3- Tag 1275 bis 1305 meiner glorreichen Existenz
Die nächsten Tage verliefen ziemlich ruhig. Außer Schießübungen hatte ich nix weiter zu tun.
Mir war sterbenslangweilig.
Seit der Scheißer aufgetaucht war, vernachlässigte mich der Boss sträflich. Wenn das so weitergehen würde, musste ich mich wohl oder übel bei der Gewerkschaft anmelden und mich beschweren.
Jawohl.
So konnte das ja schließlich nicht weitergehen.
Ich hatte es mit Streik probiert, aber das hatte sie nicht wirklich beeindrucken können.
Akribisch hatte sie mich auseinander genommen und mich gereinigt. Mit einer Zahnbürste! Wenn ich danach noch geklemmt hätte, wäre ich Gefahr gelaufen, dass sie mich aussortiert.
Vielleicht gegen diese doofe Beretta, die sie vor mir hatte. Die konnte mich noch nie ausstehen. Ich sie aber auch nicht. Die war unter meinem Niveau, ehrlich. So eine blöde mattschwarze Pistole. Was ist das schon gegen mich?
Ich erinnere mich noch gut an das Gesicht, das mein Boss gemacht hat, als sie mich bekam: Da war nichts außer purer Freude zu erkennen gewesen! Ich bin ja der Meinung, dass sie sich auf den ersten Blick in mich verliebt hat. Aber ich sehe ja auch zum Anbeißen aus.
In Erinnerung an die guten alten Zeiten entschloss ich mich, wieder lieb zu sein und siehe da, ich wurde prompt belohnt.
Mit einem Einsatz!
Endlich!
Ich hatte schon angefangen meine Rentenpapiere auszufüllen, aber die packte ich ganz schnell wieder in die Ecke.
Caius, der blöde Hammel, brauchte unsere Hilfe. Mein Boss konnte ihn auf den Tod nicht ausstehen, aber seine Mutter war eine Cousine dritten Grades von irgendeinem angeheiratetem Onkel von Aro. Kurz gesagt: Verfickte Verwandtschaft! Und die kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen.
Jedenfalls brauchte der Typ 'nen Arzt. Und jemanden, der ihm konfliktlösungstechnisch ein wenig unter die Arme griff. Und für solche Sachen war mein Boss ja Spezialist.
Vor allem Konflikte lösen konnte sie verdammt gut. Ihre „Erst-Schießen-dann-Fragen-Mentalität“ mochte ich ganz besonders gern.
Wir nahmen den Heli. Jake begleitete uns, obwohl das, meiner bescheidenen Meinung nach, nicht nötig war.
Auf dem Flug war sie irgendwie angespannt. Ich hatte den Eindruck es lag daran, weil wir den Scheißer zurückgelassen mussten. Aber Seth war ja bei ihm. Da konnte ja eigentlich nichts schiefgehen.
Nach der Landung war das Erste, was mein Boss tat, mich aus dem Holster zu nehmen und zu entsichern. Für alle Fälle.
Am liebsten hätte ich vor Freude gejubelt. Endlich wurde es mal wieder ernst.
Und es wurde wirklich ernst. Auf dem Weg Richtung Straße meinten tatsächlich sechs Mann, sich uns in den Weg stellen zu müssen.
Pech für sie!
Zwei Magazine und fünfzehn Minuten später waren wir auf der Straße und die Typen Geschichte.
Ich schwebte auf einer Endorphinwolke.
Das tat so verdammt gut!
Ich wage zu behaupten, das war besser als Sex.
Wobei....?
Ich hatte ja noch nie welchen.
Mir war auch gänzlich unbekannt, wie das mit der Vermehrung bei meiner Spezies funktionieren sollte. Weil…, wer sollte da was wo reinschieben?
Aber zurück zu dem besagten Abend.
Jake hatte uns den Vortritt gelassen, was ich sehr begrüßte. Er hielt uns in der Zwischenzeit den Rücken frei.
Aber was wollte er mit seiner Glock auch schon ausrichten? Nebenbei bemerkt hatte er es mit dem Schießen sowieso nicht so.
Ehrlich, da schoss der Scheißer besser.
Jake war da eher der „Haudruff“-Typ. Was auch nicht verkehrt war. Solange der andere keine Pistole mit sich führte.
Der Rest der Nacht verlief nach dem üblichen Schema.
