Freitag, 22. Oktober 2010

SML - 01 - What the fuck

1. What the fuck

EPOV

Mein Kopf schmerzte furchtbar. Irgendwie schien dieser auch ständig gegen irgendetwas zu stoßen.

Bumm. Bumm. Bumm.

Und ganz genau betrachtet tat mir eigentlich alles weh.

Blinzelnd öffnete ich meine Augen. Es befand sich allerdings weiterhin alles in totaler Finsternis. Irgendetwas war über meinen Augen und versperrte mir die Sicht. Reflexartig wollte ich es mit den Händen entfernen, aber besagte waren gefesselt.

Halt! Gefesselt?

Ich versuchte mich zu orientieren. Wenn ich meinem Gleichgewichtssinn trauen konnte – und ich wusste nicht genau ob ich das konnte, denn in meinen Ohren rauschte es gewaltig – hing ich kopfüber über irgendetwas.

Oder über irgendjemanden. Der sich bewegte. Wodurch mein Kopf gegen seinen Rücken schlug. Ich ging mal davon aus, dass es sich um eine männliche Person handelte, denn ich war zwar beileibe nicht dick, aber einer Frau traute ich nicht zu, mich zu tragen.

Also fassen wir mal zusammen, ich wurde mit verbundenen Augen, gefesselten Händen von jemandem getragen. Ich versuchte meine Beine zu bewegen, aber die waren ebenfalls gefesselt.

SCHEISSE!

So langsam dämmerte es mir: Ich war anscheinend entführt worden! Und das nicht aus Spaß, wie es Emmett vor zwei Jahren mal mit mir gemacht hatte. Nein, das hier schien wirklich ernst zu sein.

Augenblicklich versuchte ich zu schreien, musste dann aber feststellen, dass selbst mein Mund zugeklebt worden war.

„Hmph!“

Ich versuchte ruhig zu bleiben... mich zu konzentrieren.

Das Rauschen in meinen Ohren ebbte langsam ab, nachdem ich ein paar Mal geschluckt hatte.

Bleib ruhig. Sie werden dir schon nichts tun, solange du schön brav bist.

Aber ich konnte nicht ruhig bleiben. Mein Adrenalinspiegel schoss nach oben und es gab nur noch einen Gedanken in meinen Kopf:

FLUCHT!

Ich versuchte zu zappeln, um irgendwie loszukommen. Was mir einen Schlag auf den Hinterkopf einbrachte.

„Unser Scheißer scheint langsam wach zu werden!“, hörte ich eine eindeutig männliche Stimme neben mir. Vermutlich der, der mich geschlagen hatte.

„Wurde auch Zeit!“, brummte der Typ, der mich trug. „Sie hätte uns sonst bestimmt Ärger gemacht!“

Sie?

„Sie wird sowieso schon nicht begeistert sein!“, entgegnete der erste Typ wieder. „Du hast ihn ganz schön verletzt!“

Verletzt? Mich?

Im Moment tat mir einfach ALLES weh.

Die beiden schwiegen wieder und ich versuchte mich daran zu erinnern, was ich als letztes getan hatte.

Ich war mit Tanya – meiner Verlobten – Essen gewesen. Und dann hatte ich mich noch etwas in die Bibliothek zurückgezogen. Allein. Nur ich, ein gutes Buch und eine Flasche Rotwein, die mir das Hausmädchen aus unserem Weinkeller geholt hatte.

Beim Gedanken an Tanya musste ich unwillkürlich grinsen. Selbst in dieser scheiß Situation. Wenn sie mich so sehen könnte! Vermutlich wäre ich dann nicht mehr standesgemäß genug für sie. Unsere Verlobung war sowieso nur eine einzige Farce. Unsere Eltern hatten schon kurz nach unserer Geburt beschlossen, dass wir heiraten sollten. Wir hatten unsere gesamte Kindheit und Jugend miteinander verbracht. Unsere Eltern hatten wohl gehofft, dass wir uns dann verlieben würden. Was auch passierte. Jedenfalls bei Tanya.

Als ich so meinen Gedanken nachhing, wurde ich plötzlich ziemlich unsanft auf etwas hartes geworfen.

