9 Revenge you best serve cold
Bella sicherte ihre Waffe wieder und steckte sie zurück ins Holster. „Um dich kümmere ich mich später!“ Ihre Stimme klang dermaßen kalt, dass es mir heiß und kalt den Rücken hinunter lief. Es war einerseits irgendwo beängstigend, andererseits aber auch sehr erregend.
War ja klar Cullen, dass du selbst jetzt noch an Sex denkst... geradeso dem Tod entwischt und jetzt schon wieder eifrig bei der Nachwuchsplanung...
Gut, sie hatte ihm die entsicherte Waffe an den Kopf gehalten. Hatte sie bei mir auch schon gemacht. Aber irgendwie war es bei ihm realer. Keine Ahnung. Als sie es bei mir tat, grinste sie und ich hatte nicht wirklich die Befürchtung, sie könnte abdrücken.
Aber eben... das war ernst. Todernst. In ihren Augen spiegelte sich eine unbändige Wut, und der Wille jemanden umzubringen. Sie hätte ihn wahrscheinlich getötet, wenn ich nicht direkt daneben gelegen hätte. Und ich wusste nicht, ob ich deswegen Angst vor ihr haben sollte oder nicht.
Sie kam in meine Richtung und augenblicklich hellte sich ihr Gesicht etwas auf und ihre Stimme bekam wieder einen warmen Klang. „Baby, ich werde einen Ultraschall machen müssen, um sicherzugehen, dass keine Organe beschädigt worden sind.“
„O..okay“, presste ich durch zusammengebissene Zähne hervor.
Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Das Schmerzmittel müsste gleich anschlagen.“ Langsam drehte sie ihren Kopf zur Seite. „Jake, kannst du ihn bitte runter bringen?“
Einen Augenblick später wurde ich wieder angehoben und die versteckten Treppen hinunter getragen. Jake lief bis ans Ende des Ganges und öffnete dort eine Tür. Dahinter befand sich ein komplett eingerichteter OP-Saal. Er legte mich auf den OP-Tisch und verließ wortlos den Raum. Einige Sekunden danach kam Bella herein, sie hatte sich einen Kittel und Handschuhe übergezogen.
So langsam begann das Schmerzmedikament zu wirken und ich entspannte mich ein wenig. Bella zog ein Messer aus ihrem Stiefel und schnitt mein Shirt auf. Unter anderen Umständen hätte ich das verdammt heiß gefunden, aber so war ich einfach froh, dass ich das Shirt nicht über den Kopf ziehen musste. Dann zog sie einen kleinen Tisch mit einem Gerät darauf heran und verteilte eine kalte Lotion auf meiner Brust. Der Bildschirm für den Ultraschall befand sich anscheinend an der Wand oberhalb meines Kopfes, denn sie blickte angestrengt über mich hinweg, während sie mit dem Kopf des Gerätes meinen gesamten Oberkörper abfuhr.
Währenddessen betrachtete ich sie eingehend. Zwischen ihren Augen hatte sich eine steile Falte gebildet und sie biss sich konzentriert auf die Unterlippe. Insgesamt machte sie einen sehr erschöpften Eindruck.
Ein paar Mal zuckte ich zusammen, als sie an eine Stelle kam, die wehtat. Sie sah dann immer entschuldigend zu mir.
„Milz und Lunge sind, Gott sei Dank, nicht betroffen“, sagte sie nach einer Weile und schaltete das Gerät aus. „Du hast einen Rippenserienbruch, aber ich denke, mit Ibuprofen und einer stützenden Bandage bist du in zwei bis drei Wochen wieder fit.“ Vorsichtig wischte sie die Lotion von meinem Körper und cremte mich danach mit einer Salbe ein.
Inzwischen spürte ich eigentlich gar keinen Schmerz mehr. Es kam mir sogar so vor, als wäre ich ein kleines bisschen high. So wie wenn ich in der Highschool einen Joint weggezogen hatte.
„Kannst du dich aufsetzen?“
Vorsichtig ergriff ich die Hand, die sie mir hinhielt und zog mich hoch. Die Beine schwang ich über die Seite des Tisches. Bella zog mir den Rest meines Shirts aus und machte mir einen Verband um die gebrochenen Rippen.
Ich würde bei ihr gerne auch mal einen Brustwickel machen...
