenn Jake in 25 Minuten hier wäre, würde ich bestimmt immer noch warten.
Nach unglaublichen 15 Minuten – ich hatte keine Ahnung, wie sie das so schnell geschafft hatte, Tanya brauchte manchmal fast zwei Stunden, um sich fertig zu machen – trat sie ins Wohnzimmer.
Und sie sah einfach nur zum anbeißen aus.
Ihre Haare hatte sie hochgesteckt, so dass nur einzelne Strähnen auf ihre Schultern fielen. Das Kleid, was sie trug. war aus dunkelblauer Seide, so wie mein Hemd, und eng geschnitten. Es reichte bis an die Knöchel. An den Füßen trug sie schwarze Peeptoes. Langsam ließ ich meinen Blick über ihre Gestalt gleiten.
Das Kleid war hochgeschlossen, aber Ärmellos. Dafür trug sie Handschuhe, die bis an die Ellenbogen reichten. An beiden Seiten des Kleides befanden sich Schlitze, die ungelogen erst zehn Zentimeter unter den Hüftknochen endeten.
Scheiße, sieht das heiß aus...
„Danke“, sagte sie grinsend.
Hatte ich das etwa laut gesagt? Fuck!
„Dabei hast du das beste noch gar nicht gesehen!“
„Das beste?“, gab ich zurück und zog eine Augenbraue hoch. „Wird es durchsichtig wenn es nass wird, oder so was?“
„Nein“, kicherte sie und begann sich langsam zu drehen, bis sie mir den Rücken zu wandte.
Und der Anblick raubte mir dann tatsächlich den Atem.
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Muse „Undisclosed Desire“
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