Jake sammelte sie Verletzten ein, während Bella sie versorgte. War kein schöner Anblick. Zum Teil wäre es vielleicht besser gewesen, die Typen wären abgekratzt.
Ihr schien es auch ziemlich nah zu gehen. Vor allem als dieser Kerl, Garrett hieß er, glaube ich, ihr einfach unter den Händen weg starb. Sie schaffte es einfach nicht, seine Blutungen zu stillen. Als er nach einem geflüsterten „Weine nicht, wir sehen uns irgendwann wieder“, die Augen für immer schloss, brach sie zusammen. Mir wurde Himmel, Angst und Bange. Das hatte es noch nie gegeben. Jake nahm sie in die Arme und brauchte bestimmt eine halbe Stunde, um sie zu beruhigen.
Doch danach war sie wieder ganz die Alte. Um die Typen mit den Flammenwerfern zu erledigen benutzte sie zwar ihre Light Fifty, die sie immer im Heli mit dabei hatte, aber trotzdem stellte sich bei mir ein Hochgefühl ein.
Was auf dem Rückflug abrupt abbracht, denn Sam rief an. Und wenn er anrief bedeutet das nie etwas Gutes.
Sie wurde fuchsteufelswild. Der Vollpfosten Felix hatte anscheinend ihre Abwesenheit genutzt, um den Scheisser zu verprügeln. Gott sei Dank hatte wohl Seth eingegriffen, bevor er ihn komplett auseinandernahm, aber er war wohl trotzdem ziemlich verletzt.
Kurzzeitig hatte ich fast Schiss, dass der Heli abstürzt, weil sie sich so aufgeregte. Aber Jake hatte alles im Griff. Zum Glück. Ich hatte noch nicht vor zu sterben.
Der Satz „Only the best die young“ hört sich theoretisch zwar geil an, aber bringt dir, wenn du das Zeitliche gesegnet hast, auch nicht wirklich was.
Danach hatten die Zwei eine ziemlich lautstarke Diskussion. Von der ich trotzdem leider kein Wort verstand, denn Fremdsprachen gehörten nicht zu meinen Stärken.
Nachdem wir gelandet waren, raste sie noch schneller als gewöhnlich mit dem Wagen Richtung Heimat. Sie parkte mit quietschenden Reifen und sprang förmlich aus dem Auto.
Felix hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Der Scheisser sah aus, als hätte ihn ein LKW angefahren. Sein schönes Gesicht! Hoffentlich bekam sie das wieder hin.
Als Jake ihn zum Behandlungsraum brachte, wagte es der Blödmann Felix tatsächlich einen dummen Kommentar loszulassen. Ich spürte förmlich, wie der Adrenalinspiegel vom Boss nach oben schoss. Sie zwang ihn in die Knie und hielt ihm meine Wenigkeit entsichert an den Kopf.
Mein Adrenalinspiegel schloss sich ihrem an.
„Schieß’ der Arschkrampe die Birne weg!“ – schrie ich. Scheiß auf die Sauerei, er hatte es verdient.
Aber sie drohte ihm nur.
Schade.
Ich hätte freiwillig geputzt.
Wirklich.
Aber naja, ich hatte ja meinen Spaß schon gehabt.
Die nächsten vier Wochen waren wieder sehr ruhig. Bis auf das tägliche Schießtraining war nichts los.
Der Scheisser schlief jetzt mit in ihrem Bett. Aber nicht auf meiner Seite. Dem hätte ich auch was erzählt, wenn er mir meinen Platz streitig gemacht hätte.
Zwischenzeitlich war wieder dieser eine Tag im Jahr, an dem mein Boss zu nichts zu gebrauchen war. Beim ersten Mal hatte ich mich noch gewundert, warum sie so schlecht schoss, aber beim zweiten Mal erkannte ich eine gewisse Regelmäßigkeit.
Nur wusste ich nicht, warum das so war.
Jetzt schon, den dem Scheisser hatte sie es erzählt.
UND MIR NICHT!
PAH!
Ich schmollte drei Tage.
Seit dieser Kerl da war, ging es mit unserer Beziehung bergab. Vorher war alles so easy gewesen.
Nur wir zwei. Ein Team. Ein Dream-Team.
Ich dachte, wir hätten keine Geheimnisse voreinander und würden uns alles erzählen.
Aber so konnte man sich irren.