Als sie mit dem Verband fertig war, sah sie mich mit einem eigenartigen Lächeln an. Sie trat ganz nah an mich heran, und blickte mir intensiv in die Augen. Dann zu dem Grinsen auf meinen Lippen.
„Gehe ich recht in der Annahme, dass du noch nie Morphium bekommen hast?“ Sie zog eine Augenbraue in die Höhe.
„Yepp“, machte ich. Immer noch grinsend.
„Ich glaube, die Dosis war ein wenig zu hoch.“, sie schüttelte leicht den Kopf und gab mir einen sanften Kuss.
Als sie einen Schritt zurücktrat, ließ ich meinen Kopf nach vorne sinken und landete in ihrem Dekolletee. Und da sie keinen BH trug, fühlte sich das einfach nur fantastisch an.
Mhmmm... sie riecht so gut... und ihre Haut ist so weich...
„Definitiv zu hoch“, murmelte sie, während sie mir den Kopf tätschelte.
„Miss...“, fing ich an, da ich aber nicht wusste, wie sie mit Nachnamen hieß, nahm ich das Erste, was mir in meinem derzeitigen geistigen Zustand einfiel. „…Wachhund. So was macht man nicht.“
„Was macht man nicht, Mister?“, entgegnete sie sichtlich amüsiert.
„Seine Geiseln drogenabhängig machen“, nuschelte ich gegen ihre Brüste.
Gott, hier könnte ich für immer bleiben und dann sterben.
Sie strich mir über den Rücken. „Du kennst doch jetzt einen Arzt. Und zur Not hab` ich auch Methadon da.“
„Das ist nicht witzig.“ Ich umklammerte sie mit meinen Armen und presste sie an mich, während sie mir weiter über den Rücken strich.
„Ich hab` dich vermisst“, entfuhr es mir plötzlich.
Scheiße, was rede ich denn da? Als ob sie ein Teil meiner Familie wäre oder so...
Sie küsste meinen Hinterkopf. „Ich dich auch, Baby, ich dich auch.“
Ich drehte meinen Kopf zur Seite, um an frische Luft zu kommen. Nicht, dass ich dem Tod durch Verprügeln entging und mich dann im Vollrausch zwischen ihren Brüsten erstickte.
Obwohl, an sich gar keine schlechte Art zu sterben....
„War es schlimm?“, fragte ich nach einer Weile.
„Was war schlimm?“, sie legte ihren Kopf auf meinen.
„Wo ... wo du warst.“
Ich spürte, wie sich ihr Körper versteifte.
„Ziemlich.“
Ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte, also herrschte für ein paar Augenblicke absolute Stille. Das einzige Geräusch war das Schlagen ihres Herzens.
„Ein Blutbad“, fuhr sie plötzlich fort. „Eines unserer Drogenlager etwas außerhalb ist überfallen worden. Wir hatten damit gerechnet, also waren eine Menge Wachen vor Ort. Es gab fünfzehn Tote und zwei Dutzend Verletzte. Nur auf unserer Seite.“ Sie atmete tief ein. „Caius, der den Bereich organisiert, hat in seiner Gruppe fast nur Jugendliche, halbe Babies. Erkläre mal einem Siebzehnjährigen, dass du sein Bein amputieren musst, um ihm das Leben zu retten.“
Fast gedankenverloren strich sie mir über den Rücken. „Oder einem Vierzehnjährigen, dass du sein Augenlicht nicht retten kannst, da der Flammenwerfer, der ihm die komplette Vorderseite verbrannte, seine Hornhaut irreparabel beschädigt hat. Nicht zu vergessen, der Vater, der akzeptieren muss, dass sein einziger Sohn nicht einmal eine Woche bei uns überlebt hat.“
Sie schwieg wieder für einen Moment. „Einer der Toten... ich kannte ihn, er war vorher hier bei uns. Auch noch relativ jung, neunzehn vielleicht. Er hat des Öfteren mit Seth gespielt, er war ganz verrückt nach ihm, aber Caius wollte ihn unbedingt in seiner Gruppe, da er ein verdammtes Informatik-Ass war. Sein ... sein Name war Garrett.“ Sie schluckte. „Ich habe versucht, ihn zu retten, aber er ist mir unter den Händen weggestorben. Ich habe es einfach nicht geschafft, seine Blutungen zu stoppen.“
Sie schluchzte und ich spürte etwas Nasses auf meinem Kopf.