„Hi Schatz, ich hab' dir was mitgebracht!“, flötete der zweite Typ fröhlich und ich hörte ein Geräusch, was klang, als würde er jemanden küssen.

Ich hörte wie sich jemand dem Tisch, oder auf was auch immer ich lag, mit klappernden Absätzen näherte. Plötzlich nebelte mich ein Geruch nach Erdbeeren ein und einige Finger fuhren vorsichtig über mein schmerzendes Gesicht. Obwohl ich dem Moment eine Scheißangst hatte, weil ich nicht wusste, was mit mir passieren würde, beruhigten mich die Berührungen irgendwie. Sie fühlten sich einfach gut an.

„Gott! Was hast du mit ihm angestellt!“, zeterte eine weibliche Stimme neben mir. „Sieh ihn dir an!“

Die sanften Finger fuhren oberhalb meines linken Auges über meine Stirn.

„Das muss genäht werden. Verdammt! Kannst du dich nicht einmal zusammenreißen?“, fauchte die Stimme weiter.

Der Klang dieser Stimme verursachte bei mir eine Gänsehaut. Auf der einen Seite war sie so kalt, dabei abei doch auch irgendwie sanft...und dieser Geruch...er war einfach unglaublich...

„Er hat sich gewehrt!“, sagte der Typ als würde das alles erklären. Ich konnte das Grinsen in seiner Stimme deutlich heraus hören. Es hatte ihn anscheinend großen Spaß gemacht, mich zu vermöbeln.

Wenn ich mich doch nur daran erinnern könnte! Aber irgendwie war da nur ein schwarzes Loch.

So langsam schlichen sich lokal stärkere Schmerzen in mein Bewusstsein ein und ich stöhnte gequält auf.

„Shhhhhh!“ machte die wunderschöne Stimme. „Geht gleich vorbei!“ Sie strich mir beruhigend über die Schulter.

„Raus mit euch!“, zischte sie wütend neben mir. „Ich muss ihm die Augenbinde abnehmen, um die Platzwunde nähen zu können!“

„Vergiss nicht deine Strumpfmaske aufzusetzen!“, schnaubte einer der Typen und ich hörte sich entfernende Schritte.

„Elende Hurensöhne!“, schimpfte die Stimme und ging von mir weg.

Ich hörte, wie eine Tür geschlossen wurde. Mit einem Klicken wurde sie zugesperrt.

Das erschwert eine Flucht natürlich etwas...

Plötzlich war etwas an meinen Händen. Die Fesseln wurden gelöst.

„Aaaarg!“, machte die Stimme. „Diese Stümper! Die Fesseln waren viel zu eng, jetzt ist alles wund.“

Wie auf Kommando setzte an der frei gewordenen Haut ein Brennen ein.

„Okay! Was tun wir jetzt...Was tun wir jetzt...“, die Stimme bewegte sich im Raum hin und her.

Ich überlegte, ob ein Fluchtversuch sinnvoll wäre, aber da die beiden Typen vermutlich nicht weit weg waren, waren die Erfolgsaussichten eher gering. Und ich wusste ja nicht, ob der Schlüssel noch in der Tür steckte. Und wie die Person aussah, die noch mit im Raum war. Der Stimme nach schien es eher ein zierliche Person zu sein, was aber wenn ich falsch lag und einen Sumoringer gefangen im Körper einer Frau vor mir hatte?

Plötzlich war ihre Stimme wieder dicht neben meinem Ohr.

„Hör zu! Wenn dir dein Leben lieb ist, solltest du auf mich hören, mit den beiden Typen da draußen ist nicht zu spaßen. Ich werde dir jetzt die Augenbinde abnehmen, das Klebeband entfernen und dich dann verarzten.“ Sie machte eine kleine Pause und ich meinte so etwas wie ‚solche Idioten’ zu hören. „Schreien oder Weglaufen ist zwecklos. Hier hört dich keiner.“

Ein leises ´Klick` ertönte. „Meine Waffe ist entsichert und voll geladen. Eh’ du bis zur Tür gekommen bist, hast du eine Kugel im Arsch. Verstanden?“

Ich nickte kurz. So langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. Wo zur Hölle war ich hier gelandet?

„Als erstes mach' ich dir das Klebeband ab. Könnte etwas wehtun!“, murmelte sie wieder etwas weiter weg.