Trotzdem war sie mein Boss. Und ich liebte sie, ob ich wollte oder nicht.
Und irgendwie freute ich mich ja auch für sie und den Scheisser.
Allerdings machte ich immer die Augen zu und sang laut ‚La La La’, wenn die beiden sich näherkamen.
Sonst wäre mir vielleicht noch schlecht geworden.
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Heute ging es ab nach Texas. Das war ein verdammt guter Tag.
Schon im Van hielt sie mich diesem Blödmann Pete an den Kopf.
Und es war ernst. Verdammt ernst. Ich konnte es riechen. Ihr Adrenalinspiegel war wieder mal ganz weit oben.
Man, was war ich in dem Moment aufgeregt.
Alleine, wie sie den Gurt löste, über die zwei Bänke hechtete und plötzlich neben dem Kerl auf der Mittelkonsole hockte. Wow!
DAS WAR MEIN MÄDCHEN!
Nicht zu vergessen, dass sie mich währenddessen aus dem Holster gezogen und entsichert hatte.
Der Typ sollte lieber tun was sie sagte, denn wenn sie mit dieser ruhigen, kalten Stimme sprach, war es ihr immer verdammt ernst.
Es wäre zwar vermutlich richtig unschön geworden, so ein Kopfschuss im Auto, aber wer sie reizte, musste eben damit rechnen.
Ich bewunderte gerade die Schweißtropfen, die sich bei dem Typen auf der Stirn bildeten und fragte mich, ob Polsterreiniger auch solche Flecken raus bekämen, als er nachgab und anhielt.
Schade eigentlich.
Aber der Tag war ja noch nicht zu Ende.
Das nächste besonders tolle war... Jazz...
Gott, was liebte ich den Kerl!
Ich hatte ja immer gehofft, dass mein Boss mal mit dem und so...., aber nix da!
Manno. Dabei wären Kinder der beiden bestimmt absolut perfekt geworden.
Denn beide waren vernarrt in Schusswaffen. Und beide wussten genau, wie sie zu gebrauchen waren.
Einsätze mit ihm waren einfach der Hammer.
Obendrein er trug eine Schwester von mir bei sich. Sie hatte zwar nicht meine Schokofarbe, aber ihr leicht glänzendes Schwarz war auch nicht zu verachten.
Also, wenn ich mal gezwungen sein sollte zu heiraten, dann würde ich sie wählen. Sie war wirklich immer topp gepflegt. Richtig süß irgendwie.
Und als ob Jazz’ Anwesenheit noch nicht genug war, folgte noch das absolute Highlight des Tages.
Der dämliche Abschaum-Typ meinte nämlich, er müsste meinen Boss reizen. Ich fühlte förmlich, wie ihre Wut aufloderte. Roch das Adrenalin, spürte die leichte Vibration und das Zucken ihrer Hände.
Als ihre Stimme dunkel und ruhig wurde, war mir klar, was nun folgen würde.
Mhmm... am Liebsten hätte ich wohlig aufgestöhnt. Diesmal würde sie ihn nicht entkommen lassen.
Jetzt würde sie ihn wirklich töten.
Es war nur eine Sekunde.
Ein Wimpernschlag reichte aus, um sein Leben zu beenden.
Mit seiner kurzsichtigen Zustimmung, an ihm ein Exempel statuieren zu dürfen, hatte er sein eigenes Todesurteil unterschrieben.
Im Nu zog sie mich aus dem Holster, und in der gleichen Bewegung hatte sie mich schon entsichert.
Im nächsten Moment war er tot.
Dieser klitzekleine Augenblick verlief für mich allerdings wie in Slow Motion.
Ihr Arm, der nach vorne schnellte und mich auf ihn ausrichtete.
Ihr linkes Auge, das sich für einen Sekundenbruchteil schloss, damit sie ihn genau anvisieren konnte.
Ihr Finger, der den Abzug betätigte.
Die Kugel, die für ihn unsichtbar, eine gerade Linie bis zu dem Punkt zwischen seinen Augen beschrieb.
Ich schätze mal, er hatte nicht mal genug Zeit zu erkennen, dass das ihre Antwort war.
Oh...., das tat so verdammt gut....das war viel besser, als auf Zielscheiben ballern...
An diesem Abend schlief ich wirklich, wirklich verdammt zufrieden ein.
So müsste jeder meiner Tage sein, dann wäre das Leben perfekt.
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