Fuck....
Ich hatte echt keine Ahnung, was ich dazu sagen sollte, wie ich es schaffen sollte, dass es ihr besser ging. Denn ich wollte nicht, dass sie weinte. Sie sollte glücklich sein.
Anscheinend bin ich wirklich high...
Sie nahm ihren Kopf von meinem und murmelte etwas, was wie „sorry“ klang.
Langsam nahm ich meinen Kopf von ihrer Brust und blickte sie an. Tränen rannten über ihr Gesicht. Ich legte ihr meine Hände an die Wangen und wischte ihr mit meinen Daumen sanft die Tränen weg.
Auf einmal überkam mich das unbändige Verlangen, sie zu trösten. Keine Ahnung, ob das an dem Morphium in meinen Adern lag, oder daran, dass sie trotz der Tränen und der Augenringe immer noch so verdammt hübsch war.
Vorsichtig beugte ich mich vor und presste meinen Mund auf ihren. Für einen kurzen Moment erstarrte sie, dann begannen sich ihre Lippen sanft auf meinen zu bewegen. Zärtlich stupste ich sie mit meiner Zunge an und sie öffnete augenblicklich ihre Lippen. Unsere Zungen fanden einander und liebkosten sich gegenseitig.
Durch den verdammten Drogencocktail fühlte es sich alles viel intensiver an. Ihre weiche, aber dennoch raue Zunge. Ihr heißer Atem. Der unvergleichliche Geschmack.
Ich stöhnte leise in ihren Mund und stellte mit sichtlichem Stolz fest, dass Drogen keinerlei Einfluss auf meine Männlichkeit zu haben schienen. Denn mein jetzt-nicht-mehr-so-kleiner Freund war zum Leben erwacht und bettelte um Aufmerksamkeit.
Meine Hände wanderten über ihre Schultern zu ihren Brüsten. Durch den Stoff strich ich sanft über ihre Brustwarzen, die sich blitzartig aufrichteten. Ihre Finger krallten sich in meine Haare und ihr Kuss wurde fordernder.
Ich zog ihr Shirt aus der Hose und ließ meine Finger darunter gleiten. Sanft strich ich über ihren Bauch und wandte mich dann wieder ihren süßen Hügeln zu. Ihr entwich ein leises Keuchen, als ich sie spielerisch in die aufgerichteten Brustwarzen zwickte.
Ihre Hände glitten hinab zu meinem Hintern und sie presste mich gegen ihre Vorderseite.
All die Schmerzen waren in dem Moment vollkommen vergessen. Es gab nur noch sie und mich. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, dass es wegen der Verletzungen vielleicht unangenehm werden könnte.
Schwer atmend löste sie ihren Mund von meinem. „Baby, ich muss mich noch um dein Gesicht kümmern.“
„Mhmm“, machte ich, während ich eine Spur feuchter Küsse über ihren Hals zog. Mit einem Geräusch, das wie Schnurren klang, bog sie ihren Oberkörper zurück. Ich nutzte die Gelegenheit, um ihr Shirt hoch zu schieben und begann, sanft ihre Brüste zu liebkosen.
„Gott... Edward...“, stöhnte sie leise und presste sich fest an mich, als plötzlich etwas in ihrer Hose vibrierte.
„Fuck“, murmelte sie und löste sich mit sichtlichem Unwillen von mir. Sie trat einen Schritt zurück, zog mit der einen Hand ihr Shirt runter und mit der anderen ihr Handy aus der Tasche.
„Ja?.... Ach du bist es.“ Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Du hast es schon gehört?... Was?! Dieses Arschloch! Und das hast du geglaubt?“ Ein wütendes Schnauben entwich ihr. „War ja klar, dass er das behauptet.... Ich kann dir mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass er ihn nicht provoziert hat!“
Behauptet der Kerl etwa, ich hätte ihn provoziert und er hätte sich nur verteidigt?