Mit einem Ratsch wurde das Klebeband von meinem Mund entfernt. Ich bewegte den Unterkiefer hin und her, um die verspannten Muskeln zu lösen.

Plötzlich waren ihre Finger an meinen Kiefer und tasteten ihn ab. „Gott sei Dank nicht gebrochen.“, kam es flüsternd von ihr. Dann strichen die Finger über meine geschwollenen Lippen und hinterließen ein prickelndes Gefühl.

Fast hätte ich wohlig gestöhnt, es fühlte sich einfach so gut an.

„Okay!“, hörte ich die Stimme wieder. „Jetzt die Augenbinde. Lass die Augen noch einen Moment geschlossen, sonst wirst du geblendet!“

Langsam wurde die Binde von meinen Augen genommen. Ich kniff aufgrund der plötzlichen Helligkeit die Augen zusammen.

Langsam gewöhnte ich mich an das Licht und ich begann Dinge zu erkennen. Die Decke. Die Wände. Keine Fenster.

Scheiße!

Dann schob sich ein Gesicht in mein Blickfeld. Wobei ich nur die Augen sehen konnte, da der Rest von einer Strumpfmaske bedeckt wurde.

Diese Augen...ich hatte noch nie im Leben solche Augen gesehen... schokoladenbraun... umrahmt von dichten Wimpern...

„Hey!“, flüsterte mein Gegenüber und strich mir mit einer beinahe zärtlichen Geste die Haare aus der Stirn. „Willkommen in meiner bescheidenen Hütte!“

Ich sah, wie sich ihr Mund unter der Maske zu einem Grinsen verzog.

„Kannst du dich aufsetzen?“, fragte sie dann.

Ich nickte und drückte mich hoch. Endlich konnte ich den ganzen Raum überblicken. Er war etwa fünf mal fünf Meter, gelb gestrichen und an der Wand links von mir standen eine Unmenge Schränke. Mir gegenüber war eine Tür – wahrscheinlich die, durch die ich hinein gebracht wurde – und rechts von mir standen ein Bett und ein Schreibtisch.

„Schwing deine Beine runter, damit ich besser an dein Gesicht komme!“, forderte sie mich auf.

Ich ließ meine Beine nach rechts schwingen und setzte mich ein Stück zurück. Sie stand direkt vor mir und sah mich mit einem undefinierbarem Blick an. Langsam ließ ich meinen eigenen über sie streifen. Sie war nicht sehr groß, schlank, außer der Strumpfmaske trug sie nur ein weißes Shirt und Jeans. An der linken Seite trug sie ein Schulterholster mit einer Waffe. Ihre Hände steckten in Arzthandschuhen. Unter der Maske quoll braunes Haar hervor.

Sie trat auf mich zu, drückte meine Beine auseinander, so dass sie dazwischen stehen konnte und begann meine Stirn zu untersuchen. Wieder benebelte mich ihr unglaublicher Duft.

Mit dem Fuß angelte sie sich ein Tischchen heran, auf dem mehrere OP-Instrumente lagen. Ohne hinzusehen, nahm sie einen Tupfer und eine Flasche Desinfektionsmittel.

„Das wird jetzt ein bisschen wehtun!“, murmelte sie leise und begann die Wunde zu desinfizieren. Ich zuckte leicht zusammen als es in der Wunde brannte.

Sie hatte beide Arme oben, so dass ich auf die Waffe in ihrem geöffneten Holster blicken konnte.

Ich müsste nur zugreifen...mit ihr als Geisel würde ich vielleicht hier raus kommen, aber ich hab' ja überhaupt keine Ahnung wo ich bin...

„Denk nicht mal dran!“, sagte sie spöttisch, ohne von der Wunde wegzusehen. „Du wirst es nicht mal schaffen, die Pistole zu berühren!“

Ungläubig starrte ich sie an.

Hat sie etwa meinen Blick bemerkt?

Ihre Augen waren noch immer auf meine Wunde gerichtet.

„Du glaubst mir nicht? Okay, probier es! Ich mach' auch die Augen zu.“

Sie schloss die Augen und hielt den Tupfer an meine Stirn gepresst.

Soll ich wirklich?