„Weil ich es weiß..... natürlich vertraue ich ihm... außerdem habe ich mir auf dem Rückflug meine Überwachungsvideos angesehen...er war brav...“ Genervt verdrehte sie die Augen. „Natürlich kann ich mich von unterwegs aus in mein System einhacken. Garrett hat es mir gezeigt..... Yeah, ist echt schade um ihn, er war einfach niemand für einen Außeneinsatz, aber Caius hört ja nicht zu, wenn man etwas sagt.“
Während sie sprach tigerte sie im Zimmer auf und ab und warf ab und zu einen Blick in meine Richtung.
„Natürlich ist es Scheiße! Er könnte noch am Leben sein, verdammt! Genauso wie die ganzen Jugendlichen.... da war kein einziger über 20 gestern Abend... das ist was anderes, ich hatte ja auch mit sechzehn schon jahrelanges Training hinter mir Die meisten von den Jungs hatten gestern zum ersten Mal in ihrem Leben eine richtige Waffe in der Hand.“
Sie schlug mit der flachen Hand gegen die Wand, anscheinend war sie wirklich wütend.
„Ich weiß, dass jeder Krieg seine Opfer fordert…“, ihre Stimme klang aufgebracht, „…aber seit wann verheizen wir halbe Kinder?“ Mit den Fingern rieb sie sich ihre Nasenwurzel. „Ich muss Schluss machen, ich hab’ noch Patienten... Yeah, mach's gut.“ Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und blieb für ein paar Sekunden so stehen.
Mein Kopf wurde so langsam wieder klarer, ich weiß nicht, ob es an ihrer erschütternden Erzählung lag oder ob einfach der erste Kick nachließ. Jedenfalls grinste ich nicht mehr. Mir war auch nicht mehr nach Grinsen zumute. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, was sie vielleicht schon alles gesehen hatte in ihrem Leben. Welches Leid. Gangster war vielleicht doch kein achso toller „Beruf“, wie es einem manche Mafiafilme weismachen wollten. Es war hart. Knallhart. Und nur die Stärksten überlebten.
Vielleicht war sie deshalb nach außen hin manchmal so kalt. Wenn ich es mir recht überlegte, war sie, wenn jemand dabei war, eine komplett andere Person. Kaltschnäuziger. Irgendwie härter. Und wenn keiner dabei war, kam es sogar manchmal vor, dass sie lachte. Als ob sie sich bei mir nicht verstellen brauchte. So wie jetzt hatte sie wahrscheinlich noch keiner erlebt. Außer diesem Jake vielleicht.
Ich fragte mich immer noch, wie zur Hölle sie hier rein geraten war. So richtig Spaß schien ihr das ja nicht zu machen. Warum ging sie dann nicht einfach?
Weil das hier kein Countryclub ist, wo man einfach seine Mitgliedschaft kündigen kann, du Depp! Den Verein hier verlässt man wahrscheinlich nur mit den Füßen voran...
Während ich grübelte, war sie wieder vor mich getreten und untersuchte mein Gesicht.
„Für den Cut nehme ich bloß ein paar Stripes, der heilt so. Deine Platzwunde hat er, Gott sei Dank, nicht wieder aufgerissen.“ Sie tupfte und klebte an meiner Stirn herum. Unterdessen starrte ich auf ihr Shirt. Besser gesagt auf ihre Brüste unter dem Shirt. Die würde ich zu gerne noch mal anfassen.
„So.“, machte sie plötzlich. „Fertig. Jetzt muss ich nur noch den Vollpfosten da oben verarzten.“ Ein diabolisches Lächeln schlich sich über ihr Gesicht. „Das wird ein Spaß.“ Sie schob den Tisch mit dem Ultraschallgerät zur Seite. „Kannst du aufstehen?“
Langsam ließ ich mich vom Tisch gleiten. Ich spürte zwar keine Schmerzen, aber das Atmen fiel mir trotzdem schwer. Sie legte meinen Arm um ihre Schulter und stütze mich auf dem Weg nach oben. Durch das flache Atmen war es wirklich anstrengend.
Die Treppe war eine echte Herausforderung. Ich spürte zwar wirklich keinen Schmerz, aber als wir oben ankamen, fühlte ich mich, als hätte ich gerade einen Achttausender erklommen. Japsend hielt ich mich an ihr fest.
Jake warf mir einen eigenartigen Blick zu, während das Arschgesicht nicht in meine Richtung blickte.
Ob sie ihn doch noch erschießen würde, wenn ich sie darum bitte? Klar Cullen, nur für dich...
Bella setzte mich auf den Drehstuhl, der vor ihrem Schreibtisch stand. Dann wandte sie sich ihrem nächsten Patienten zu. Oder sollte ich lieber Opfer sagen? Auf dem Weg nach oben hatte sie was von Jod und spritzen-so-dass-es-wehtut gemurmelt.
„Setz dich auf den Tisch“, knurrte sie ihn an und er gehorchte auf’s Wort. Anscheinend wollte er sich nicht noch mehr Ärger einhandeln.
Sie nahm eine große braune Flasche aus einem der Schränke und trat mit einem Tupfer bewaffnet vor ihn.
„Kann ich was gegen die Schmerzen haben?“, fragte er, bevor sie beginnen konnte.
„Nope“, antwortete sie, ohne aufzublicken und fing an, den Tupfer zu tränken. Die braune Flüssigkeit lief über die weiße Watte und erinnerte mich an meine Kindheit. Meine Mutter hatte auch immer Kaliumjodidlösung zum Desinfizieren genommen. Das Zeug brannte wie die Hölle.
„Verträgt sich nicht mit den Spritzen, die ich dir geben muss“, mit einem Grinsen auf den Lippen drückte sie den Tupfer auf eine offene Stelle an seinem Arm. Er zuckte sichtlich zusammen und ihr Mundwinkel wanderten noch ein Stück höher.
Mhmmm... so eine kleine sadistische Ader... was sie wohl von Spanking hielt?
„Spritzen?“, fragte er durch zusammengebissene Zähne, während Bella fröhlich auf seiner Wunde rumtupfte. So glücklich wie ihr Gesicht im Moment aussah, fehlte nicht viel und sie hätte „Oh happy day“ vor sich hin gepfiffen.
„Tollwut. Tetanus. Antibiotika.“ Sie tränkte erneut den Tupfer und wandte sich seinem anderen Arm zu.
Ich blickte aus den Augenwinkeln zu Jake. Er stand mit vor der Brust gekreuzten Armen an einen Schrank gelehnt und betrachtete sichtlich amüsiert die Situation. Als er meinen Blick bemerkte, sah er kurz zu mir und zwinkerte.
Er zwinkerte? Bei unserer letzten Begegnung hat er versucht, mir den Arm abzureißen... und jetzt zwinkerte er mir zu?
Nachdem sie die Wunde an seinem Bein desinfiziert hatte, holte sie aus einem Schrank drei riesige Spritzen. Und stellte sie so auf den Tisch, dass der Blick von dem Arschgesicht genau drauf fiel.
„Sind... sind die wirklich notwendig?“, stotterte er.
„Yepp“, entgegnete Bella, nahm eine Spritze, hielt sie seitlich vor sein Gesicht und prüfte, ob auch was raus kam. Der Penner schluckte. So wie es aussah, hatte er Angst vor Spritzen.
Bella zog seinen Ärmel hoch und jagte ihm die erste Spritze in den Oberarm. Selbst von hier konnte ich sehen, wie sich seine Muskeln sich verkrampften. Das würde definitiv ein paar Tage wehtun. Die nächste Spritze landete in dem anderen Oberarm, und die letzte in seinem Oberschenkel. Ich konnte nicht leugnen, dass es mir ein wenig Genugtuung verschaffte, ihn leiden zu sehen. Es war schon amüsant, dass so ein harter Kerl vor einer kleinen Spritze am liebsten davon rennen würde.
Nachdem sie ihn fertig gequält hatte, ließ sie ihn von Jake wegbringen und verschloss die Tür hinter den beiden.
Mit einem Seufzen trat sie auf mich zu. „Ich kann eine Mütze voll Schlaf gebrauchen. Wollen wir?“
Ich ließ mich von ihr hochziehen und wir gingen in Richtung meines Zimmers. Als ich stehen bleiben und die Tür öffnen wollte, zog sie mich einfach weiter. „Du bleibst bei mir Baby, damit du mich wach machen kannst, wenn die Medikamente nachlassen.“
Was? Ich bleibe... bei ihr...?
Hieß das, ich sollte mit bei ihr im Bett schlafen?
Verdammte Scheiße! Das könnte womöglich schmerzhaft werden...