„Brauchst keine Angst haben Ich erzähle es nicht den anderen. Du bekommst keinen Ärger dafür, ich will bloß, dass du dir nicht unnütz Hoffnung machst.“ Sie seufzte. „Nun mach schon!“

Langsam...ganz langsam streckte ich meine Hand aus und näherte mich vorsichtig dem Griff.

Zehn Zentimeter – keine Reaktion.

Sollte es wirklich so leicht sein?

Fünf Zentimeter - immer noch keine Reaktion.

Ich schaffe es.. gleich hab ich sie...

Drei Zentimeter.

Im nächsten Moment war ihre linke Hand an meinem Handgelenk, sie drückte meine Hand nach oben und verdrehte sie diese, so dass ich nach rechts auf den Tisch kippte. Die Mündung der Pistole befand sich an meiner linken Schläfe.

Ich wagte es nicht, zu atmen.

„Siehst du!“, sagte sie zufrieden, ließ die Waffe zurück in das Holster gleiten und hielt mir ihre Hand hin, um mir aufzuhelfen.

Immer noch geschockt griff ich nach ihrer Hand und als wir uns berührten, spürte ich eine Art elektrisches Kribbeln. Ihr schien es ähnlich ergangen zu sein, denn sie sah etwas verwirrt auf ihre Hand und dann zu mir.

„Als erstes werde ich das nähen!“, sie zeigte auf meine Stirn. „Ich geb' dir eine lokale Anästhesie, du hast schon genug Schmerzen.“

Sie trat wieder zwischen meine Beine und zog sich den Tisch noch näher heran. Dann begann sie mit ihrer Arbeit. Ich sah, wie sich eine steile Falte zwischen ihren Augen bildete, als sie sich konzentrierte.

Ohne ein Wort zu sagen, begann sie die Wunde zu nähen. Aus Erfahrung konnte ich sagen, dass sie das wirklich gut machte. In meiner wilden Jugend hatte ich eine Menge Wunden, die genäht werden mussten.

Plötzlich stellte sie sich auf die Zehenspitzen. Wahrscheinlich um besser ran zukommen. Instinktiv legte ich meine Hände auf ihre Hüften, um sie zu stützen. Sie zuckte nicht zurück, sondern machte einfach weiter. Selbst durch den Stoff ihrer Jeans drang die Wärme ihrer Haut zu mir durch. Sie so zu halten, war auf irgendeine Art …erregend

Du bist ein Idiot Cullen! Denkst in so einer Situation an Sex!

Als sie sich wieder auf ihre Füße stellte, zog ich schnell meine Hände zurück.

„Vielen Dank, Mr. Cullen!“, sagte sie mit einem Hauch Fröhlichkeit in der Stimme.

Woher kannte sie meinen Namen?

Du Döspaddel..sie gehört zu den Entführern, sie MUSS ja deinen Namen kennen...

„Wie heißt du?“, fragte ich mit kratziger Stimme.

„Mein Name tut nichts zur Sache.“ erwiderte sie, während sie die Instrumente wieder auf das Tischchen legte. Dann nahm sie eine Salbe und sah mir in die Augen.

Mhmmm...in diesen Augen könnte ich versinken...

„Aber du kannst mich Marie nennen, wenn du willst.“ Sie nahm meine Hand und begann das wunde Handgelenk einzureiben. „Da ich zu deinem persönlichen Wachhund auserkoren wurde, wäre es wahrscheinlich nicht verkehrt, wenn du mich irgendwie nennen kannst.“

„Mein Vater wird schnell euren geforderten Betrag zahlen, ich werde bestimmt nicht lange hier sein!“, murmelte ich leise.

„Wer sagt, dass wir Geld gefordert haben?“, entgegnete sie, während sie sich meinem zweiten Handgelenk widmete.

Kein Geld? Was zur Hölle wollten sie dann?

„Dein Vater ist oberster Richter.“, sie sah mir jetzt direkt in die Augen, ihr Blick war wieder kalt. „Wir haben in nächster Zeit einige Prozesse, die wir nicht verlieren dürfen. Du wirst die nächsten zehn, zwölf Monate hier verbringen.“




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Muse „Map of the Problematique“



Kipphandhebel:

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