Ich sah schon Bilder von ihr in einem halbdurchsichtigen Hauch von einem Nachthemd vor mir. Und hörte ihre Stimme, die leise flüsterte „Lass uns da weitermachen, wo wir aufgehört haben“. Leider gab es die Stimme nur in meinem Kopf. Schade aber auch.
Sie zog mich durch die Tür, die rechts vor der Küchentür war. „Musst du noch mal pinkeln?“, fragte sie, bevor sie die Tür öffnete. Ich schüttelte den Kopf.
Hinter der Tür war ein kleiner Raum, eine Art Wohnzimmer. Flachbildfernseher. Couch. Schrankwand. Alles recht altmodisch. Auf einem Sideboard stand ein gerahmtes Foto, aber ich konnte aus der Entfernung nichts weiter erkennen, als dass es sich anscheinend um eine Frau, einen Mann und ein kleines Kind handelte.
In der Ecke befand sich eine weitere Tür, die in ihr Schlafzimmer führte. Sie setzte mich auf dem King-size-Metallbett ab. „Ich hole dir noch eine Infusion, leg dich schon mal hin“
Ich schlug die Decke zurück und ließ mich auf das Kissen fallen.
Fuck, das fühlte sich an wie im Himmel...
Bella war schon wieder ins Zimmer gekommen und setzte sich neben mich auf das Bett, eine Kanüle in der Hand. Ich zuckte ein wenig zusammen, als sie nach meinem Arm griff.
„Keine Sorge, Baby“, meinte sie lächelnd. „Ich kann nicht nur so spritzen, dass es wehtut, ich weiß auch wie es ohne Schmerzen geht.“ Während sie sprach, hatte sie mir die Kanüle schon angelegt und schloss den Tropf an. „Ich geh noch kurz duschen, wenn was sein sollte, klopfe zweimal auf das Bett, Seth holt mich dann.“ Sie drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn und verschwand dann durch die Tür. Seth saß neben dem Bett und blickte hechelnd zu mir. Er sah fast so aus, als hätte er ein schlechtes Gewissen.
Ich bewegte meinen Kopf ein wenig, um mich umzusehen. Es war recht karg eingerichtet. Nur ein mittelmäßig großer Schrank stand noch im Raum. Die Fenster waren aus Milchglas und nicht zu öffnen.
Beim Anblick des Schrankes musste ich an meine Schwester denken. Sie würde wahrscheinlich nicht einmal ihre Unterwäsche da rein bekommen.
Alice... was sie wohl gerade tut?
Und Emmett? Ob er trainieren ist? Oder bei Rosalie?
... meine Eltern... meine Familie... sie machen sich bestimmt Sorgen...
Ich weiß nicht, wie ich in einer solchen Situation reagieren würde, wenn es Alice oder Emmett betreffen würde. Ich würde sicherlich am Rad drehen.
Nach einer Weile kam Bella zurück, sie trug nur noch ein ärmelloses Top und Hotpants. Ich konnte einen kurzen Blick auf das Tatoo an ihrem Arm werfen, es war schwarz und bedeckte den Unterarm. Sah aus wie Buchstaben oder so was. Und Herzen. Ineinander verschlungen. Sie sah aus wie ein ganz normales Mädchen.
Naja. Abgesehen von der Waffe in ihrer Hand.
Sie steckte sich die Waffe vorne in die Hotpants – was mich total verrückt machte – und entfernte die Kanüle. Dann kletterte sie auf das Bett und verharrte im Vierfüßlerstand über mir. Meine Hormone spielten komplett verrückt. Sie so nah über mir zu haben brachte mich fast um den Verstand.
„Schlaf ein wenig“, hauchte sie und küsste mich sanft, bevor sie sich auf die andere Bettseite rollte. Sie zog die Pistole aus ihrer Hose, und schlüpfte unter die Decke.
Ich drehte mich auf die Seite, um sie betrachten zu können. Da sie ganz gleichmäßig atmete, war sie anscheinend schon eingeschlafen.
Bella lag auf der Seite, das eine Knie fast bis zur Brust hochgezogen. Ihre Augen waren geschlossen und sie sah aus wie ein Engel.
Ein Engel, der mit der Waffe in der Hand schlief.
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„Map of your head“ Muse
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